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Sanktionen gegen IranShoppen macht keinen Spaß mehr

Die bisherigen internationalen Sanktionen gegen Iran führen zu einer dramatischen Inflation. Lebensmittel und Benzin werden teurer, Arbeiter streiken, die Armut nimmt zu.

Bei der Preissteigerung kein Vergnügen: Einkaufen in Teheran. Bild: reuters

BERLIN taz | Die Führung in Teheran versucht, die Bedeutung der von der UNO, den USA, der EU und anderen Staaten verhängten Sanktionen gegen Iran herunterzuspielen. "Die effektiven Sanktionen" seien keine Bedrohung, sondern hätten dem Land im Gegenteil eine Menge Vorteile eingebracht, sagte Geheimdienstchef Haidar Moslehi über das von der EU beschlossene Ölembargo. Wegen der Schuldenkrise sei die EU eher auf das Öl angewiesen als der Iran auf die Abnahme des Rohstoffs.

Doch allmählich werden selbst aus dem islamischen Lager Stimmen laut, die für das Land eine düstere Zukunft prophezeien, sollte die Regierung die bisherige Politik fortsetzen. So äußerte der regierungskritische konservative Parlamentsabgeordnete Ahmad Tawakoli die Befürchtung, die EU-Sanktionen könnten eine ernst zu nehmende Wirtschaftskrise im Iran auslösen.

"Die gegenwärtige Situation am Markt und die ständig steigenden Wechselkurse für ausländische Währungen und Gold bringen das Land an den Rand des Bankrotts", sagte Tawakoli. Die Lage sei äußerst gefährlich, warnte der Abgeordnete und forderte das Parlament auf, einzugreifen, um einen weiteren Anstieg der Inflation zu verhindern.

USA legen nach

Die USA verschärfen ihre Sanktionen abermals. Dies sei nötig, weil der Iran Finanztransaktionen verheimliche, begründete Präsident Barack Obama am Montag den Schritt in einem Brief an den Kongress. Dem Finanzministerium zufolge können nun die Vermögenswerte aller iranischen Ministerien und staatlicher Einrichtungen eingefroren werden. Betroffen sei auch die Notenbank, die für die Einkünfte aus den Ölgeschäften des Landes zuständig ist. Das iranische Vorgehen stelle "ein fortgesetztes und inakzeptables Risiko für das internationale Finanzsystem dar", erklärte Obama. Bislang mussten US-Banken iranische Geschäfte nur ablehnen, statt sie zu blockieren und einzufrieren.

Mit den Sanktionen wollen die USA den Iran zwingen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und eine diplomatische Lösung des Atomstreits zu suchen. Der Iran bestreitet den Verdacht der Staatengemeinschaft, Atomwaffen zu entwickeln. Es weigert sich aber beharrlich, sein gesamtes Atomprogramm offenzulegen. Zudem nährt das Land die Befürchtungen der internationalen Gemeinschaft, weil es die Urananreicherung in unterirdischen Bunkeranlagen fortsetzt. Auch die Europäische Union (EU) beschloss kürzlich eine Verschärfung ihrer Sanktionen gegen den Iran.

Tatsächlich verlor die iranische Währung seit Jahresbeginn die Hälfte ihres Werts. Die Inflationsrate liegt offiziell bei 21 Prozent, Experten schätzen sie jedoch auf fast 50 Prozent. Unterdessen hat US-Präsident Barack Obama hat am Montag neue Sanktionen gegen die iranische Regierung verhängt. Von den Strafmaßnahmen betroffen ist auch die iranische Zentralbank. Die Sanktionen seien wegen der "betrügerischen Praktiken" der Zentralbank und des "inakzeptablen Risikos" berechtigt, das die iranischen Aktivitäten für das internationale Finanzsystem darstellten, hieß es in einer Erklärung Obamas.

