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Kommentar LinksparteiDie Sprechverbote brechen

Kommentar von Tom Strohschneider

Schuld an der Niederlage in NRW ist nicht die Selbstbeschäftigung mit sich selbt. Eine offene Diskussion darüber, was eine linke Partei heute leisten kann, wäre sinnvoll gewesen.

U m eine schnelle Erklärung für die Wahlniederlage war Klaus Ernst am Sonntagabend nicht verlegen. „Es lag meines Erachtens nicht an den Themen, die Themen waren richtig gesetzt“, erklärte der Linkenchef. Angesichts der fortwährenden Selbstbeschäftigung glaubte aber kaum noch jemand, dass die Partei etwas für sie tun könne. „Das ist unser Hauptproblem.“

Ist es das? Was der Linken zuletzt geschadet hat, war nicht zu viel Selbstbeschäftigung – sondern zu wenig von der richtigen Art. Die Partei scheint wie fixiert auf personelle Erlösung, die einen wollen mit Oskar Lafontaine „Kurs halten“, die anderen mit Dietmar Bartsch einen „Neuanfang“ wagen. Eine auch nach außen attraktive Debatte darüber, was eine linke Partei im Deutschland der großen Krisenzeit in Parlamenten und auf der Straße leisten kann, fand vor lauter Sprechverboten jedoch kaum statt.

Allein mit dem Hinweis auf ihr Erfurter Programm wird die Linke den Anschluss an frühere Stärken nicht finden. Die Partei hat es in den fünf Jahren ihrer Existenz vermocht, die politische Agenda auf beachtliche Weise mitzubestimmen. Vom Mindestlohn über die Aussetzung von Hartz-Sanktionen bis zur Finanztransaktionssteuer – es war nicht selten die Linkspartei, die solche Forderungen als erste stellte, sie hatte ein Sensorium dafür und nutze Gelegenheiten.

Bild: privat
TOM STROHSCHNEIDER

ist Redakteur im Meinungs-Ressort der taz.

Das hat auch SPD und Grüne dazu gebracht, sich zu bewegen – vorerst ist das aber bloß eine rhetorische Korrektur. Weder die vergleichsweise stabile Konjunktur noch die Wiederentdeckung des Sozialen durch andere Parteien haben an der Realität von Niedriglöhnern, Alleinerziehenden und Erwerbslosen wirklich etwas geändert. Hier liegt der eigentliche Knackpunkt der Linken: Angetreten, sozialen Themen in Zeiten ihrer rot-grünen Vernachlässigung eine Stimme zu geben, sind die meisten Probleme noch da – nur die Linke droht langsam zu verschwinden.

Gibt es Rettung? Niemand in der Linkspartei sollte sich Hoffnungen machen, dass irgendeine starke Figur allein sie aus der Krise führen kann. Dazu ist mehr nötig als bloß ein personeller Wechsel an der Spitze – vor allem Selbstbeschäftigung. Was der Partei fehlt, ist eine ausstrahlende Debatte die auch unabhängige Linke mitnimmt und jene wieder anspricht, die vor ein paar Jahren die Partei wählten und es heute nicht mehr tun.

Nur so kann die Linke wieder eine politische Erzählung formulieren – eine, die den Graben der innerparteilichen Widersprüche überwindet und nach außen signalisiert: Wir sind wichtig für Euch, nicht aus parteipolitischem Eigeninteresse, sondern weil Veränderungen immer noch dringend nötig sind.

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10 Kommentare

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  • L
    Lenny123

    Die Abgrenzung zur DDR ist mehrfach und überdeutlich von der Linken vorgenommen worden und nur wer dieses einfach nicht wahrhaben will, übersieht diese Realität, daran lag es nicht.

     

    Die Medienbarriere spielt da schon eine größere Rolle. Allerdings sind die Linken selber daran schuld, da darüber nur gejammert und nicht offensiv gegen angegangen wird.

     

    Weiterhin haben die Linken eine absolut verknöcherte Parteistruktur mit einer extrem starren Hirachie. Da will und kann man gar nicht mitmachen und wer es einmal versucht, wird die Linken nie wieder wählen.

