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DeutschlandfahnenDie große Patriotismusdebatte

Das deutsche Team ist raus. Aber es wird wiederkommen. Was auch wiederkommen wird: die Deutschland-Fahnen. Aber darf man das, für Deutschland sein?

Im Laufe der EM hat die taz die große Patriotismusdebatte geführt – kontrovers, in Farbe und unter Beteiligung der taz-Kommune. Hier einige Beiträge zur Debatte:

Bild: Petra Stoppel

Der Leipziger Ost-West-Konflikt: Mit dem Rad war Petra Stoppel unterwegs. Sie war zu Besuch und ließ sich von ihrer Leipziger Freundin die Stadt zeigen. Die Webdesignerin stammt aus München und lebt inzwischen in einem Dorf in Sachsen-Anhalt. Sie ist immer noch beeindruckt von den Unterschieden zwischen Ost und West. „Es stehen so viele Häuser leer“, wunderte sich Stoppel und machte ein Foto von der bürgerlichen Straße.

Bild: Patricia Hecht

Das Neuköllner Balkonduell: Seit Jahren schmücken Hannelore und Detlef Süß (Balkon rechts) zu großen Turnieren ihren Balkon. Auch der Sohn aus dem Nachbarhaus macht mit. Seit Kurzem erst leben Patrice und ihr Freund (Balkon Mitte) zwischen den beiden Wohnungen der Familie Süß. Die Nachbarn kennen sich nur vom Sehen.

Vor der EM traf der 29-jährige Süß (Balkon links) seine neue Nachbarin Patrice im Hausflur. „Wenn euch die Fahnen stören, gebt Bescheid“, sagte er. Patrice entgegnete: „Das ist schon in Ordnung. Vielleicht setzen wir was dagegen.“ Hannelore Süß' Reaktion: „Den in der Mitte müsste man in der Pfeife rauchen! Der ist doch kein richtiger Deutscher!“ Das mit dem Vorrundenaus hat zwar nicht geklappt, aber mit der Niederlage im Halbfinale dürfte Patrice auch zufrieden sein.

Bild: Thomas Dudzak

Die sächsische Mülleimerfrage: Gerade wollte Thomas Dudzak seine Kippe wegwerfen, als er die zerknüllte Fahne im Mülleimer erblickte. Der Mülleimer vor dem Rathaus im sächsischen Kitzscher schluckte die kaputte Autofahne. Der 27-Jährige findet es merkwürdig: „Die Menschen tragen so ein Nationalsymbol als etwas Ehrenhaftes und kaufen das billigste Zeug, was auf der Autobahn sofort abfliegt.“

Bild: Christoph Nestor

Der Dossenheimer Özil-Streit: Christoph Nestor hatte die Fahne schon zur WM 2010 für seinen Lieblingsspieler Mesut Özil gebastelt: „Ich war verknallt in seine Spielweise.“ Aber als er die mit Papier beklebte Fahne zum Turnierbeginn wieder vor dem Haus platzierte, flatterte ein Brief ins Haus: „Haben Sie keinen Nationalstolz ????????????“, fragt der anonyme Verfasser. „Das Aushängen Ihrer kombinierten Fahne beleidigt beide Länder. Ihre Flagge hat nichts mit Sport oder Integration zu tun.“

Außer dem Brief habe Nestor noch keine negativen Äußerungen zu seiner Fußballdeko gehört. Aber Dossenheim bei Heidelberg ist eine kleine Stadt mit 12.000 Einwohnern. „Ich denke, keiner sagt öffentlich etwas gegen meine Fahne.“ Leider hat ein starker Regen in der Nacht Mond, Stern und Nachnamen des Spielers runtergewaschen. „Immerhin steht da noch Mesut. Sonst könnte der Briefschreiber denken, ich wäre wegen seines Textes eingeknickt“, sagt der 59-Jährige. Nestors großer Wunsch ist, dass sein Lieblingsspieler die Fahne auch mal sieht: „Aber ich glaube, Özil liest während der EM wohl nicht die taz.“

Bild: Berthold Noeske

Die Freiburger Lösung: „Überall nur Deutschlandfahnen. In den Geschäften gibt es fast keine anderen Nationalflaggen zu kaufen“, sagt Berthold Noeske. Er wollte dagegen halten. Animiert durch die große Patriotismusdebatte der taz zog der 68-Jährige seine Anti-Atomkraft-Fahne ein und ersetzte sie durch das bunte Tischtuch. Mit Sicherkeitsnadeln und Klebeband befestigt soll die Multi-Fahne nun bis Sonntag hängen. „Ich mag das nicht, wenn alle ihr Land als das Größte darstellen“, sagt der Freiburger. „Über schönen Fußball können sich alle Nationen freuen.“ Die Reaktion der Nachbarn: Nüscht. Die kennen aber auch schon lange Noeskes Gartenzwerg. Auch der ist multinational und hält fünf Flaggen in die Luft.

