piwik no script img

Nach dem Tod Whitney HoustonsDie Nekrophilie des Pop

Der Tod ist ein sanfter Kosmetiker, er macht aus Gefallenen wieder Götter. Michael Jacksons Kinderliebe, Amy Winhouses Drogenkonsum – alles vergessen.

Der schöne Schein: Whitney Houston in einer US-Show im Jahr 2004. Bild: dpa

Kaum ist die Alte kalt, ist Whitney Houston vergessen. Zumindest als die Frau, die sie zuletzt war: ein bemitleidenswerter Restposten des internationalen Pop, ein ausgemergelter Kokainschatten, eine Sängerin, die kein Konzert mehr durchstand.

Voll des salbungsvollen 3-Oktaven-Stimmumfangs-Sermons sind die Nachrufe am Tag nach ihrem Sterben, schwelgen in Erinnerungen an Houstons glamouröse Zeiten, als sie sich in "Bodyguard" auf den starken Armen von Kevin Costner vor durchgeknallten Fans retten ließ.

Das Popgeschäft ist nekrophil. Bereitwillig schalten selbst die Klatschmagazine, die Houston im letzten Jahrzehnt gerne als fertige, vom Ex-Ehemann Bobby Brown Zerschundene abbildeten, sofort auf Souldiva-Popikonen-Modus um, sobald der Mensch Whitney Houston nicht mehr unter den Lebenden ist.

Ein Mechanismus, über den sich inzwischen schon niemand mehr aufregt – man erinnere sich an den merkwürdigen "King of Pop"-Popanz nach dem Tod von Michael Jackson, der mit einem Schlag seine eigenwillige Kinderliebe und den Hang zur operativen Selbstverstümmelung aus dem öffentlichen Bewusstsein wischte.

Amy Winehouses Crack-Eskapaden waren leider zu deutlich, um sie zu tilgen. Also verklärte man sie zu – Kunst. Künstler, hochtalentierte, waren sie nun plötzlich nur noch. Sie hätten noch so viel geben können, wenn, ja wenn sie nicht viel zu früh von uns genommen worden wären. Die Alben der Toten stehen unterdessen wieder ganz oben in den Charts.

Selbst sonst scharfzüngige Musikredakteure erinnern sich wieder zärtlich an die ersten Engtänze und Zugenküsse zu den Schmonzetten dieser Sänger. Wie leicht es sich an Erfolg, Geld, medialer Dauerbeobachtung scheitern lässt, haben sie vergessen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • G
    Guenterkastenfrosch

    Ursache oder Wirkung ?

     

    Vielleicht ja sind u.a. gerade "die Klatschmagazine, die Houston im letzten Jahrzehnt gerne als fertige, vom Ex-Ehemann Bobby Brown Zerschundene abbildeten" und nun "sofort auf Souldiva-Popikonen-Modus um"-schalteten, eher die Ursache als nun die Nach-Wirkung ?

    Es ist schon auffällig, dass sehr viele der Menschen, die im Rampenlicht dieser unersättlichen Konsum-Gesellschaft und ihrer Medien stehen, ganz privat ganz grosse Probleme durchzustehen haben - die dann freilich den Medien und deren Konsumenten am besten vorzuenthalten sind.

    Da sollten sich Alle (sensationsheischendes Publikum wie entsprechende Erwartungen befriedigende Medien) mal hinterfragen, was sie für Schuld an solch einemTod auf sich geladen haben...

     

    M.E. eine große Menge !

  • M
    Musikschnecke

    Die wahre Nekrophilie ist daß die Contentmafia jetzt ein Riesengeschäft mit Whitney Houston's Alben macht. Leichefledderei nennt man das.

  • CR
    Christoph Rickers

    De mortuis nil nisi bene. Über Verstorbene sage man nichts, es sei denn gut gemeintes. Das heißt letztlich auch, dass man sich für den Fall, dass einem selbst so gar nichts Gutes einfallen möchte, einfach mal gesittet im Schweigen übt. Hätten sie es mal getan…

  • KH
    Katharina Haberl

    Schämen Sie sich Frau Laaf! Für Ihre menschenverachtenden Äußerungen zu Whitney Houston, "Restposten des internationalen Pop" Was denken Sie eigentlich wer Sie sind, daß Sie sich herausnehmen dürfen, unter dem Deckmantel die Popindustrie zu geißeln einer großartigen Künstlerin den Nachruf nicht zu gönnen, der ihr gebührt, nämlich sie für ihre wunderbare Stimme zu ehren.