     

    Und als einer der Hauptpunkte: Die Glaubwürdigkeit.

     

    Ich denke, kaum einer glaubt, dass die Linken ind der Lage sind etwas zu verändern oder das auch wirklich will. In Berlin, Brandenburg oder Meck-Vorp. haben die Linken exakt die gleiche Politik gemacht wie die anderen ethablierten Parteien, man hätte sie - ohne einen Unterschied zu merken - auch gegen die FDP oder die Grünen tauschen können.

     

    Man hat schlicht verpasst, sich als eine echte Alternative zum Einheitsbrei der restlichen Parteien zu zeigen.

     

    Diese drei Punkte sind es, die Linken angehen müssen, damit sie sich retten können, wenn das überhaupt noch möglich ist.

  • TB
    Thorsten Büchner

    Thema verfehlt. Was diese Partei an den Abgrund geführt hat (und hoffentlich darüber hinaus führen wird), ist ihre Rückwärtsgewandtheit: ihre Marktfeindlichkeit, ihr antiwestlicher Affekt, ihr Antisemitismus, ihr an die RAF erinnernder Sprachduktus und die Unfähigkeit, sich vom DDR-Unrechtsstaat zu lösen. So eine Partei braucht niemand, zuallerletzt die bundesdeutsche Linke. Gut gemacht, NRW!

  • R
    runzbart

    für die partei und das innere gefüge selbst, ist es wahrscheinlich nicht so wichtig, wer an der spitze steht.

    auch sind "mangelnde geschlossenheit" und "zerstrittenheit" für sich genommen noch kein alleiniger grund für mangelnden erfolg.

    die nachdenkseiten haben indirekt einen aspekt für das schlechte abschneiden der linke beleuchtet.

     

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=13102

     

    was wird in den meisten medien denn überhaupt noch über die linke berichtet, ausser personalquerelen und die privatangelegenheiten von sahra wagenknecht und oskar lafontaine?

    für die mediale präsenz wäre ein vorsitzender oskar lafontaine in dieser hinsicht ein segen. kaum ein politiker wird so gerne in talkshows eingeladen und interviewt wie er. auf anderem wege ist es nahezu unmöglich für diese partei, ihre botschaften noch an den mann zu bringen.

  • DQ
    Der Querulant

    Die Linke sollte sich basisdemokratisch strukturieren, das würde die innerparteilichen Probleme lösen.

     

    Die Linke sollte dann mit einem basisdemokratisch erarbeiteten Programm an die Bürger herantreten, das würde den Ideologie-Vorwurf entkräften.

     

    Diese beiden Punkte sind für Parteien wie Die Linke oder die Piratenpartei unverzichtbar, will man die Wähler mobilisieren.

     

    Allerdings kann ich mich des Eindrucks kaum noch erwehren, daß es gerade die Benachteiligten in der Gesellschaft sind, die das Lager der Nichtwähler größtenteils ausmachen. Ob man diese Hoffnungslosen noch dauerhaft mobilisieren kann, denn anders ist Regierungsbeteiligung und damit Veränderung in der Gesellschaft kaum machbar, halte ich für mehr als fraglich. Es ist ein Teufelskreis: Fehlende soziale Veränderungen führen zu Frustration und Resignation - zu einem Anstieg der Benachteiligten unter den Nichtwählern.

     

    Die Piraten könnten diesen Teufelskreis durchbrechen, wenn sie basisdemokratisch bleiben und mehr direkte Demokratie als oberstes Ziel beibehalten. Das gibt Hoffnung auf die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Veränderung auch ohne Regierungsbeteiligung. Vielleicht sollte Die Linke mal darüber nachdenken.

  • W
    wauz

    Es gibt einen klaren Grund, sich von der Linkspartei abzuwenden - die interne Machtpolitik.

     

    Da wird intrigiert wie in der SPD. Welch ein Wunder, besteht Die Linke zumindest im Westen doch hauptsächlich aus SPD-Kadern. Alles, was früher mal links von der SPD agiert hat, wird sofort weggebissen und Junge werden bestenfalls als Wasserträger zugelassen. Wirklich links dürfen sie auch nicht sein. Und politisch diskutieren wollen schon garnicht.