Krise war vorher schon da

Auch die den gemäßigten Konservativen nahestehende Webseite Tabnak sieht die iranische Wirtschaft "an der Schwelle des Ruins". Großmärkte wie etwa der für Eisen, Haushaltsgeräte oder Gold seien gänzlich ins Stocken geraten, nicht zuletzt, weil es den Unternehmen an Zukunftsperspektive fehle, schreibt Tabnak. Deshalb werde auf Großeinkäufe verzichtet, und wenn in Ausnahmefällen ein Handel zustande käme, dann werde er nicht auf Kreditbasis, sondern mit Bargeld abgewickelt.

Viele Händler verkauften ihre eingeführten Waren ohne Rücksicht auf den Binnenmarkt. Die siebzigprozentige Verteuerung des Dollars innerhalb weniger Monate sei ein einmaliges Ereignis, das die Inflation anheize. Dies mache nicht nur den Mittel- und Unterschichten der Gesellschaft das Leben schwerer, sondern treffe auch die produktiven Aktivitäten empfindlich.

Bereits bevor die härteren Sanktionen von der EU und den USA beschlossen wurden, befand sich die iranische Wirtschaft in einer tiefen Krise. Misswirtschaft, Korruption und Ausschluss von Experten aus den Entscheidungsprozessen haben in der Wirtschaft große Schäden verursacht. Milliarden Dollar fehlen in der Devisenkasse, doch laut Nationalem Rechnungshof ist die Regierung nicht in der Lage, Belege dafür vorzulegen oder eine Erklärung zu liefern.

In dieser katastrophalen Lage zeigen die Sanktionen, vor allem der Ölboykott und noch mehr der Boykott der iranischen Zentralbank und anderer Banken, umso größere Wirkung. Betroffen sind allerdings weniger die Regierung und die Multimillionäre und Milliardäre, sondern die Mittelschicht und die ärmeren Schichten der Gesellschaft.

Tägliche Streiks

Fast täglich gibt es in mehreren Fabriken Streiks der Beschäftigten, die seit Monaten keinen Lohn erhalten haben. Der Boykott der Banken hat den Außenhandel erheblich eingeschränkt. Fabriken bekommen keine Ersatzteile und müssen schließen. Der Preis für eingeführte oder geschmuggelte Waren steigt fast täglich. Das gilt auch für importierte Lebensmittel und Konsumgüter. Es gibt kaum noch ausländische Investitionen. Darunter leidet vor allem die iranische Öl- und Gasindustrie.

Seit geraumer Zeit muss der Iran, der viertgrößte Ölproduzent der Welt, rund 50 Prozent seines Benzinbedarfs einführen, weil die Raffinerien nicht erneuert und ausgebaut worden sind. Für den Normalverbraucher sind die Preise für Lebensmittel, Energie und Konsumgüter inzwischen kaum noch zu tragen. Der Benzinpreis zum Beispiel ist seit einem Jahr um das Fünffache, die Preise für Brot, Milchprodukte, Gemüse und Fleisch sind zum Teil sogar bis zum Siebenfachen gestiegen. Angesichts der rapid zunehmenden Arbeitslosigkeit werden immer mehr Menschen in die Armut getrieben.

Doch solange es für das iranische Öl und Gas Abnehmer gibt, wird das Regime alles bekommen, was es für seinen Machterhalt braucht. Die Folgen muss das Volk tragen. (Mit Material von dpa)

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12 Kommentare

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  • FE
    frau else mueller

    bitte nicht den mund vollnehmen, von wegen revolution, aufstand etc. ihr sitzt da schoen in europa und redet von etwas wo von ihr keine ahnung habt. ich kann es nicht mehr hoeren, wie einige sich hier eins runterholen ... eckelhaft, abscheulich.

    menschen leben in diesem land, sie sind nicht anders als else und hans in deutschland, sie muessen nur leider unter idioten im eigenen land und auch der ach so tollen demokratisch-zvilisierten welt leiden. obama und seine billigern helfern sind arme kreaturen, die sich aus dieser region alles holen moechten, koste was es wolle.

  • 2
    201

    Was denn nun, ich denke es ist alles eine Interpretationssache....

     

    http://www.s-o-z.de/?p=61806

     

    ;-)

  • P
    Peter

    Die Redaktion von Taz sollte sich mal folgenden Artikel zu Gemüte führen:

     

    http://iranicum.com/2012/02/wie-der-iran-die-sanktionen-besiegt/2518.html

     

    Der viel sachlichere und mit vielen Quellen belegte etxt, weist in eine völlig andere Richtung.

