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Kunstprojekt an der FriedrichsstraßeKein Frieden an der Mauer

Wütende Anwohner beschweren sich über die "Peace Wall" in der Friedrichstraße. Sie klagen über Verkehrsprobleme und Umsatzeinbußen. Muss die Mauer weichen?

Umstrittene Kunst: "Peace Wall" in der Friedrichstraße. Bild: dapd

Seit einem Monat ragt die schwarze Mauer des Berlinale-Kunstprojekts „Peace Wall“ in der Friedrichstraße in den Himmel und versperrt die Durchfahrt Richtung Mehringplatz. Auf der Mauer prangen farbige Sprüche, Parolen und Graffiti. Die Mauer sorgt für Ruhe – zumindest auf der Straße. Derzeit gibt es kaum noch Verkehr in diesem Abschnitt der Friedrichstraße. Immer mehr Anwohner jedoch beschweren sich lautstark über das Projekt.

„Ich bin schon ein paar Mal zur spät zur Arbeit gekommen, weil man hier nirgendwo mehr durchkommt“, sagt etwa Berufsfeuerwehrmann Ali Khattab. Die Idee der „Peace Wall“ findet er zwar gut: die Grenze zwischen Arm und Reich, unterer und oberer Friedrichstraße zu verdeutlichen – und dass man seinem Ärger über die Verhältnisse im Viertel an der Mauer Luft machen darf. Nur: „Über die Probleme möchte ich nicht mit einer Mauer sprechen, sondern mit den direkten Verantwortlichen.“

Künstlerlin Nada Prlja sitzt vor der Mauer an einem kleinen runden Tisch. Sie ist nach Berlin gekommen, um sich den Diskussionen zu stellen. Khattab ist nicht der Einzige, der das Kunstwerk kritisiert. Der New Yorker Well Exposito, dessen Frieseurladen vom Schatten der Mauer verdunkelt wird, kennt die scherzhaften Pläne mancher Nachbarn, die Mauer „abzufackeln“.

Druck gibt es vor allem von Besitzern umliegender Läden. „In einem Treffen warfen sie mir vor, für einen Einnahmenrückgang von 40 Prozent verantwortlich zu sein“, sagt die Künstlerin. „Sie wollten mich nicht aus dem Konferenzzimmer lassen, wenn ich ihnen nicht sofort verspreche, die Mauer heute noch abzubauen.“ Für Prlja spiegelt sich in den Konflikten auch eine Seite des gesellschaftlichen Konflikts im Kiez wider: „Ökonomie steht über Kultur.“ Sie ist enttäuscht, dass die Anwohner die Mauer nicht für politische Äußerungen nutzen, sondern eher für Scherze und flapsige Sprüche.

Prlja ist nicht allein für die Aufstellung der Mauer verantwortlich: Das Kuratorium der Berlin Biennale, der Bürgermeister und die Polizei haben zugestimmt und müssen laut der Künstlerin auch zusammen entscheiden, wann sie abgebaut wird. Einen Termin nennt sie noch nicht.

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7 Kommentare

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  • A
    Anwohnerin

    Es ist die Aufgabe der Kunst, Strömungen in der Gesellschaft aufzunehmen und mit ihren Mitteln aufzuzeigen.

     

    Ganz besonders ist das der Fall bei politischer Kunst, und im besten Fall ist sie gelungen, wenn sie zu heftigen Diskussionen führt. Diskussionen wohlgemerkt, und nicht zu „fast tätlichen Angriffen auf die Künstlerin“ (Pressestelle der Biennale) oder auf das Kunstwerk.

     

    In Berlin wurden wiederholt mit dem Faktor Kunst ganze Stadtteile aufgewertet - das wird von Gewerbetreibenden und Politikern gern angenommen. Spielt die Kunst jedoch nicht mit, sondern sperrt sich gegen die kommerzielle Vereinnahmung, wird sie schnell fallengelassen.

     

    Vergessen wir nicht, dass der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, selbst ein Vertreter der Politkunst ist, und mit seinen bissigen, systemkritischen Plakaten oft zu Kontroversen geführt hat.

     

    Meist aber verliert sich im zunehmenden Alter die Angriffslust auf die herrschenden Systeme, man ist satt und ein wenig müde vom Kampf.

