piwik no script img

BILDUNGKochen für die Tonne

Eltern protestieren: Die Zuschüsse für das Schulessen ihrer Kinder seien zu gering, dafür gebe es kein vernünftiges Essen. Die Schulverwaltung gibt den Bezirken die Schuld.

Gutes Schulessen geht wohl nur mit Zauberei. Bild: DPA

Die siebenjährige Juliana träumt von einen Tisch mit viel Gemüse drauf, „wo man hingehen kann und nehmen, was man will“. Stattdessen löffelt die Erstklässlerin im fast leeren Speiseraum der Kreuzberger Nürtingen-Grundschule Spargelcremesuppe. Sie ist spät dran, weil sie sich nach der Entspannungsübung im Musikraum noch etwas ausgeruht hat. Nun will sie, bevor es in den Schulhort geht, etwas essen. Juliana schmeckt die Suppe, der 8-jährige Mehmet neben ihr macht sich lieber über den dünnen Schokopudding mit Vanillesoße her.

Mehmet isst jeden Tag hier, doch auf die Frage, ob es ihm schmecke, sagt er: „Nö. Manchmal.“ Und die Vitaminbar, von der Juliana träumt, wird wohl auch nach den Sommerferien ein frommer Wunsch bleiben: Der auf Biokomponenten bedachte Caterer Luna, der die Grundschule seit vier Jahren mit Essen beliefert, hat den Vertrag zum kommenden Schuljahr gekündigt. Der Grund: Die Bezahlung decke die Kosten für Zutaten, Personal und Lieferung nicht. Nun hat der Bezirk, der für die Auftragsvergabe an die Caterer verantwortlich ist, „einen Großcaterer beauftragt, der beim Eltern- und Kinder-Probeessen vor einem Jahr knallhart durchgefallen ist“, ärgert sich die Elternvertreterin Eliana Moreira.

Mit einem offenen Brief an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) setzen sich nun die Eltern der Nürtingen-Grundschüler und drei weiterer Kreuzberger Grundschulen mit demselben Problem gegen die knappe Bezuschussung und die Bevormundung bei der Caterer-Auswahl zur Wehr. Über 1.800 Unterschriften konnten sie für das Protestschreiben sammeln: Fast alle Eltern der insgesamt knapp 1.900 SchülerInnen haben es unterzeichnet.

Schulessen

23 Euro - mehr sollen Berlins Eltern für das Schulessen ihrer Kinder nicht bezahlen müssen. So hat es die rot-rote Koalition 2007 beschlossen, so wird es seit dem Schuljahr 2008/09 umgesetzt. Mehr oder weniger - denn der Beschluss gilt nur für die etwa 55 Prozent aller GrundschülerInnen, die in Ganztagsschulen gehen oder in Hortbetreuung sind. Nur für sie gibt es auch die Subventionierung vom Senat, der die 23 Euro der Eltern pro Kind um 17 Euro aufstockt. 2011 waren das laut Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) insgesamt 25 Millionen Euro.

Das Geld weist der Senat den einzelnen Bezirken zu, die dann ihren Möglichkeiten entsprechend noch weiter aufstocken können. Friedrichshain-Kreuzberg tut dies derzeit mit 9 Cent pro Essen, ab 2013 sollen es 13 Cent sein. Doch der daraus resultierende Betrag von 2,10 Euro pro Essen reicht manchen Caterern nach eigenen Angaben nicht aus, um ihre Aufträge zu erfüllen. In Kreuzberg kündigte deshalb der Bio-Caterer Luna mehrere Verträge. Von anderen Bezirken wird auf 2,30 Euro pro Essen aufgestockt. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung kostet ein gutes Schulessen mindestens 2,50 Euro.