     

    WAs denken Sie darüber?

     

    Grüsse

  • W
    Webmarxist

    Wirtschaftsembargos sind besser als jeder Bombenkrieg, denn es werden keine Menschen getötet.

    Gleichzeitig wird das politische System unter Druck gesetzt und im Extremfall sogar vom Volk gestürzt.

     

    Wenn ich das hier lese, habe ich Hoffnung, dass die Iraner sich von Achmadineschad und dessen Terrorregiem befreien werden.

  • KH
    Karl Heinz Müller

    Wie weit sich einige da aus dem Fenster lehnen. "ein fortgesetztes und inakzeptables Risiko für das internationale Finanzsystem dar".

    Klar, die Bankenkrise 2008 wurde ja auch vom Iran ausgelöst. Ich warte aber immer noch drauf, dass der Herr Obama die Geschäfte der deutschen Landesbanken sowie einiger Geldinstitute seines Heimatlandes unterbindet.

    Was machen denn die Iranischen Handelsbanken? Sie versuchen, das Embargo zu umgehen. Hat irgendjemand erwartet, dass sie anders reagieren? Solln sie die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass alles zusammenbricht? Natürlich wird eine Staatsbank versuchen, den Staat zu stützen und zu erhalten. Daraus jetzt einen Aufreger zu produzieren ist naja, einfältig.

    Und die Taz macht fröhlich mit. Wie wär es denn mal mit ein paar Hindergrundinformationen zum Thema "inakzeptables Risiko"? Worin besteht das denn? Was ist ein akzeptables Risiko?

     

    Der Bericht zeigt allerdings auch wieder, dass Sanktionen zu allererst die treffen, die für die Politik des Staates am wenigsten können. Es ist schon ziemlich schizophren, eine Diktatur (in der die Bürger ja per Definition nichts zu sagen haben) durch ein Embargo zu bestrafen, dass dann eigendlich nur eben jene Stimmlosen trifft. Wenn der Iran eine lupenreine Demokratie (wie z.B. Deutschland) wäre, könnte man ja sagen "Ihr habt sie gewählt, nun badet es aus". So versucht man, den Leidensdruck der Ärmsten zu steigern, bis sie das tun, wozu man selbst nicht die Eier hat. Ihr Leben riskieren und das System zu stürzen. Wir sind schon tolle Hechte.

  • KH
    Karl Heinz Müller

    Wie weit sich einige da aus dem Fenster lehnen. "ein fortgesetztes und inakzeptables Risiko für das internationale Finanzsystem dar".

    Klar, die Bankenkrise 2008 wurde ja auch vom Iran ausgelöst. Ich warte aber immer noch drauf, dass der Herr Obama die Geschäfte der deutschen Landesbanken sowie einiger Geldinstitute seines Heimatlandes unterbindet.

    Was machen denn die Iranischen Handelsbanken? Sie versuchen, das Embargo zu umgehen. Hat irgendjemand erwartet, dass sie anders reagieren? Solln sie die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass alles zusammenbricht? Natürlich wird eine Staatsbank versuchen, den Staat zu stützen und zu erhalten. Daraus jetzt einen Aufreger zu produzieren ist naja, einfältig.

    Und die Taz macht fröhlich mit. Wie wär es denn mal mit ein paar Hindergrundinformationen zum Thema "inakzeptables Risiko"? Worin besteht das denn? Was ist ein akzeptables Risiko?

     

    Der Bericht zeigt allerdings auch wieder, dass Sanktionen zu allererst die treffen, die für die Politik des Staates am wenigsten können. Es ist schon ziemlich schizophren, eine Diktatur (in der die Bürger ja per Definition nichts zu sagen haben) durch ein Embargo zu bestrafen, dass dann eigendlich nur eben jene Stimmlosen trifft. Wenn der Iran eine lupenreine Demokratie (wie z.B. Deutschland) wäre, könnte man ja sagen "Ihr habt sie gewählt, nun badet es aus". So versucht man, den Leidensdruck der Ärmsten zu steigern, bis sie das tun, wozu man selbst nicht die Eier hat. Ihr Leben riskieren und das System zu stürzen. Wir sind schon tolle Hechte.