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31 Kommentare

 / 
  • I
    imation

    Ich frag mich immer wie es sich mit 'nem Stock im Arsch lebt?

  • D
    docnomatic

    @Patrizia Ot

    - zu Pispers

     

    Idiotes (altgriechisch: ἰδιώτης) war eine nicht wertende Bezeichnung für einen Privatmann und im militärischen Bereich für einfache Soldaten.

     

    - zu Schopenhauer, der auch anderes vergrätztes Zeug geschrieben hat wie z.B. über die Frauen:

     

    „Sie sind sexus sequior, das in jedem Betracht zurückstehende, zweite Geschlecht, dessen Schwäche man demnach schonen soll, aber welchem Ehrfurcht zu bezeugen über die Maßen lächerlich ist und uns in ihren eigenen Augen herabsetzt. […] Mit mehr Fug, als das schöne, könnte man das weibliche Geschlecht das unästhetische nennen. Weder für Musik, noch Poesie, noch bildende Künste haben sie wirklich und wahrhaftig Sinn und Empfänglichkeit; sondern bloße Aefferei, zum Behuf ihrer Gefallsucht, ist es, wenn sie solche affektiren und vorgeben.“

     

    – Essay „Über die Weiber“ (1851)

     

    Quelle: Wikipedia.

  • DP
    Daniel Preissler

    @Leila

    zu Stolz/stolz sein:

    Du bist eben genau nicht stolz auf das, was aus irgendeiner Sicht an Deutschland gut, sozial oder gar wohltätig ist. Dein Text zeigt sehr klar, dass du all das, was du aufzählst, gerne abschaffen würdest. Du bist nicht stolz darauf, dass es ein Asylrecht gibt und Deutschland andere europäische Länder in Teilen mitfinanziert, sondern möchtest den "Ausländern" weder Geld noch Respekt entgegenbringen! In Bezug auf dich haben die ganzen überdrehten Fahnenhasser und Patriotismus-Warner leider Recht. Zum Glück bist auch du nur kleinster Teil einer Minderheit.

     

     

    @Dirk

    Patriotismus bedeutet nicht, dass man sich anderen überlegen fühlt. Es ist lediglich ein positiver Bezug zur eigenen Herkunft. Ich gebe dir Recht, dass positiver Bezug zur eigenen Herkunft (z.T. aus Mangel an Kenntnissen, z.T. aus Ängsten heraus) häufig mit der Herabsetzung anderer (nennen wir es "negative Alteritätskonzeptionen" ;-) ) einhergeht. Es sind jedoch eben zwei gelegentlich gemeinsam auftretende Phänomene und nicht etwa ein unteilbares einzelnes Phänomen - Das glauben nur viele Deutsche seid der Idiot Bismarck die Trennung von Patriotismus und Liberalismus verbrochen hat!

    Aber das muss man ja nicht übernehmen.

     

    Freundliche Grüße,

    DP

  • D
    docnomatic

    @daswois:

    ?---------ist der Text mit Babelfisch übersetzt? Hab auf jedenfall nix verstanden.

    @ Molly Grue:

    Also mal abgesehen davon, dass die Frage keine Suggestivfrage ist ("Sie sind doch sicher für Deutschland , oder?"; wäre z.B. suggestiv)hilft es sicher Texte zu lesen, bevor man sie kommentieren will.

    Ich finde es viel schlimmer, wenn Leute sich zu allem und jedem äußern müssen, ohne auch nur fundamentale Dinge zu beachten (erst mal lesen, erst mal informieren , erst mal nachdenken), als den Umstand, dass man mittlerweile auch unverkrampft die Fahne des Hambacher Fests zeigt. Probleme hab ich mit solchen Idioten, die meinen sie müssten die Reichskriegsflagge bei Fußballspielen schwenken oder auch mit diesem "Sieg" Gebrüll das so sehr an die dunkelsten Zeiten unserer nahen Geschichte erinnert.