Bei der Übergabe der Unterschriften am Montag vor der Senatsbildungsverwaltung ließ die Schulsenatorin sich von Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) vertreten. Der bedankte sich höflich, reichte aber den Schwarzen Peter in Sachen Schulessen-Finanzierung prompt an die Bezirke weiter: Der Senat plane, die bisher nicht zweckgebundenen Gelder, mit denen er die Bezirke unterstütze, künftig verbindlich für das Schulessen zu überweisen, kündigte Rackles an – „da man sonst nicht weiß, wo die Gelder hingehen“. Zudem werde das Land ab Herbst regelmäßige Kosten- und Qualitätskontrollen beim Schulessen durchführen.

Die kämpferischen Eltern sind nur bedingt zufrieden mit Rackles’ Ankündigungen. 2,10 Euro pro Essen bekommen die Caterer im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. „Dafür kann man kein vollwertiges Essen kochen“, sagt Elternvertreterin Moreira. Britta Brugger vom Förderverein der Nürtingen-Schule hat Angst, dass die Qualität des Essens durch den neuen Groß-Caterer weiter sinkt. „Wir erwarten keine Gourmet-Küche. Aber wenn das Essen erst eine halbe Stunde herangefahren werden muss, ist es einfach nicht mehr frisch“, so Brugger. Und wenn die Kinder das Essen zu pampige und fade fänden, ließen sie es stehen: „Es landet dann im Müll und damit auch das Geld, das wir dafür bezahlen“, klagt Eliana Moreira.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • D
    D.J.

    "Die siebenjährige Juliana träumt von einen Tisch mit viel Gemüse drauf"

     

    Na, gebt zu, das Mädchen ist doch bestimmt erfunden. Ich habe jedenfalls in dem Alter Gemüse gehasst und war nicht der einzige. Im Übrigen ist es, um einen Schultag durchzuhalten, am wichtigsten, mit ausreichend (nicht zuviel natürlich) Zucker, Fett und Kohlenhydraten versorgt zu werden - und nicht die ärmsten Heranwachsenden mit praktisch wertlosem ideologischem Krimskrams zu belästigen (wie angeblich so gesunde, aber schwachsinnige grüne Salatblätter).

  • U
    upupintothebluesky

    Von Hartz-IV-Empfängern lernen heisst siegen lernen!

     

    Die Ernährung eines 13-jährigen "Hartz-IV-Kindes" ist mit täglich 2,50 Euro sicherzustellen.

    Dieser Betrag muss ausreichen für den Lebensmitteleinsatz für Frühstück, Pausenbrot, Mittagessen, Abendbrot, Getränke sowie Koch- und Brathilfsstoffe.

    Für ein Mittagessen incl. Mittagsgetränk entfallen ca. 80 Cents.

    Selbstverständlich soll dieser 80-Cent Lebensmitteleinsatz mindestens 50 Prozent des notwendigen Ernährungsanteils beinhalten.

    So mögen denn die geschulten Kinderernährungsexperten die Erfahrungen der "Hartz-IV-Eltern" nutzen um mit diesem Betrag herrliche Schulessen zu realisieren.

     

    Guten Appetit!

  • A
    aurorua

    @ Michael Schmidt

     

    Wohl wahr!

     

    Diese logistischen Probleme sind sicherlich die Umschreibung für Bequemlichkeit, um nicht zu sagen Faulheit, denn schließlich ist das Beantragen von EU-Fördermitteln ja mit ein Wenig Mehrarbeit verbunden, besonders für Beamte ein exorbitantes Problem (reicht ja wenn der Job und die unverdienten Pensionen sicher sind).

  • U
    umkehren!

    2,10 Euro ist ja noch Luxus! Ich habe vor einigen Jahren am Beginn der Ganztagsschulkampagne "Essen" probeessen müssen, das für 1,90 abgegeben wurde. Ausnahmslos jedes Essen, welches ich damals dienstlich verkosten durfte, war allenfalls gut für die Mülltonne.

