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Katholische KircheVatikan disst weltoffene Nonnen

Der Vatikan will die größte Organisation US-amerikanischer Nonnen unter Aufsicht stellen. Die Nonnen würden sich nicht gegen Abtreibung und Homosexualität engagieren.

Benedikt XVI. ist „not amused“ über die US-Nonnen und ihrer Nähe zur Welt. Bild: reuters

WASHINGTON taz | Wegen „Abweichungen“ vom Dogma, wegen „radikaler feministischer Themen“ und wegen unzureichender Verteidigung des „Rechtes auf Leben“ will der Vatikan die größte Organisation US-amerikanischer Nonnen unter Aufsicht stellen.

In einem Dokument listet der Vatikan zahlreiche ideologische Verfehlungen der „Leadership Conference of Women Religious“ (LCWR) auf. Und beauftragt den erzreaktionären Erzbischof von Seattle, Peter Sartrain, die Nonnen auf die richtige Linie zu bringen. Zwei weitere Bischöfe sollen ihm dabei helfen. Für diese Arbeit gibt der Vatikan ihnen fünf Jahre Zeit.

Das Dokument aus der „Kongregation für die Glaubenslehre“ ist das Resultat einer Überprüfung, die der Vatikan bei den katholischen Nonnen der LCWR angestellt hat. Es bescheinigt der LCWR eine „schwere Krise der Glaubenslehre“. Die Überprüfung der LCWR dauerte drei Jahre. Geleitet wurde sie von der „Kongregation für die Glaubenslehre“ im Vatikan. Dort führt seit der Beförderung von Ratzinger zum Papst der US-amerikanische Kardinal und frühere Erzbischof von San Francisco, William Levada, die Geschäfte.

In dem achtseitigen Dokument loben die Doktrinäre aus dem Vatikan das soziale Engagement ihrer Nonnen in den USA. Doch sie bemängeln, dass die LCWR sich nicht gegen Schwangerschaftsabbrüche, nicht gegen die Verteidigung des menschlichen Lebens „von der Empfängnis bis zum Tode“ und nicht gegen Homosexualität engagierten. Und sie kritisieren, dass ihre Nonnen in den USA es falsch finden, dass nur Männer Priester werden können.

Die LCWR repräsentiert mehr als 80 Prozent der 57.000 Nonnen in den USA. Sie arbeiten – oft für minimale Löhne – in Schulen und Krankenhäusern und bei der Betreuung von Obdachlosen. In der Debatte über die Gesundheitsreform hat die Dachorganisation LCWR ausdrücklich Präsident Barack Obama unterstützt. Diese Entscheidung ist zwar in dem jetzt vorgelegten achtseitigen Dokument nicht erwähnt. Doch sie war während der aufgewühlten Debatte in den USA ein deutlicher Unterschied zwischen Nonnen und der Spitze der Kirchenhierarchie. Die Bischofskonferenz sprach sich gegen Obamas Reform aus.

Die Nonnen sind schockiert

Unübersehbar sind auch die Unterschiede im Umgang mit Homosexualität. Während die LCWR Toleranz übt, machte der Erzbischof von Seattle, der die LCWR künftig ideologisch auf Linie bringen soll, in seinem Bundesstaat Kampagne für ein Referendum gegen die homosexuelle Ehe.

„Es fühlt sich an wie ein Schlag in die Magengrube“, sagte Schwester Simone Campbell am Donnerstag in einem Radiointerview mit NPR über das Dokument aus dem Vatikan: „Die Idee, dass wir religiösen Frauen nicht dem Evangelium folgen, ist schockierend“. Campbell ist Direktorin von „Network“, eine der größten Gruppen, die zu dem Dachverband LCWR gehören. Sie spricht von mangelndem sozialen Realitätsbezug des Vatikans und von einem „Kulturkampf“.

Sie fügt hinzu, der Vatikan sei „an eine Monarchie gewöhnt, während wir Nonnen in den USA in einer Demokratie leben“. In einem Tweet ergänzte Campbell: „Ich glaube, wir machen ihnen Angst.“

Andere Sprecherinnen der Nonnen erklärten am Donnerstag sie seien „vor den Kopf gestoßen“. Die Sprecherin der LCWR, Schwester Annemarie Sanders, sagte, ihre Organisation werde die Mitglieder konsultieren, um gemeinsam zu entscheiden, wie sie sich gegenüber dem Vatikan verhalten werden.

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12 Kommentare

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  • P
    pro-benedikt

    Der Vatikan, Papst Benedikt setzt nur das um, was er angekündigt hat: Die Kirche muss sich 'entweltlichen', bösartige Zungen sprechen von Dogmen-Ideologie, aber ist das so schlimm?

     

    Wenn aus dem 'Bunker' des Vatikans ein 'Führerbefehl' zu vernehmen ist, dürfen die angehörigen der Kirche dem 'Stellvertreter Gottes' nicht widersprechen, so sind die Spielregeln... das Wort 'Nächsten-Liebe' ist mir ein Fremdwort - ist das so schlimm?

  • S
    Sven

    Die Kirche ist - als teil der Gesamtgesellschaft - nicht undemokratisch. Schließlich wird niemand ihr anzugehören gezwungen.

    Undemokratisch ist allerdings, wenn die Zivilgesellschaft der Kirche meint Vorschriften machen zu müssen, was sie glauben darf und was nicht!