    Wo ist aber das Problem, wenn man als Fußballfan für seine Mannschaft Flagge zeigt?

    Findet man das bei den Bobfahrern aus Jamaica oder bei den Fußballern aus Brasilien oder Eddie the Eagle aus England etwa auch nationalistisch?

    Kommt doch bitte mal wieder runter und macht euch locker Leute!

    Jedem nach seiner Facon gilt m.E. gerade in einer demokratischen Gesellschaft.

  • N
    Nicht-Deutscher

    Ich glaube, die linken Patriotismusablehner sehen das ganze Thema zu verbissen und denken ihre Haltung nicht konsequent zu Ende, sonst müsste man jeglichen Wettkampf ablehnen, denn es geht ja immer darum, jemanden zu besiegen und den Besten zu küren.

    Es würde sich bei Nichtberücksichtigung der jeweiligen Nation um andere Abgrenzungen handeln, die sicher auch geeignet sein würden, Hass zwischen den neuen Gruppen zu säen; Die grenzen verliefen dann eben woanders...

     

    Ferner wäre es dann bereits anrüchig überhaupt jemanden besser zu finden, mehr zu mögen als irgendeinen Anderen auf diesem Planeten - Treue? Nicht mit dieser Haltung in Einklang u bringen...

  • U
    Ulli

    In Polen erhielt ich vor 3 Tagen beim Tanken eine Deutschlandfahne fürs Auto geschenkt. Aus Höflichkeit habe ich sie natürlich angenommen & jetzt liegt sie bei mir im Auto herum, denn ich kann mit dieser Fahne nun aber wirklich nichts anfangen, denn die Symbolik dieser Fahne war vielleicht vor 160 Jahren mal modern und zeitgemäss, aber doch ganz sicherlich nicht mehr heute. In Polen sieht man das offensichtlich nicht ganz so verbissen, was historisch nun wirklich nicht selbstverständlich ist, und das werte ich schon mal als sehr positiv an der ganzen Geschichte.

  • MG
    Molly Grue

    Wieso nennt Frau Bednarczyk, schwieriger Name, es eine PATRIOTISMUS-Debatte? Ich nenne das Nationalismus.

    Dann im Untertitel die Suggestivfrage: Darf man für Deutschland sein. Das hat mir genügt, um den Artikel nicht zu lesen.

  • F
    Flaggenschändung

    Die Fahne mit den türk. Symbolen fällt unter Flaggenschändung.

     

    Ist schon komisch. Özil ist ja angeblich Deutscher.

     

    Wieso die türk. Symbole? Bei Kaka gabs doch auch keine brasilianischen Symbole.

     

    Was solls, selbst wenn D islamisch wird, wird es ein bankrottes D. In NRW können die Kommunen kaum noch die Sozialhilfe, Wohngelder und Asylgelder bezahlen. Wird natürlich verschwiegen von der Qualitätspresse.

  • RH
    rosa holz

    mir ist fussball wurschd aber seit ich in der schweiz wohne habe habe ich mein verhältnis zur deutschen fahne revidiert.nur wir deutschen hängen unsere fahne mit ein wenig scham vors fenster. alle anderen, vor allem die schweizer, würden sich schämen, sich beim fahne hissen zu schämen.

  • D
    Daniel

    Aber wie kann man das, so grausam sein, "die große Patriotismusdebatte" auf ein paar Fähnchen zu verkürzen?

     

    Es geht doch um so vieles, um die endlosen läppschen, rassistischen, homophoben, klischeevergötternden allgegenwertigen Sprüche. Um das ganze Klima. Um all den Dreck, der "im Windschatten" der EM möglich ist.

     

    Da wär' doch so viel zu schreiben ... aber ... man mag wohl nicht.

  • D0
    defcon 0

    Ohne den Artikel ausführlich gelesen zu haben, möchte ich nur auf die eingehende Frage antworten:

     

    Natürlich darf man das, für Deutschland sein. Ich frage mich dabei nur, warum? Was hat man davon? Was bringt es mir ganz persönlich? Es ist Sport. Nicht mehr und nicht weniger. Dieser Nationalirrsinn, ob nun Deutschland oder Botswana, erschließt sich mir nicht. Wenn andere Glauben man müsse seine Nation feiern; bitte gerne. Aber jene die das tun, sind meist so intolerant, dass sie nicht verstehen können, wenn es einem einfach egal ist und man diesen sogenannten Nationalstolz nicht teilt.