  • K
    Kritiker

    Oh, da hat die liebe Frau Laaff wohl vieles nicht verstanden.

    In einem Land, in dem ein Künstler von den Medien privat ausgebeutet wird, wundert es nicht, dass es Menschen gibt, die dies auch nach dem Tod des Künstlers weiter betreiben wollen.

     

    Es war schon zu Lebzeiten der genannten Künstler einfacher Klatsch & Tratsch, von ihren Werken abzulenken und sich auf ihre Probleme zu stürzen.

     

    Wer nicht mal das Kunstwerk von Toten betrachten kann, ohne sich ihre Lebensprobleme ins Gedächtnis zu rufen, hat keinen weitgesteckten Horizont.

     

    Diese Probleme machen Stars übrigens zu Menschen. Ich bin ja mal gespannt, was die Frau Laaff zu Gabi Köster zu sagen hat, wenn diese das Zeitliche segnet...

     

    Noch mehr würde mich interessieren, welche Probleme sie, Frau Laaff, so mit sich rumtragen. Ohne schwerwiegende Drogenprobleme kann ich mir einen Artikel wie diesen nicht erklären.

  • H
    Hurrdiburr

    Die Frau ist zwei Tage lang tot, am besten wir zählen erstmal alles schlechte auf, was sie gemacht hat.

     

    Ich hoffe genau das wird bei Ihrer Beerdigung auch passieren.

     

    "Heute treffen wir uns, die launische Meike zu verabschieden, auf dass sie diesmal nicht wieder unerwünscht auf der Party erscheint."

  • M
    Mirko

    Kann mich den meisten meiner Vorredner größtenteils nur anschließen. Die "Aufarbeitung" der Biografien der Künstler ist da, wo es der Rahmen erlaubt, durchaus reflektierter und vielschichtiger als hier behauptet. Das ist jedenfalls meine Wahrnehmung. Es scheint mir eher so, als sei die Autorin von der medialen Präsenz der posthumen Würdigungen der Künstler so genervt, dass sie als Ventil dafür selbst einen oberflächlichen Artikel mit wenig Tiefgang hingekotzt hätte.

  • C
    chrissie

    Die Autorin möchte wohl auf Teufel komm raus einfach provozieren und wählt hierbei eine Sprache, die man auch als ihre eigenen nekrophile Neigung, auf soeben Verstorbene pietätlos einzutreten, interpretieren könnte.

    Hier nun auch noch Michael Jackson posthum wiederum in den gewissen von den Boulevardmedien so gnadenlos - bis heute !! - allgmein gestellten Verdacht trotz Freispruchs zu bringen, ist zusätzlich eine Geschmacklosigkeit der besonderen Art. Es ist die Sprache der Autorin, die ich als unanständig und unangemessen empfinde, diese Art des Tretens auf soeben Verstorbene empfinde ich als genauso brutal wie der physische Vorgang der Gewalt an sich.

    Natürlich ist die Verlogenheit der Trashmedien zu kritisieren, aber man kann dies auch tun, ohne dabei die Würde von Toten zu verletzen.

    MJ war der King des Pop und Whitney Houston die Queen des R&B, die Menschen, die Musik lieben, sehr viel gegeben haben und vielleicht sogar ihr Leben durch ihre Kunst bereicherten..das waren, sind und werden auch in Zukunft die Fakten bleiben.

    Daran ändert weder eine pseudo-links-intellektuelle taz noch die Yellow Press etwas.

  • I
    irgendwem

    Grundsätzlich stimmt das ja alles. Aber viel mehr als flüchtig zusammengekrikelte Gemeinplätze hat auch ihr Artikel hier nicht zu bieten, Frau Laaf.

     

    Um sich selber von dem Verdacht reinzuwaschen, den Tod eines Medien-Stars publizistisch auszunutzen, hätten Sie meiner Meinung nach ein wenig ausführlicher die Mechanismen des Showgeschäfts beleuchten müssen.

  • F
    Felix

    Ich verstehe auch nicht, was das soll. Natürlich würdigt man das, was diese Menschen an besonderer Kunst geschaffen haben. Dass sie gleichzeitig auch tragische Gestalten waren, ist traurig. Aber die gibt es eben überall.

  • DN
    Dr. No

    Peinlicher Kommentar Frau Laaf! Und wieder wird reflexartig Michael Jackson als Kinderschänder angedeutet, obwohl mehrfach bewiesen, dass das ganz großer Humbug war. Aber das verkauft sich nicht so gut und lässt sich auch nicht so leicht glauben, stimmts Frau Laaf? Und W. Housten oder A. Winehouse postum ihre Sucht, eine extrem grausame Krankheit, vorzuwerfen, ist einfach nur schrecklich. Es sind Menschen und keine perfekten Maschinen. Während andere musikalische Meisterwerke für die Ewigkeit geschaffen haben und dabei millionen Menschen berührten, erheben sie sich indirekt als etwas Besseres und zeigen mit dem Finger auf andere.

  • L
    logo

    Nekrophil ?

    Der Autorin sind die Begriffe verrutscht - dachte ich. Denn der Öffentlichkeit kann man eine nekrophile Motivation durchaus unterstellen: Schlug sie doch so lange auf oben genannte ein, bis sie nicht mehr lebend unter (über) uns weilten, um sie als Leiche liebend ins Herz zu schließen. Tote Stars müssen endlich keine Menschen mehr sein.

    Ob es Heilung verspricht, anschließend aufs Grab zu spucken, vage ich aber fast zu bezweifeln... Es ist vielleicht ehrlicher aber nicht aufgeklärter, moralischer oder symphatischer.

  • DR
    der Rolle

    Ich kann meinen Vorrednern nur beipflichten, es gebietet der Anstand im Nachruf an die positiven Facetten einer Persoenlichkeit zu erinnern und nicht zu versuchen seine Leserschaft zu mehren in dem man kokett vom nekrophilen Pop spricht.

     

    Ums im Stile der Autorin zu sagen: Ein Satz mit X, das war wohl nix.

  • H
    HansKlaus

    Es geht hier ja nicht um Krankheiten für die die Betroffenen nichts können.. sondern darum das sich die Menschen durch ihre Medienpräsenz und bösartige Hasstiraden in Zeitschriften dem Drogenkonsum ergeben haben und kaputt gingen.. und nekrophil in dem Sinne das alle möglichen Klatschblätter diese Künstler aufs schärfste verurteilt haben wegen ihren Süchten und verpatzten Auftritten..doch sobald sie nicht mehr da sind tut jeder so alsob nie etwas gewesen wäre..alsob sie die besten Freunde gewesen wären und loben die von ihnen so verurteilten Suchtkranken als die Ikonen die sie einst waren.

    Also bitte.. vielleicht ist nekrophil das falsche Wort.. aber hinterhältig und arschkriecherich triffts glaub ich besser was die Medien betrifft.

  • L
    laxoberal

    Ich denke die Musikindustrie möchte gerne die Situation nutzen und aus der Gelegenheit so viel Geld machen wie es geht und da wären Berichte über das realistische Verhalten der Leute nicht zuträglich.

     

    Genauso die Fans die ihre Idole gerne möglichst verklärt in Erinnerung behalten, auch hier wäre ein rumreiten auf dem wirklichen Verhalten der Stars nicht ideal.

     

    Aber gleich wird geschrien, als ob einem ein Ziegelstein auf den Zeh fällt, wenn mal jemand auch nur erwähnt wie krank die Glamourwelt "sein könnte".

  • K
    Karsten

    Sarkasmus ein

    "Frau Laaff hat sich die letzten Jahre Ihres Lebens immer ihre Windeln vollgeschissen. Das kann Ihre so tolle journalistische Laufbahn leider nicht tilgen. Wir werden den Anblick der vollen Windeln nie vergessen. Volle Windeln werden uns immer auch daran erinnern, dass Ihre Artikel schon früh beschissen waren."

