piwik no script img

Kommentar Tablets in der SchuleSpäter einschulen

Lalon Sander
Kommentar von Lalon Sander

Tablets haben im Unterricht nichts zu suchen. Denn ob sie beim derzeitigen Stand der Technik überhaupt pädagogisch wertvoll sind, ist völlig unklar.

T ablets sind keine zwei Jahre alt und waren bisher das Spielzeug vor allem von Technikfans und Journalisten. Nun fangen sie an, auch im Alltag beliebter zu werden, und schon sollen alle Kinder möglichst früh den Umgang damit lernen.

Ausgerechnet in Schulen, wo die neuesten Forschungsergebnisse erst nach jahrelanger Verzögerung in die Lehrpläne einfließen, soll eine Technologie eingeführt werden, die noch in ihren Kinderschuhen steckt. Schon aus den Forderungen von Lehrern und Bürokraten hört man heraus, dass es ihnen nicht wirklich um Pädagogik geht, sondern dass sie von der neuen Technik fasziniert sind.

Die Gefahr ist, dass sie sich als vermeintlich neutrale und unverdächtige PR-Leute für Konzerninteressen einspannen lassen. Schulen sind ein riesiger Markt und der Staat ist ein reicher Kunde: Es gibt die Möglichkeit, mehrere Millionen Geräte abzusetzen und zugleich Kinder schon früh an die neuen Geräte zu gewöhnen und an Markennamen zu binden. Dabei ist noch völlig unklar, ob Tablets als Hilfsmittel für das Lernen überhaupt taugen.

Lalon Sander

ist Redakteur bei taz.de.

Das Problem neuer Technologien brachte Bert Brecht in den 30er Jahren auf den Punkt. Über das Radio schrieb er: "Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen. Und wer waren alle?" Genau das passiert zurzeit mit Tablets. Seit der Einführung des iPad im April 2010 arbeiten sich Hacker und Programmierer an dem Sinn des Geräts ab. Wie Bert Brecht haben sie die Ahnung, dass sie etwas Revolutionäres vor sich haben - und können sich erst ungefähr ausmalen, wozu es gut sein wird.

Schulen und Bildungsministerien sollten deshalb abwarten: So wie Computer und Handys werden Tablets in den kommenden Jahren besser werden und billiger. Dann werden sich auch sinnvolle Standardanwendungen etabliert haben. Bis dahin ist ihr Platz nicht im allgemeinen Unterricht, sondern unter experimentierfreudigen Schülern und Lehrern, die erst mal erproben, wozu sie das Gerät einsetzen könnten.

Gut möglich, dass Tablets wie Computer und Internet ihren Platz im Lernalltag finden. Möglich ist aber auch, dass sie wie Handys nur ablenken und stören - oder sich als vorübergehende technische Spielerei entpuppen. Auf alle Fälle gibt es keinen Grund zur Eile.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Lalon Sander
Datenjournalist
Lalon Sander ist Datenjournalist. Sein Schwerpunkt liegt in der Aufbereitung von Datensätzen zum Klimawandel.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • TS
    Thomas Spahn

    Als durchaus medienaffiner Lehrer und Fortbildner finde ich die Grundtendenz, überlegt, v.a. didaktisch (und wirtschaftlich!) reflektiert an das Thema Digitale Medien in Schule & Unterricht heranzugehen, höchst sinnvoll. Und: um Längen dem undifferenzierten Gegeneinander von Abwehr vs. Hype überlegen. Danke für den Beitrag.

  • WJ
    Walter Janka

    hallo ewig gestrige, wo lebt ihr denn. Schreiben sich erure Kinder noch Briefe zu Weihnachten oder Liebesbriefe? So schön das ja sein mag, aber die Welt bewegt sich nunmal weiter und wenn wir das in der Schule nicht annehmen, werden wir es nie schaffen, dass Schüler gerne und mit Spaß lernen.

     

    Es ist doch seltsam, dass man keinem Kind ein modernes Smartphone erklären muss, dass Kinder in den Ferien freiwillig auf Sprachreisen gehen und sich dort in die Schule setzen um zu lernen - warum soll das nicht auch in ganz normalen Schule gehen. Ich setze seit 10 Jahren eine elektronische Tafel von SMART ein und seit über einem Jahr iPads. Meine Schüler haben Spaß im Unterricht, dürfen dort auch essen - denn wer Hunger hat, kann nicht gleichzeitig an Mathe denken - und die Ergebnisse sind alles andere als schlecht: 40% der Schüler mit einem Notenschnitt unter 2,0 - ich bin zufrieden.

     

    Wer es nicht glaubt kann uns gerne besuchen oder Kontakt mit mir aufnehmen: Staatl. Berufsschule Neumarkt / Abt. Landwirtschaft

  • BD
    Ben Dobuzz

    Das klingt für mich so ein wenig nach Ansgar Heveling (http://www.sueddeutsche.de/thema/Ansgar_Heveling) – "das Internet geht wieder weg!"

    Natürlich soll der Einsatz neuer Technik überlegt und abgestimmt geplant werden, nur ein Tablet mit dem Störfaktor Handy zu vergleichen, ist hier übertrieben!

    (auch dieser Kommentar wurde auf einem iPad geschrieben) – Gruß aus Kiel!