    Dass sich die Kirche gegen Abtreibung und für das Lebensrecht ungeborener Kinder einsetzt, ist wohl eine Selbstverständlichkeit. Wer darüber überrascht ist, hat bisher wenig über die Kirche gewusst.

    Dass religiöse Gemeinschaften, die sich zwar christlich-katholischch nennen, es aber tatsächlich ihren Einstellungen nach nicht sind, vom Vatikan kontrolliert werden, ist auch nicht ungewöhnlich.

     

    Und was ist eigentlich so toll an der Ermordung ungeborener Kinder??

  • P
    pelayo

    Religionsfeindlichkeit, wenn es ums Christentum geht ist "en vogue", in der taz ganz besonders. Beim Islam sieht es dann schon etwas anders aus; ist ja nicht "pc" und viel gefährlicher.

    Ich habe nicht nur Verständnis dafür sondern halte es für unabdingbar, dass sich der christliche Glaube gegen das Töten Ungeborener wendet. Wenn das Atheisten anders sehen stellen sich sich auf die Stufe der sonst so verachteten nationalen Sozialisten,ich nenne nur das Stichwort "Euthaniasie".

  • A
    anke

    Werden Katholiken demnächst vom Verfassungsschutz beobachtet? Wird es Einreiseverbote geben? Wird der Innenminister wenigstens eine Extremisten-Konferenz einberufen? Nein? Schade.

  • M
    MeinName

    Man fragt sich angesichts des "Schocks" der frommen Schwestern aber schon, ob sie sich jemals zuvor mit ihrer Kirche bzw. dem Vatikan (der diese nun einmal repräsentiert und teilweise auch definiert, egal wie sehr das manchen Katholiken hierzulande missfällt) beschäftigt haben.

     

    Natürlich ist der Hass des Vatikans auf Homosexualität, Empfängnisverhütung und Emanzipation widerlich und anachronistisch aber man kann doch nun wirklich nicht behaupten, dass solche Phänomene etwas Neues wären. Diese Dogmen gehören doch quasi zum "Markenkern" des Katholizismus und wer diesem Glauben einen Großteil seiner Existenz widmet, sollte doch eigentlich wissen, bei welchem Verein er/sie da mitmacht. Spätestens wenn die Schwestern demokratische Prinzipien/Umgangsformen einfordern wird deutlich, dass sie offenbar keinen Schimmer davon haben, wie die katholische Kirche grundsätzlich tickt.

     

    Aber es ist ja nie zu spät um dazu zu lernen und einer Kirche beizutreten, die ohne reaktionäre und diskriminierende Grundsätze auskommt oder gar sämtlichen Glaubensgemeinschaften den Rücken zu kehren.

  • S
    Susi

    Wichtiges Thema, aber der Titel hat leider BILD-Niveau.

  • JD
    Jaja dir Kirche

    Dogmen sind ja auch soviel wichtiger als christliche Nächstenliebe, Aufoperungsbereitschaft und die Hilfestellung für Menschen die es bitter nötig haben.

    Die Fratze des Vatikans kann man gar nicht deutlicher erkennen als in dieser Entscheidung!

    Ich wette das Jesus sich im Grabe umdrehen würde wenn er wüsste was diese Kirche aus seiner Lehre gemacht hat.

    Aber er kann sich halt nicht mehr wehren.

    Heute spricht der Papst für Ihn! grins

    Wers glaubt wird seelig!

  • AM
    Andreas Müller

    Gut 250 nach der Aufklärung muss man wohl zu dem ernüchternden Resultat gelangen, dass der religiöse Wahn therapie-resistent ist.

  • J
    Jerom

    @ jannis

    Das ist natürlich nicht falsch was sie da sagen aber auch sehr kurzsichtig in diesem Fall. Ich kann dem Glauben an Gott auch nicht abgewinnen aber diese Damen setzen sich für Menschen ein denen sonst keiner hilft. Wenn da jetzt eine Kontrollinstanz eingerichtet wird schadet das nur und zwar in erste Linie denen um die sich diese Damen gekümmert haben.

  • J
    jannis

    Religion ist heilbar.

  • R
    Rike

    Es stellt sich mir immer wieder die Frage. Für wen ist dieser Glaube noch gut? Positives: Er gibt halt für manche Menschen. Menschen finden zusammen um gemeinsam Zeit zu verbringen. Sie versuchen bestimmte Werte zu Vermitteln. Aber, ist das wirklich noch die Kirche. Brauchen wir noch diese starre Hierarchie? Oder ist das mittlerweile sogar die Gesellschaft selbst, die es schafft diese Werte aufrechtzuerhalten. Außerdem vermittelt sie ja nicht individuell für jeden Menschen etwas positives, Sie bringt auch viel Unglück für viele. Wie weit darf eine Institution wie die Kirche noch bestehen, bis eine demokratische Gesellschaft, die ja immerhin nach gewissen Werten lebt. Alle Menschen sind gleich, egal ob Homo/Lesbisch/Frau/Mann/Schwarz/Weiss, noch hinter dieser Institution stehen? Paradox! Es ist Faszinierend, das doch so viele Menschen die wenn man Sie Persönlich fragen würde für die demokratischen Rechte sind, trotzdem noch zur Kirche stehen. Ich denke wenn mehr Menschen wüssten was die Kirche hinter ihren Mauern so alles treibt, würde Sie nicht länger bestehen. Es gibt gruselige Geschichten, wobei wir wohl bisher nur die Spitze des Eisbergs kenne.

  • T
    T.V.

    Austreten hat noch keinem geschadet.