Heimatgefühle: Der große Bierschwindel

Mecklenburger Landbier heißt zwar so, wird aber längst nicht mehr dort gebraut. Verbraucher müssen genau hinschauen.

Prost: Ob diese Herren wissen, woher ihr Bier wirklich kommt? Bild: dapd

HAMBURG taz | Am exorbitanten Geschmack kann es nicht liegen, dass in Schwerin gerne das Mecklenburger Landbier getrunken wird. Die Tester des Portals Bierverkostung.de bescheinigen dem Exportbier einen „etwas dumpfen, jedoch noch erträglichen malzbetonten Antrunk“. Jetzt hat sich herausgestellt, dass das Bier wie drei weitere Regionalmarken gar nicht mehr in Schwerin gebraut wird. Die Schlossbrauerei gibt es zwar noch als Firma, gebraut wird jedoch seit dem vergangenen Jahr in Braunschweig.

65 Prozent aller Bundesbürger wollen gerne regionale Lebensmittel kaufen. Das hat eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums ergeben. Doch wie beim Schweriner Pilsner oder beim Mecklenburger Landbier führen viele Etiketten in die Irre. Das Gemüse der Erzeugerorganisation Mecklenburger Ernte mit Sitz in Wittenburg kommt nur zum Teil aus Mecklenburg; der Sylter Matjestopf der Firma Nadler wird in Bottrop produziert; und die Rügener Fischsoljanka stammt aus Dänemark, hergestellt mit Fisch aus dem Pazifik, wie die Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern recherchiert hat.

Die Verbraucherschützer sind bei ihren Recherchen noch auf viel mehr Erzeugnisse gestoßen, deren Namen zumindest verwirrend sind. „Wir finden das problematisch“, sagt Antje Degner von der Verbraucherzentrale. Die Firmen bedienten mit ihren Marketingstrategien das Bedürfnis der Verbraucher nach Vertrautheit und kurzen Transportwegen. Dabei könnten die Käufer häufig nicht erkennen, woher die Lebensmittel stammen. So sei es auch beim Mecklenburger Landbier – angeblich einem „Qualitätsprodukt der Region“. Die Schweriner wüssten vielleicht, dass das Bier nicht mehr bei ihnen gebraut wird, sagt Degner. „Aber die Touristen müssen denken, das kommt tatsächlich aus Schwerin.“

Bei vielen Marken sage der Name nichts über deren Herkunft aus, kontert Dirk Kollmar von der Oettinger-Brauerei, der die Schlossbrauerei gehört. Wegen der geringen Menge habe sich das Brauen in Schwerin nicht mehr gelohnt. Aber auch in Braunschweig würden die Mecklenburger Biere „ganz klar nach der regionalen Rezeptur hergestellt“. Es sei die Oettinger-Firmenphilosophie, viele verschiedene Sorten herzustellen. „Warum sollte man der Stadt Schwerin ihre Biermarke nehmen?“, fragt Kollmar.

Mögliche Missverständnisse über den Herstellungsort ergäben sich daraus, das nach Schließung der Produktion in Schwerin die alten Etiketten aufgebraucht würden, was zulässig sei. Auf den Neuen wird fett gedruckt „gebraut und abgefüllt in Braunschweig“ zu lesen sein.

Auch die Erzeugergemeinschaft Mecklenburger Ernte macht keinen Hehl daraus, dass sie Mitglieder in Sachsen-Anhalt und Hessen hat und Obst und Gemüse auch aus Polen und Spanien vertreibt. „Das ist eine Marke, kein Herkunftszeichen“, sagt der Geschäftsführer Klaus Wilke. Das sei weit weg von einer Irreführung der Verbraucher. Würden Produkte mit dem Hinweis „aus der Region“ beworben, sei das mit dem Handel abgesprochen.

Wer sicher gehen will, dass ein Produkt tatsächlich regionalen Ursprungs ist, sollte sich an die Siegel der EU halten. Das blaue Siegel „geschützte geografische Angabe“ schützt Produkte, die in einem bestimmten Gebiet entweder erzeugt, verarbeitet oder hergestellt wurden. Das rote Siegel „geschützte Ursprungsbezeichnung“ dürfen Erzeugnisse nur tragen, wenn alle Produktionsschritte im Herkunftsgebiet vollzogen wurden. Letzteres gilt für die Lüneburger Heidschnucke und Bad Pyrmonter Mineralwasser, ersteres für Lübecker Marzipan und Holsteiner Katenschinken.

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