  • D
    daswois

    der irrtum vieler ist ja das man die frage immerwieder zwischenzeitlich stellen tut, und dazu blicken mehr migranten quer durchs beet als deutsche selber, und da ist von bildintravenös bis linkester oder oder auch rechtesten alles dabei, und immer wieder können einige alles mit ihrem charackter vereinbaren viele andere enttäuschen aber unwissentlich und etwas fad wirds wenn man zurückblickend sagen muss, spätestens mit dem sich neu erfinden in dieser hinsicht als debatte über schland und so , da gabs wohl einen krampf drumm !? schön ist einzig der für sich einnehmungseffekt, aber das ist wie gesagt auch nichts woraus lebensqualität draus resultiert. letztenendes kann man vermuten ,k dass der ganze kram noch bertelsmannlenkung aufweist und vornehmlich den daxkonzernen am meisten hilft artikel und denke unters volk zu jubeln. fastforward.

  • J
    Jochen

    Schon gewußt? Gegen die heutige Bundesrepublik Deutschland zu sein, weil man glaubt damit gegen Nazis zu sein, ist eine Folge davon Nazipropaganda zu glauben.

     

    Die Nazis haben schließlich definiert "Deutsch=Nazi" und jeden der anderer Ansicht war umgebracht - wer nun heute immer noch glaubt "Deutsch=Nazi", der glaubt einfach dieser Propaganda.

     

    Dabei ist die Realität ja offenbar so, dass jeder der Gutes für Deutschland will die Nazis als Feind Nr 1 sehen muss - die haben schließlich Deutschland derartig zu Grunde gerichtet wie niemand je zuvor. Wie also immer noch jemand glauben kann, dass jemand der sagt er sei Deutscher damit automatisch sagt er ist ein Nazi, ist mir persönlich schleierhaft.

     

    Ja, es ist sogar so dass echte Nazis die Fahne der BRD ablehnen, weil sie ja die Republik ablehen und eine Staatsform auf Führerbasis wollen. Damit wird es also doppelt sinnlos gegen die BRD-Fahne zu sein - nicht nur steht die nicht *für* Nazis, sondern sie steht sogar *gegen* Nazis. Bei bekennenden Nazis werden Sie niemals Scwwarz-Rot-Gold finden.

     

    Auch mit der Nationalelf ist das so eine Sache - echte Nazis wollen ebenfalls dass diese verliert, weil dort aus deren Sicht ja Rassig minderwertige Spieler drin sind und die Elf eben für die aus Nazi-Sicht feindliche Republik spielt.

     

    Jemand der die BRD-Fahne ablehnt und will dass die Nationalelf verliert, ist also sogar näher an den Nazis dran als jeder mit Fahnen behängte "Schland"-Brüller es je sein wird. Aber dafür müßte man ja nachdenken und nicht einfach bequem auf Basis der antrainierten Reflexe reagieren.

  • P
    Peterchen

    Ach Gottchen, zu glauben die Welt zu retten indem man gegen den Sieg einer Sportmannschaft ist ... lächerlich oder traurig? Sie entscheiden.

  • MN
    Michael Neunmüller

    Solange die Konflikte im Haus auf solchem Asterix-und-Obelix-Niveau bleiben, haben Sie durchaus ihre amüsant sympathische Seite.

     

    Lieber als jede der beiden seiten ist mir da DIESE Art von "Konflikt".

     

    Obwohl: irgendjemand muss doch auch auf Seiten der Römer stehen? Mir taten sie immer leid, weil sie die ganze Zeit so lustig verkloppt wurden - deshalb: Zunächst bin ich für die Schwächeren und dann für einen AUSGEWOGENEN Konflikt mit lustig harmonischem Gegeneinander.

  • E
    Edgar

    "Die große Patriotismusdebatte" habt ihr beinahe exklusiv.

     

    Ich habe den Eindruck, dass die Fähnchenschwenkerei schon alleine deswegen nicht harmlos sein darf, weil dann etliche Aufgeregte dann ihre Aufgabe und Deutungshoheit verlieren würden.