    Diese Partei sit ratzfatz zum Wahlverein mutiert, der zwar Themen besetzt, aber inhaltlich nicht ausfüllt.

    Die Linkspartei sit als Partei nicht interessant und das strahlt aus. Eine Partei, die nur einer "auserwählten" Elite eine Parlamentskarriere gewähren will, und sonst nichts, ist überflüssig.

  • O
    Observator

    Wie vom Kommentator richtig erkannt, hat Die Linke die als einzige Partei die richtigen Themen. Leider ist die Mehrzahl der Deutschen politisch ziemlich unbedarft. Hinzu kommt, dass es der Mittelschicht noch zu gut geht trotz aller Grausamkeiten der schwarz/gelben Koaltion. Aber Schuld sind auch die Medien. Die Linke wird von ihnen einfach ignoriert oder es wird nur negativ berichtet. Der Autor sollte hierzu eine interessante Analyse von Albrecht Müller http://www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=13195 zur Kenntnis nehmen.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Tief im Herzen spricht Die Linke nicht die gleiche Sprache. Das ist ihr Hauptproblem. Die in der ersten Reihe müssen die hinter ihnen stehenden Bonzen immer genau im Auge behalten. Das kostet zu viel Energie. Warum soll sich Oskar Lafontaine für mittelmäßige Charaktere wie Lederer und Bartsch nochmals aufopfern? Na ja, und die Medien spielen mit ihren Kameras , wie Dompteure mit ihren Peitschen. Ich als braver Gebührenzahler muss für Halblügen und mediale Unterschlagungen bezahlen.

  • A
    Andreas

    Wie oft denn noch: Die Linke hat bis heute nicht kapiert, dass viele im Westen aber auch im Osten zwar linke Politik wollen aber keinen DDR Sozialismus. Bis heute fehlt die eindeutige Distanzierung.

    Es fehlt die Ehrlichkeit.

     

    Wieso wohl diskutiert man über einen West-Linken wie Lafontaine, statt endlich klare Aussagen zur Vergangenheit zu machen?

    Wieso gibt es eine "Kommunistische Plattform" mit Sara Wagenknecht, die ja hochintelligent eigentlich das Richtige sagt?

    Kommunismus riecht nach Honecker, Lafontaine nach sozialer Gerechtigkeit. Was schnüffelt ein links denkender im Jahr 2012 wohl lieber?

     

    Die Piraten werden ja durchaus auch gewählt weil man von ihnen linke Positionen erhofft, nur eben ohne die dogmatische Starrsinnigkeit.

    Es wird Zeit offen zu reden und zu entrümpeln, dann hat die Linke auch wieder eine Chance, dann kann sie auch nicht mehr so arrogant ignoriert werden von den ehemaligen Sozialdemokraten und den ehemalig linken Grünen.

     

    Ich hoffe sie packen den Wandel noch. Es wäre schade wenn die einzige wirklich linke Partei an ihrem Ost-Sumpf eingehen würde.

  • T
    Tinnef

    Man traut H.Kraft was zu-, besonders weil sie glaubwürdig ankommt.. Daher glauben die Wähler, man brauche die Linke weniger-, wenn das mal kein Trugschluss ist.

  • K
    Kaboom

    Eine einfache Google-Recherche eröffnet einen relevanten Grund für das Abschneiden der Linken: Die Medien. Man google nach "Schwabedissen", und man google nach "Lindner". In den Medien kam die Linke praktisch nicht vor, wohingegen jeder Furz, den FDP-Politiker taten, bejubelt wurde. Das ging so weit, dass versucht wurde, Lindner, der bekanntlich jahrelang Generalsekretär der FDP war, als "frisches Gesicht" zu verkaufen. Schwabedissen hingegen kam in den Medien praktisch nicht vor. Der Wiederaufstieg der FDP ist ein "Erfolg" der Medien, und sonst gar nichts. Und zum Abschneiden der Linken haben die Medien einen relevanten Teil beigetragen.