    Schuld sind Ausschreibungsverfahren, in deren Texten es vor Vollwert-Bio-Frischkost-Feigenblättchen wimmelt, deren letztliche Entscheidung aber nur am Endbetrag hängt. Die Entscheider haben oft nicht die leiseste Ahnung, was gesundes Essen überhaupt sei. Man muß sich ja nur anschauen, was viele von denen selber reinspachteln. Ich sah Vorgaben, in denen von "Nudeln mit roter Sauce" die Rede war, als sei die Farbe eine Zutat und in denen die Qualität eines Schnitzels an der Dicke der Panade beurteilt wurde. Ich habe Schulmensen gesehen, die täglich provisorisch im Eingangsbereich aufgebaut wurden und in denen die Kinder in der 30-Minuten Pause in drei Schichten gegessen haben. Drei Schichten! Zehn Minuten für Essensausgabe, Platz suchen, warme Mahlzeit essen und Platz räumen. Und diese Ställe gingen dann als Ruhmesblätter in die Ganztagssschulstatistiken ein.

    Man kann gar nicht so viel Essen, wie man kotzen müßte, wenn man sich anschaut, was in manchen Bezirken für ein Dreck als "Schulspeisung" durchgeht.

    Mein Sohn geht an eine Privbatschule. Aufgrund meiner Erfahrungen im Schuldienst. Keine Ahnung, wie ich das bezahle, aber zum Mittag sitzen die Kinder dort mit den Erziehern um einen großen Tisch, man nimt sich so viel Zeit, wie man braucht, es gibt Ruhe und gemeinsame Rituale, das Essen ist frisch und vollwertig (und etwas teurer, ja) und am Nachmittag wird mit den Kindern gemeinsam gebacken oder dergleichen. DAS ist Esskultur. Da werden Werte vermittelt. Das kostet Geld und das kostet Zeit und das ist sonst niemandem einen feuchten Kehrricht wert und das sagt eigentlich schon alles.

  • S
    Schneider

    Selbst eine eigene Schulküche, in der frisch gekocht werden würde, deckt nicht den Geschmack und die Vorlieben für ein bestimmtes Essen ab.

    Caterer kochen in den frühen Morgenstunden das Essen und wird vormittags ausgeliefert. Das wird warmgehalten und dann ausgegeben.

    Vielleicht sollten die Eltern das berücksichtigen.

    Man kann seinen Kindern vermitteln, daß ein Schulessen anders sein kann, als zu Hause.

     

    100 Kinder oder Erwachsene nach der Qualität des Essens gefragt, geben 100 verschiedene Antworten.

     

    Ob die protestierenden Eltern jeden Tag frisch zu Hause kochen oder vorgekochtes Essen mit der Mirkowelle aufwärmen?

     

    Nicht der teuerste Caterer Luna mit seinen BIO-Produkten ist der bessere...

    Es ist bekannt, da wo BIO drauf steht, ist nicht immer BIO drin.

  • ET
    Erika Takano-Forck

    Bitte korrigieren sie die 17€ Senatssubvention. Sie entstammen einer Höchstbelastung, die auf den Senat zukäme, wenn alle Schüler jeden Tag zur Schule gingen und nahezu alle Ferientage in den Hort gingen.

    Das kann man leicht nachrechnen: Hätten wir im Jahr 480€ auf 192 Schultage, käme man auf einen Satz von 2,50€. Kinder gehen aber im Durchschnitt 205 Tag in Schule+Ferienhort -Krankheitstage. Dann hätte man laut Ihrer Berechnung immer noch 2,34€ Senatszuweisung an die Bezirke.

    Die Senatssubventionen müssen Sie also deutlich nach unten korrigieren!

  • MS
    Michael Schmidt

    Tja, und gleichzeitig werden EU-Mittel für kostenloses Schulobst nicht abgerufen - nach meinem jetzigen Informationsstand auch von Berlin (und natürlich anderen Bundesländern) nicht:

     

    http://www.morgenpost.de/berlin/article1172839/Bundesrat-fuer-Schulobst-Berlin-macht-nicht-mit.html

     

    und

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Schulobstprogramm

     

    Logistische Probleme werden als Hinderungsgrund angführt - die dürften aber hauptsächlich in den Köpfen bestehen.