  • IQ
    Ignaz Q

    Mit anderen Worten, die Sanktionen sind nicht so beschaffen, dass sie nicht die Zivilbevölkerung treffen.

    Das erinnert an die modernen „präzisen“ Waffen, die gezielt einsetzbar sein sollen und dann nicht einen Gegner treffen, sondern dutzende tote Zivilisten hinterlassen.

  • R
    Richterlich

    Antwort auf Kommentar von Thomas Fluhr:

    Ihrer Meinung nach sind also Sanktionen nicht das geeignete Mittel, selbstverstaendlich eine militaerische Loesung auch nicht! Somit bleibt nur der Dialog, der einer "linken" Logik nach alle Probleme loest. Verstehen Sie denn nicht das es Menschen, Diktatoren, Demagogen etc. gibt die genau diese kraftlose Haltung ausnutzen. Sie lassen nur geschehen und somit lassen sie unter dem Deckmantel des gewaltlosen Dialogs (man hat so ein herrliches befreites Gewissen dabei) Menschen sterben und erleichtern und ermoeglichen gezieltes Morden. Verantwortung ubernehmen ist das was man von uns "reichen" und "friedensverwoehnten" Europaeern erwartet. Ihre Haltung dazu wird keine Probleme loesen und sendet stets das Signal: Macht mal weiter so, interessiert mich nicht!

  • E
    end.the.occupation

    Man kann nur hoffen die Bevölkerung endlich gegen diese islamistische Regierung vorgeht. Man braucht dort eine Revolution!

  • R
    RedHead

    Ein Boykott des Iran ist das, was die dortige Opposition (ich weiß es zumindest von iranischen Kommunisten und iranischen Grünen) seit Jahren fordert. Das dies zunächst mal die Bevölkerung trifft, ist denen auch klar, aber die waren genauso davon überzeugt, dass sich das Regime nicht lange halten können wird, wenn die Produktivität einbricht. Das ist ja gerade der Sinn von solche Boykottaktionen. Angesichts des iranischen Strebens nach der Atombombe, der Forcierung eines Krieges mit Israel, der Mißachtung der Menschenrechte (Folterung von Oppisitionellen, Hinrichtung von Homosexuellen, Unterdrückung von Frauen etc.) ist nicht zu kritisieren, dass der Iran boykottiert wird, sondern das es erst jetzt passiert und vor allem sind diejenigen zu kritisieren, die immernoch iranisches Öl kaufen. Ein Ende der Theokratie durch ihr scheitern wäre für sehr viele Menschen eine Befreiung. Das wäre um einiges besser als die Entmachtung der Mullahs durch einen Krieg mit Israel und den USA, worauf es derzeit hinaus zu laufen aussieht. Wir wissen ja, dass die USA nicht die Überbringer der Freiheit und Menschenrechte sind, wie sie sich gerne selbst darstellen (in ihren eigenen Foltergefängnissen interessiert sie das jedenfalls nicht und bei ihrem Bündnispartner Saudi-Arabien auch nicht usw.)

    Ich hoffe jedenfalls, die iranische Opposition schafft es im nächsten Anlauf, die Mullahs los zu werden, vom Boykott sollten sie jedenfalls profitieren.

  • TF
    Thomas Fluhr

    Überall das Gleiche, die Creme schwimmt immer oben. Alle Sanktionen müssen die unteren Bevölkerungsgruppen ausbaden. Ob Iran, Griechenland, Deutschland oder Afghanistan. Es fehlt ein internationales Aufbegehren. Die Grenzen verlaufen doch nicht mehr geographisch, sondern hauptsächlich sozial.

  • A
    Analysator

    "Tatsächlich verlor die iranische Währung seit Jahresbeginn die Hälfte ihres Werts."

    Das kann ja wohl nicht sein, selbst wenn die Inflationsrate 50% wäre.