    Sarkasmus aus

     

    Unnötiger Artikel. Fehl am Platz.

  • T
    timriddim.de

    Man! Welch erbärmlich strunzdummer Kommentar, erstaunlich wie die schleimigen Medien, die nach dem letzten Atemzug nur noch Gutes über Michael, Amy und nun Whitney schreiben wie bei jedem der Stirbt - was 'ne Binse! Motiviert wohl nur durch Neid, dass über die Journaille die sich auf den "Privat" Schmutz der Stars spezialisiert hat posthum keinerlei Kommentar zu erwarten braucht höchstens ein erleichtertes Aufatmen. Kann die Autorin bitte weiterhin/fürderhin für die Gala schreiben damit ich so'n Junk nicht lesen muss? danke!

  • A
    arribert

    Das ist doch normal, aber immer wieder ärgerlich und hat nichts mit Popmusik zu tun. Ich kann mich noch an Diskussionen erinnern in denen man nach dem Tod Steve Jobs nicht mal an die prekären Verhältnisse seiner Arbeiter denken durfte, es könnte ja der Heiligenschein des Visionärs ein paar Fleckchen bekommen.

    Ich würde in Bayern, in Anwesenheit von Polizeibeamten, auch nichts Negatives über Franz-Josef selig sagen.

    Nach dem Tod findet eine Überhöhung statt, das ist ungesund, weil damit die Diskussion über die Person getötet wird. Bei Whitney Houston ist das sicherlich nicht so dramatisch, wie bei Jobs oder Strauß, denn ihre Verfehlungen betrafen nur sie selbst und vielleicht ihr Umfeld. Das ist mir ziemlich egal. Aber andere, die als Ausbeuter oder Korrupte ein Vermögen machten, die soll man auch so nennen dürfen.

    Whitney Houston gehört für mich zu den Stars, die es nicht gemerkt haben, dass die Karriere zuende ist und sie besser ihre Kohlen nehmen und alle paar Jahre mal auf nen "Charitykonzert" auftreten. Mit dem Bankkonto wäre mir sicherlich nicht langweilig geworden und dem Rest der abgefuckten Industrie hätte sie gepflegt den Mittelfinger zeigen können.

    Oder war das eine andere Sucht, die vielleicht die anderen Probleme, die ihren Tod verursacht haben, bedingt hat?

  • L
    laffelaffelaaff

    ich bin beeindruckt, meike.

    da war noch nicht mal das taz typische einfühlungsgeheuchel. dir wird niemand gutmenschentum vorwerfen.

    endlich mal jefrad die die dinge so benennt wie sie sie versteht.

    und hätteste die weisse rausgelassen (du hast sie natürlich rausgelassen), wär sogar "die negrophilie des pop" möglich gewesen.

    bravo, aus dir wird noch was!

  • H
    Henri

    Ich frage mich, was die Autorin damit sagen will. Dass man besser noch mal nachtritt, nachdem diese Menschen gestorben sind?

    "Über die Toten nur gutes" heißt es doch immer.

  • ME
    macht es besser!

    Nicht der Pop ist nekrophil. Den Pop gibt es nicht. Die Medien sind es, denen die Diagnose zu stellen ist.

    Und der Markt. Ich wünsche mir von der taz sachkundig distanzierte Nachrufe. Bitte nur noch! Alles andere ist Schleichwerbung für Mogelpackungen.

  • N
    nomaaal

    Na, dass ein verstorbener Künster in das kulturelle Gedächtnis eher mit seiner künstlerischen Hinterlassenschaft eingeht als mit seinen persönlichen Drogentragödien oder mit seinen Straftaten, ist doch völlig logisch.

     

    Bei Maria Schell erinnert man sich ja auch vorrangig an ihre Filme und nicht an ihre Alternsdemenz.

    Wenn Katharina Witt dereinst hochbetagt und Parkinson-krank das Zeitliche segnen sollte, dann wären es trotzdem ihre Eislaufkünste, die als ihr eigentlicher Beitrag zum Kulturgut der Menschheit gelten würden.

     

    Das soll gleich nekrophil sein?

    Man kanns auch übertreiben.