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Kolumne Ostwärts immerProseminar, nicht Gosse

Kolumne
von Markus Völker

Wer etwas über das Seelenleben der Nationalspieler wissen will, muss sich in einem Café auf die Lauer legen. Nur da hat man die Chance ein unfreiwilliger Zuhörer zu werden.

I st schon klar, Fußballer sollen Fußball spielen. Sie müssen keine Leuchten sein. Aber gerade die eher einfachen Denker sind oftmals die größten Unterhaltungs-talente. Lothar Matthäus hat der Nachwelt diesen wunderbaren Satz auf Englisch geschenkt: „I look not back, I look in front.“

Oder Lukas Podolski soll gesagt haben: „Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel.“ Es handelt sich um großartige Bonmots. Es sind Klickmonster im Internet. Sie künden von einer Weisheit, die uns Schlaumeiern in den Redaktionsstuben für immer verschlossen bleiben wird.

Von der aktuellen Elite des deutschen Fußballs kommt in dieser Hinsicht nicht gerade viel. Wenn Mats Hummels spricht oder Philipp Lahm, klingt das eher nach Proseminar als nach Gosse. Aber derzeit kursiert in der Journalistenszene doch eine hübsche Anekdote, die hoffen lässt. Vielleicht steckt ja im aktuellen Nationalteam mehr Matthäus drin, als wir alle glauben.

Was ist passiert? Ein Grüppchen von Nationalspielern um Keeper Wiese und Ersatzspieler Gündogan verlässt den Schutz des Mannschaftsquartiers in Danzig-Oliwa, geht ins nahe Ostseebad Zoppot, setzt sich dort in ein Café und ahnt nicht, dass ein Journalist zum unfreiwilligen Zuhörer ihres Gesprächs wird.

taz
Markus Völker

ist taz-Sportredakteur und begleitet das deutsche Team journalistisch durch die EM.

„Polnische Lira?“

Man spricht über die englische Liga und darüber, dass man dort mit Schulenglisch nicht weit komme. „Escht?“, wundert sich ein Ausflügler. Als es ans Zahlen geht, diskutiert man die Währungsfrage. „Womit wird hier eigentlich bezahlt?“ Hm. „Gibt’s hier so was wie polnische Lira?“ Polnische Lira. Klingt erst mal verwegen, aber so weit hergeholt ist das gar nicht.

Denn vor gar nicht allzu langer Zeit hatte die türkische Währung ähnlich hohe Inflationsraten wie die polnische. Also warum nicht ein Währungspaar bilden, das schon immer eine heimliche Beziehung geführt hat? Das ist innovativ, das ist neu. Das ist spielerisch-kreativ.

Ach, man wünschte sich, immer so nah dran zu sein an unseren Nationalspielern, zu wissen, was sie wirklich denken und fühlen. Aber da sind nur diese Pressekonferenzen, auf denen die Spieler immer dasselbe sagen. Wo bleiben sie, die erfrischend ehrlichen Einlassungen, die Plauderei aus dem Nähkästchen und das ultimative Bekenntnis?

Es gibt sie nicht, denn ein Heer von Beratern und Pressemenschen passt auf, dass die Kicker nicht anecken. Und wenn sie mal anecken, steckt Kalkül dahinter. Um zu den Geheimnissen unserer Nationalspieler vorzustoßen, werde ich mich in ein Zoppoter Café begeben und warten. Irgendwann werden unsere Währungsexperten auftauchen.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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