Vorrundenspiel Ukraine-Schweden: Die Hoffnung ist 36
Das ukrainische Spiel weist viele Baustellen auf. Ein Patzer gegen Schweden wäre fatal. Die Ukrainer machen sich aber stattdessen über Verletzungen Gedanken.
CHARKOW taz | Achselzucken. Eine kurze, gebellte Antwort. Wenn Oleg Blochin gefragt wird, wie er die Schweden am Montagabend besiegen will, dann kommt nicht viel. Über die Magenprobleme von zehn Spielern, gestern hat der ukrainische Trainer sogar von elf gesprochen, wird jetzt nicht mehr geredet. Dafür über die Verletzungssorgen, die das Team ohnehin plagen.
Zwei der besten Torhüter fallen verletzt aus. Der dritte der besten drei Keeper des Landes, Olexandr Rybka von Schachtar Donetzk, darf nicht mitmachen, weil er eine zweijährige Dopingsperre absitzen muss, und so glaubt beinahe jeder im Lande, die Ukraine werde ganz ohne Torhüter auflaufen.
Armes Land. Andrij Pyatow, der Torhüter, der sich dann doch noch gefunden hat, wird schon mitleidig beäugt, lange bevor Schwedens Starstürmer Zlatan Ibrahimovic den ersten Ball in Richtung ukrainisches Tor geschossen hat. Kann das gut gehen?
Der verlängerte Arm des Trainers
Niemand in der Ukraine glaubt, dass die sagenhaften 12 Millionen Euro an Prämien, die Verbandspräsident Hrihorij Surkis für den Titelgewinn ausgelobt hat, wirklich an die Spieler ausgezahlt werden. Es wird zwar immer wieder derselbe Spieler vorgeschickt, dessen Aufgabe es ist, den unverbesserlichen Optimisten zu geben, aber dem glaubt kein Mensch in der Ukraine. Bayern Münchens Ergänzungsausputzer Anatolij Tymoschtschuk, Rekordnationalspieler und Kapitän des Teams, wird nicht müde zu sagen, dass er an den Titel glaubt.
Der 33-Jährige ist zweifellos einer der Schlüsselspieler. Er gilt als der verlängerte Arm des Trainers auf dem Platz. Seine langen Pässe aus dem defensiven Mittelfeld heraus sind stilbildend für das 4-4-2-System, das Blochin bevorzugt. Und Tymoschtschuk ist eine absolute Rarität in Blochins Team – er ist eine Konstante. Wer die Innenverteidigung bilden wird, ist ebenso unklar wie die Besetzung des Stürmerpostens.
Ganz vorne könnte, zumindest für ein paar Minuten, wieder jener Mann eingesetzt werden, der für viele schon längst zu einer Art Team-Maskottchen verkommen ist. Andrij Schewtschenko, der 36-jährige Altmeister mit glänzender Vergangenheit beim AC Mailand, aber eben beinahe fast ohne jede Gegenwart, hat sich zum Schrecken der Fußballerneuerer in der Ukraine fit gemeldet und möchte unbedingt gegen Schweden spielen.
Dass er noch einmal große Auftritte hinlegen wird, glaubt er wohl selbst kaum: „Mir ist es letztlich egal, wie viele Minuten ich spielen werde“, hat er gesagt und, natürlich, dass er sein Bestes geben wird.
Ein neuer Ausnahmekönner
Sollte er wirklich den jungen Spielern, den endlich aus den seit Jahren mit Oligarchenmillionen gepäppelten Fußballakademien der Großklubs hervorgegangenen Jungukrainern die Show stehen?
Das Land wartet auf einen neuen Ausnahmekönner. Yevhen Konoplyanka soll diese Erwartungen erfüllen. Der schnelle Mittelfeldspieler aus Dnjepropetrowsk soll über außen für Gefahr sorgen. Das Erzielen von Toren ist aber auch nicht die Stärke des 22-Jährigen. Für diese Rolle war einmal Artem Milewski vorgesehen. Der 27-Jährige kann viel, zeigt aber immer nur ein bisschen davon und hat das Vertrauen seines Trainers längst verloren.
Auch die Sturmpaarung Andrij Woronin/Marko Devic hat Blochin für unfähig erklärt. Soll es wirklich der alte Schewtschenko richten in jenem Spiel gegen Schweden, das Blochin gleich zum ersten Finale des Turniers ernannt hat? Wer in einer Gruppe mit Frankreich und England das Auftaktspiel verliert, sei schon raus, meinte der Trainer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!