  • A
    Anders

    Es ist natürlich ein sehr bequemer Weg, ein Warten zu propagieren ... wenn man eigentlich meint: "nur ja uns Eltern und Lehrer nicht unnötig mit der Frage belasten, WIE man diese Dinge benutzt".

     

    Da wird das Strohmann-argument aufgebaut, das es Tablets erst seit 2 Jahren gibt. Was zum einen Unsinn ist, die ersten Modelle sind seit etwa 2002, also gut 10 Jahre verfügbar. Was aber hinter diesem Strohmann verborgen wird, ist das es in den letzten 30 bis 40 Jahren NICHT gelungen ist, die modernen Medien adequat in den Unterricht einzubinden. Warum?

     

    Weil man sich scheute, sich damit auseinanderzusetzen? Sich wirklich ernsthaft mit der Frage zu beschäftigen, WIE ein solcher Unterricht zu gestalten ist?

     

    Es sind nicht die scheinbar "übereiligen" Lehrenden, die die "verfrühte" Einführung von "Technikkrams" fordern, die auf dem Holzweg sind. Es sind diejenigen, die doch konsequentes Ignorieren genau die wichtige Frage nach dem WIE seit Jahrzehnten verschlafen, die ein enormes Potential verschlafen.

     

    Zudem wird hier gefragt, ob sich die "technikaffinen" Lehrer nicht vor den Karren der Technikindustrie spannen lassen. Da frag ich doch mal zurück ... kann es sein, das der Autor sich vor den Karren der Schulbuchverlage spannen lässt, die ihre Felle davonschwimmen sieht?

  • JW
    Jens-Erik Weber

    Nicht dass ich meine, alle Schüler müssten jetzt sofort alle Schulbücher gegen Tablet-PCs wie iPad & Co. austauschen. Aber Bücher sind auch nicht gerade billig, und wenn der Einsatz von Tablets sich finanziell rechnet, ist dagegen doch erst einmal nichts einzuwenden. Denn so unterschiedlich ist das Lesen eines E-Books im Vergleich zu einem gedruckten Buch nun ach wieder nicht, außer dass lehrreiche Animationen den Stoff anschaulicher darstellen können — darüber verliert der Autor seltsamerweise kein Wort.

     

    Ich habe Studenten im Physikpraktikum z. B. Java-Applets aus dem Internet gezeigt, die die Strahlengänge in Linsen bei unterschiedlichen Gegenstands- und Bildweiten veranschaulichen und Magnetresonanz mit Hilfe animierter Grafiken aus dem Internet erklärt. Diese Dinge könnten natürlich sehr gut in E-Books für Tablets integriert werden. Daher ist es überhaupt nicht „völlig unklar, ob Tablets als Hilfsmittel für das Lernen überhaupt taugen.“

     

    Eine struktur-konservative Spaßbremse wie sie der Autor offensichtlich ist, will erst einmal abwarten, denn es könnte ja auch Nachteile haben. Wer sich absolut nicht auf den Unterrichtsstoff konzentrieren will, konnte auch schon in den 80er Jahren während des Unterrichts Walkman hören oder sich sonst ablenken, habe ich alles schon erlebt, als ich Schüler war. Welche Erkenntnisse will Herr Sander denn durch Abwarten gewinnen? Und vor allem: Woher sollen die Erkenntnisse denn kommen, wenn nicht durch Probieren im Unterricht?

     

    Und was Bert Brechts Weisheit angeht: Hätte man das Radio besser nicht einführen sollen? Soll es die Taz im Web und als E-Paper geben? Oder hätte man da nicht erst einmal abwarten sollen, ob das überhaupt sinnvoll ist?

     

    Außerdem sollte man auch an E-Book-Reader denken. Diese sind deutlich billiger als Tablets und wären für reine Texte ohne Animationen und große Grafiken geeignet.

  • H
    Humboldt

    Sozialpädagogen anschaffen.

    Kleine Klassen anschaffen.

    Überflüssigen Lernballast abschaffen.

    Freiarbeit anschaffen.

    Gymnasien abschaffen.

  • W
    Wilhelm

    Ich finde diese Stellungnahme richtig und wichtig und hoffe, die TAZ bleibt bei diesem Thema am Ball. Kinder brauchen Ruhe, Konzentration und Kreativität, sich in traditionelle Kulturtechniken einarbeiten zu können. Die Berichte, die über das Schreiben lernen vor einiger Zeit hier veröffentlicht wurden, haben das schön beschrieben. Wichtiger ist es, über eigene Lösungswege nachzudenken als den zu finden, der jemand kennt, der zur dieser Frage schon eine Lösung gefunden hat. Auch Taschenrechner ersparen nicht das Erlernen der Mathematik, im Unterricht werden sie nur sehr dosiert eingesetzt. Mit einem Multifunktionsgerät wie dem iPad bedarfs es dann wieder technischer Kontrollen, um den Fokus der Kinder kontrollieren zu können ("was machen die Schüler da gerade, ...?"). Besser später damit anfangen ...

  • T
    tommy

    Unnötige Ressourcenverschwendung, die Leute werden immer abhängiger von ihrem Techno-Krimskrams; dabei braucht dekadente Luxusgüter wie Smartphones doch kein Mensch. Das Geld für diese blöden Tablets kann man wirklich sinnvoller verwenden.

    Und was geschieht mit dem ganzen Elektroschrott? Alles nach Afrika verschiffen?