EM Vorrundenspiel Frankreich-Ukraine: Fußball ist Nebensache
Fast alles, was das Team anpackt, misslingt irgendwie – sogar eine private Geburtstagsfeier. Und jedes Problem bei den Franzosen wird zur Affäre gemacht.
DONEZK taz | Tür zu. Im französischen Nationalteam hatten sie keine Lust mehr auf die Presse. Das Team hat sich in seinem Quartier bei Donezk eingeigelt. Es ist ein wenig trainiert worden, ein Teil der Mannschaft hat Boule gespielt, ein anderer Tischtennis. Dann wurde noch der 32. Geburtstag von Florent Malouda gefeiert.
Ein Foto, das der Verband von der Party veröffentlichte, zeigt den Mittelfeldspieler mit einer rechteckigen Sahnetorte in der Hand. Darauf zwei falsch angeordnete Geburtstagskerzen in Ziffernform. Demnach wäre Malouda erst 23 geworden. Das passt zum Bild, das die Auswahl seit der WM 2010 abgibt. Beinahe alles, was das Team anpackt, misslingt irgendwie – sogar eine Geburtstagsfeier hinter verschlossenen Türen.
Nach dem Desaster von Südafrika, als das Team völlig zerstritten war und einige Spieler sogar in den Streik traten, schleppt es nun schon wieder zwei Affären mit sich herum – eine sportliche und eine mediale. Es geht um Karim Benzema, den Stürmer von Real Madrid, und um Samir Nasri, den Mittelfeldspieler von Manchester City, der das 1:1 gegen England erzielte. Dabei steht Benzema stellvertretend für die spielerische Krise, in der viele Frankreich nach dem müden Auftaktkick sehen.
Die beinahe unerträgliche Langsamkeit des Spiels, das Fernbleiben beinahe aller Spieler vom gegnerischen Strafraum werden dabei nicht ganz so hart kritisiert wie die trägen Bewegungen von Karim Benzema. „Das ist sein Spiel“, verteidigte ihn Trainer Laurent Blanc. „Auch bei Real Madrid spielt er oft so.“ So schlecht? Richtig glücklich ist niemand in Frankreich über diese Erklärung.
Samir Nasris Haltet-endlich-mal-die-Klappe-Geste nach seinem Treffer gegen England ist derweil Topthema in den französischen Medien. Laurent Blanc und Verbandspräsident Noël Le Graët tun zwar alles, um den Fall nicht noch größer werden zu lassen, als er ist. Die Equipe, die mit ihrer Berichterstattung Nasri zu der Schweigegeste provoziert hatte, ist indes hochzufrieden mit sich selbst. Sie fühlt sich, als hätte sie das Tor selbst geschossen.
Dieses sei nur möglich gewesen, weil Nasri zeigen wollte, dass er doch nicht der Versager ist, als der er dargestellt worden sei. „Vergessen“ will Le Graët die Affäre Nasri. Das wird nur klappen, wenn Frankreich gegen die Ukraine gewinnt. Ach ja, Fußball. Der ist in Frankreichs Team schon wieder zur Nebensache geworden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos