Kolumne Die Kriegsreporterin: Hexenverbrennung in der Mittagspause
Die „Zeit“ rettet mit Wolf Schneider den guten Stil, sprachlich natürlich. Frauen sind wohl nicht gemeint, aber die spielen in den Medien sowieso keine große Rolle.
Hallo, taz-Medienredaktion! Zum Skandal rund um den Henri-Nannen-Preis ist alles gesagt. Sogar von allen. Wobei man schon noch über dieses Mary-Poppins-Ballett ein paar Worte verlieren könnte, das als Chippendales der Wortakrobatik auf der Bühne hopste, hätten die grässlichen Knaben nicht dafür gesorgt, dass ausgerechnet diese einem im Halse stecken bleiben.
Aber zum Glück sind sie an anderer Stelle noch da. Zum Thema von Wolf Schneiders Sprachbeilage für die Zeit etwa, dank deren Deutschland nun ein anderes ist und ich – bei einer Investition von 4,20 Euro Zeitungspreis – 2.352 Euro (Mehrwertsteuer inklusive) gespart habe. Drohten immer mehr Bürger der gehobeneren Schicht den Abhang des guten Ausdrucks hinabzugleiten, konnten sie durch die „Deutsche Stil-Kunde in 20 Lektionen“, die der Zeit von vergangener Woche beiliegt, wieder Fuß fassen.
Auch an der lieben taz ging dieses Ereignis nicht vorüber, und Leo Fischer beobachtete, dass der große Meister der So-oder-gar-nicht-Sprachschule, auch im Alter von 87 Jahren noch „lässig ein paar Silben mümmelt“. Ich nehme an, dass es sich hierbei um Silber-Silben handelt – Sie erinnern sich: „Reden ist Silber“ – und diese verdient sein wollen. Denn schon am Ende von „Lektion 1“ wird der Deal ersichtlich, der hinter der vermeintlichen Absicht steht, Zeit-Leser endlich besser sprechen zu lassen – Wolf Schneider möchte Geld verdienen. Deshalb bewirbt er dort sein Seminar „Was tun, wenn man gelesen werden möchte?“ Die Zeit also bekommt eine tolle Beilage – der Schneider-Wolf eine Bombenwerbung.
Doch das ist der Verwunderung nicht genug. Der Verwunderung Teil II speist sich aus dem Preis für die zwei Tage: 1.980 Euro plus 19 Prozent Mehrwertsteuer. Pro Person. Zur Einordnung: Journalistenschulen zahlen ihren Dozenten zwischen 330 und 650 Euro für einen Tag Gruppenunterhaltung. Die Wirtschaft zwischen 1.200 und 2.200 Euro. Dafür allerdings ist er eben auch Wolf Schneider und bietet 26 Buchstaben und diverse Satzzeichen in verschiedensten Kombinationen, die, anders als in billigen Seminaren, von den Teilnehmern nicht mitgebracht werden müssen. Das Seminar richtet sich an „alle, die beruflich Texte verfassen, verantworten oder redigieren“. Journalisten jedenfalls werden bei dem Preis nicht gemeint sein.
Und Frauen sind nicht gemeint, wenn die Handelskammer Hamburg zusammen mit dem Hans-Bredow-Institut zu einem Symposium zum Thema „Medien, Macht, Meinung“ lädt. 21 Personen finden Gelegenheit, sich vor Publikum dazu zu äußern, wer in den Medien Macht hat und wessen Meinung zählt. Darunter wie viele Frauen? Fünf? Zwei? Null?
Entscheiden Sie sich für die Null und Sie liegen richtig! So wie auch die Zahl der Frauen, unter den Nannen-Preisträgern bei null liegt. Wie bei der Chefpostenvergabe in den Medien, so sind auch hier am Ende die Herren einfach qualifizierter. Ehrlich gesagt, ich bin überrascht, dass jemand wie das renommierte Hans-Bredow-Medienforschungsinstitut sich das traut. Bei etwas wie der „Handwerkskammer“ wundert das schon weniger, die verbrennen ja angeblich auch noch während der Mittagspause Hexen.
Aber die Welt ist nicht nur schlecht! Es gibt auch Menschen, die Gutes tun. Die von der Süddeutschen Zeitung zum Beispiel. Entscheidet man sich spontan am Bahnhof Dammtor für ein Probeabo, bekommt man eine Capri-Sonne. Und kann sich auch noch die Sorte aussuchen: Orange oder Kirsch. Ich wette, das gibt’s bei Wolf Schneider und seinen Wucherseminaren nicht. Deshalb: voll schlimm-deutsch zurück nach Berlin!
Leser*innenkommentare
LEONE
Gast
Volle Zustimmung zu @sonjasonne!
Ich würde am liebsten meine Gebühren zurückfordern für alle diese Sendungen mit 99% alten hässlichen Kerlen.
In diesem Zusammenhang:
Wieviel kostet uns ZahlerInnen eigentlich 1x Maischberger et al.?
Sonja Sonne
Gast
Tja, Frau Burmester, die selbsternannten Herren geniale Medienmacker führen immer noch lieber allein das "große Wort".
Frauen stören da nur. Eine Frau hat Mann schließlich schon zu Hause als angepasste Rundumversorgerin des Herrn Chefredakteurs.
Insofern ist es nur konsequent, dass diese Hans-Bredow-Stiftung - oder wie die heisst - nur Männer einlädt, wenn über Macht in den Medien diskutiert wird. Frauen haben da ja eh nix zu melden.
Immer wieder faszinierend sind auch diese pseudo - intellektuellen alte-Männer-Sendungen im TV wie das philosophische Quartett oder so ähnlich, wo Philosophen und Schriftsteller, die zum Teil wegen ihrer schlechten Artikulation (liegt es an den schlecht sitzenden Dritten?) kaum zu verstehen sind, sich erschreckenderweise über das Weltgeschehen ausseiern dürfen. - Natürlich ohne störende Frauen mit eigener Meinung und Weltsicht.
Sowieso:
Was einem als Frau im Fernsehen regelmäßig für häßliche alte Typen (bisweilen auch junge, siehe ZDF log.in) vorgesetzt werden, die intellektuell auch noch meist eher Dürftiges von sich geben, ist schon eine permanente patriarchiale Frechheit!
Auch diese ZDF Nachtstudio - Sendung lädt konsequent entweder keine Frau oder mal eine Alibi-Frau ein. Denn was haben die sehr zahlreichen vorhandnen, sehr gut ausgebildeten Frauen schon zu sagen zu den Themen unserer Zeit???
Nur lasst dann bitte auch das ganze Gleichberechtigungsgerede weg, meine Herren! Das sieht nämlich eine Blinde mit Krückstock, dass dies komplett verlogen ist.
(Da ich die o.g. Sendungen meist sofort abschalte, wegen inhaltlicher Uninteressantheit und ätzender Unattraktivität der männlichen Protagonisten, kann es sein, dass die von mir angegebenen Sendetitel öfter nicht ganz stimmen).