Leistungsschutzrecht für Verlage: Robin Hood? Von wegen!
Die deutschen Verlage sollen künftig von Informationssammlern wie Google Geld bekommen, wenn diese Textschnipsel im Internet verbreiten. Warum eigentlich?
Den Reichen nehmen, den Armen geben – das Leistungsschutzrecht ist so etwas wie der Robin Hood im digitalen Blätterwald. Zumindest, wenn man seit drei Jahren zuhört, wie deutsche Großverleger versuchen, das Ding zu verkaufen. Da gibt es die bösen Googles, die sich an der Leistung der armen Verlage laben und damit dickes Geld einstreichen.
So ungefähr erzählt es Springers Cheflobbyist Christoph Keese von den Podien dieses Landes. Und fordert, wenig Springer-typisch, eine Umverteilung – Geld für das Weiterverbreiten von Texten und Textteilen.
Man kann diese Geschichte aber auch andersherum erzählen: Da sind Presseverlage, die Texte ihrer Autoren im Internet kostenfrei zugänglich machen – oft ohne diese extra für Online-Veröffentlichungen zu bezahlen – und dafür Geld mit Werbung verdienen. Allerdings nicht genug – in einer Zeit, in der sich gedruckte Zeitungen immer schlechter verkaufen, während die dazugehörigen Onlineangebote zwar immer beliebter werden, aber meist noch am finanziellen Tropf ihrer kriselnden Printschwester hängen.
Ein kränkelndes Geschäftsmodell – keine schöne Situation. Es bieten sich zwei Möglichkeiten: Entweder man erfindet sein Produkt so neu, dass es die kommenden Jahrzehnte überleben wird. Oder man überlegt, wo man erfolgreich die Hand aufhalten kann.
Irgendwer anders soll halt zahlen
Mit dem Leistungsschutzrecht haben sich die Großverleger erst einmal für Letzteres entschieden: Irgendwer anders soll halt zahlen. Und nichts ist in Deutschland konsensfähiger, als bei Google zu schnorren, dieser superreichen und hierzulande superpopulären Suchmaschine. Deren Mutterfirma aber zugleich auch immer wieder als Turbokapitalisten- und Datenkrakenarschloch herhalten darf.
Auch wenn vollkommen klar ist, dass es keine schnellen und einfachen Antworten darauf gibt, wie die Krise des Printjournalismus zu lösen ist: Einfach mal eben ein Preisschild auf etwas kleben, um sich finanziell zu sanieren, ja, sich von der Politik ein Gesetz schreiben zu lassen, das einen berechtigt, von irgendwem anders Geld einzustreichen, ist zwar vielleicht eine einfache, aber auch innovationsarme Lösung, die es der Branche vielleicht noch eine Weile erspart, die Gegenwart zu akzeptieren. Weiterentwickeln wird sie sich dadurch nicht.
Ganz abgesehen davon, dass die Verlage vom Verbreiten ihrer Texte schon heute profitieren: Wenn Suchmaschinen wie Google, aber finanziell weniger erfolgreiche Dienste wie der Nachrichtenzusammenklauber Rivva oder der Mediendienst turi2 ihnen Traffic auf die Seite spülen, dann ist das gut für die Verlage. Denn der Löwenanteil der Leser finden nicht über die Startseiten der Zeitungen den Weg zu Artikeln, sondern gerade über diese Dienste.
Grundprinzipien des Internets
Teilen, zitieren, Nachrichten weiterverbreiten – das sind Grundprinzipien des Internets. All das ist derzeit weit von illegalem Kopieren oder Piraterie entfernt – denn weiterverbreitet wird nur, was bislang kostenfrei auf Internetseiten zugänglich war.
Deshalb bedeutet dieses Gesetz nichts weiter, als dass die Verleger künftig doppelt verdienen wollen. Ohne zusätzliche Leistung. Und wenn es bei den bisherigen Buy-out-Verträgen für Journalisten bleibt – ohne die Autoren all dieser Inhalte auch künftig am Zusatzverdienst teilhaben zu lassen.
Szenarien vom Untergang des Internets, wie sie nun in Selbigem kursieren, sind übertrieben, Recht haben die Kritiker aber damit, dass derzeit vollkommen unklar ist, was die Verleger sich schützen lassen wollen: Eine Überschrift? Zitate?
Selbst die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht ist verwirrt. Sie schreibt in einem Gutachten, ein Leistungsschutzrecht wäre entweder „überflüssig“ – oder es würde die Grenze verschieben, die das Urheberrecht „bislang aus gutem Grund so gezogen hat“, indem es „Nachrichten als solche grundsätzlich“ als „urheberrechtsfrei“ betrachtet.
Würde sich letzteres Szenario bewahrheiten, dürften wir uns tatsächlich von einigen Informationssammlern verabschieden. Google – und das macht das Unternehmen nicht sympathisch, aber erfolgreich – dürfte mit einem Schulterzucken reagieren. So wie letzten Sommer in Belgien, als Google die Artikel von Verlagen, die zu ausgiebig rumgenölt hatten, einfach zeitweise aus ihren Trefferlisten verbannte.
Auch in Deutschland wird Google wohl nicht um jeden Preis an seinem Dienst Google News festhalten. Was sich nicht lohnt, hat der Konzern schon häufiger eingestellt. Geht alles. Ist nur doof für die Nutzer. Und auch für die Verlage.
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