    Deswegen sind immer die nachwachsenden Künstler gefragt, die Tradition fortzuführen, und der Künstlerin Nada Prlja gelingt mit einer einzigen Wand, die gefährliche, ganz nah unter der Oberfläche liegende Mauer in den Köpfen der Menschen aufzuzeigen.

     

    Es werden Begriffe wie „Getto“ in die Runde geworfen, eindeutig ein polemischer, demagogischer Begriff, der sehr gerne von den Medien verbreitet wird, und gegen den sich Anwohner zu Recht wehren. Nicht die Künstlerin aber, sondern Gegenkräfte entwarfen dieses Bild einer Gettoisierung.

     

    Warum konfrontiert man die Künstlerin mit aufgebrachten Geschäftsleuten und zwingt ihr ein Zugeständnis auf den Abbau der Installation ab? Wenn der Hauptpunkt jetzt die fehlende Information der Anwohner ist, sollten die politisch Verantwortlichen und Organisatoren auf die Bühne treten.

     

    Der Inhaber des Motz-Ladens begrüßt die Installation vor seiner Tür. Nach seiner Aussage ist er von allen Medien und Parteien zum Thema befragt worden, wurde aber leider in keinem Presseartikel erwähnt. Hier kamen nur die gegnerischen Stimmen zu Wort.

     

    Für die leidenden Gewerbetreibenden vielleicht hilfreich: Der Umsatzeinbruch wegen der Straßensperrung kann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die Einbuße anhand von Vorjahres-

    zahlen nachgewiesen werden kann.

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Da soll sich der Feuerwehrmann einfach aufs Fahrrad schwingen und zur Wache radeln.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde Autofahrern gegenüber nichts als Verachtung.

  • MH
    Michi Hartmann

    ...Ökonomie über Kulter ... man kann doch nicht von Ladenbesitzern verlangen, dass die für die Kunst unfreiwillig und ungefragt fette Einbußen in Kauf nehmen, geht`s noch??? Oft ist das grade für kleinere Geschäfte alles hart genug. Dann kriegen die eine Mauer vor die Bude gestellt und sollen das auch noch toll finden? Ich finde das ganz schön arrogant und ich würde mir mit meiner Kunst nicht anmaßen, das Leben anderer Menschen zu verschlechtern und Leute zu nerven, die gar nicht die Adressaten sind. Vor dem Reichstagseingang stünde das Ding besser.

    Obwohl die Absurdität schon wieder schön ist, daß Feuerwehrleute zu spät zu ihrer (wichtigen!!!) Arbeit kommen und Umsatzeinbußen die kleinsten unter den Geschäftsleuten am härtesten treffen. Dann können sie alle die ihnen viel enger als den Reichen und Mächtigen gesetzten Grenzen noch besser spüren ... Thema verfehlt, setzen, Sechs.

  • MH
    Mateusz Hartwich

    Sollte die Künstlerin diesen wirklich gesagt haben, muss das rechtliche Konsequenzen haben: „Sie wollten mich nicht aus dem Konferenzzimmer lassen, wenn ich ihnen nicht sofort verspreche, die Mauer heute noch abzubauen.“

    Entweder wird die Biennale eine Anklage wegen Freiheitsberaubung erheben, oder die Veranstalter juristisch wegen Verleumdung vorgehen müssen.

  • AM
    arur mukha

    typische pseudokunst von auswärtigen hipsterspacken die den berlinern die welt erklären wollen. peinlich und substanzlos, wie berlin eben ist ... wowi go home!

  • TL
    Tim Leuther

    "Ökonomie steht über der Kultur"

     

    -so kann man es als Künstler auch Formuliern wenn alle von seinem Kunstwerk genervt sind, weil er es auf die Straße stellte.

  • B
    Betroffene

    Die Mauer setzt nicht wirklich ein Zeichen, denn sie darf nur dort stehen, wo sowieso die "Armen" leben/arbeiten, da ein Aufbau im "reichen" Teil der Straße nicht erlaubt wurde = Ungerechtigkeit!

    Und es ist wirklich nervig, wenn man dort jeden Morgen langfahren muss, es aber nicht kann. Die Mauer hätte doch irgendwo aufgebaut werden können, wo sie zumindest nicht den Verkehr stört, oder keine Straße durchzieht, die nunmal eine wichtige Verbindung ist.