     

    Ich persönlich finde die Schwarzgoldrot-Begeisterung alle 2 Jahre etwas dämlich & lästig, aber zumindest in meinem Umfeld habe ich nirgends gesteigerten Patriotismus oder gar unterschwellig aufbrodelnden Nationalismus damit verbinden können.

     

    Genauso wenig wie ich mit Aufklebern & Auto-Fähnchen von Fußballklubs fanatischen Regionalismus verbinde.

  • S
    Schweinepriester

    Die Frage ist völlig übeflüssig. Vor der EM wurde diese Frage schon bis zum Anschlag dikutiert.

  • M
    MaterialismusAlter

    "Darf man das, für Deutschland sein?" überschreibt Frau Bednarczyk diesen Artikel. Die Frage ist scheinheilig... Sie spielt mit dem alten Deutschen Opfermythos, nach dem alle anderen Nationen stolz sein "dürfen" außer eben "wir"... Diese Ansicht fügt sich nahtlos in die besonders widerwärtige Angewohnheit der Deutschen ein, sich als zu kurz gekommen, geprellt, um ihr Recht betrogen... kurz: als Opfer zu sehen. Deutscher Patriotismus hat etwas besonders unsympathisches, eben weil er sich dezidiert als Loslösung von der Vergangenheit begreift.

     

    Eine andere Baustelle ist natürlich, dass Patriotismus an sich bereits eine furchtbare Angewohnheit ist, egal für welche Nation er sich begeistert.

     

    Die Ideologie Patriotismus ist eine Abstraktion von der individuellen Identität der Menschen. Im komplexen Netz das die individuelle Identität für den/die Einzelnen bildet, wird die nationale Herkunft als zentraler Fixpunkt herausgehoben. Diese Hierarchisierung der identitätsbildenden Elemente wird "durch die Menschen, und doch hinter ihrem Rücken" vorgenommen und erscheint als natürlich, überhistorisch gültig und notwendig. Aus dieser ideologischen Abstraktion, einer Idee, entsteht dann ein realer, materieller Sachzwang: Die Konkurrenz der Nationen auf dem Weltmarkt. Weite Teile der Linken sehen vor lauter blödsinnigem Internationalismus-Kitsch diese traurige Realität nicht mehr

     

    Als Trockenübung hat es sich eingebürgert, spielerisch durchzuexerzieren, was dann auf dem Weltmarkt blutiger Ernst wird. Das Event ist hierbei völlig austauschbar (der "Lena Meyer-Landruth Effekt") aber Fußball bietet sich natürlich an. Wichtig ist aber vor allem, dass die Menschen lernen die nationalen Kategorien als unvermeidlich wahrzunehmen, sich jubelnd ihrem eigenen Zwangskollektiv, ihrer Interessensgemeinschaft auf dem Weltmarkt unterordnen und wissen, dass in einem Wettbewerb - und ein solcher ist der Markt nunmal genauso wie der Fußball - eben nicht alle gewinnen können.

  • T
    tommy

    "„Aber ich glaube, Özil liest während der EM wohl nicht die taz.“ "

     

    Ich gehe mal davon aus, dass Özil (und der Rest der Nationalmannschaft; allzu intellektuell wirken die ja alle nicht) grundsätzlich nichts liest...jedenfalls sicher nicht die taz. Er und die anderen Kicker haben ja auch besseres zu tun (ausgiebiger Geschlechtsverkehr mit ihren Modelfreundinnen etc.).

     

    Ansonsten muss ich nur sagen, dass taz-Linke sich mit diesem albernen Getue um die EM als Sektierer erweisen. Man muss die Fahnen bei der EM nicht mögen und ja, es gab auch einige unschöne Zwischenfälle wie die tätlichen Auseinandersetzungen in Wuppertal nach dem Halbfinale. Aber fällt euch Linken nichts Besseres oder Überzeugenderes ein als dieses alberne, selbstbezogene antideutsche Rumgehampel, bei dem es doch immer nur darum geht, zu zeigen, dass man die richtige Meinung hat - im Gegensatz zu den nationalen Prolls? Es gibt doch angeblich so viele Themen, die eigentlich für Linke geschaffen sind (steigende soziale Ungleichheit, Finanzmärkte, Umweltprobleme etc.), aber anscheinend ist das ewige "Deutschland ist scheiße" dann doch bequemer...

  • PO
    Patrizia Ot

    Darf man für Deutschland sein? Klar, jeder wie er mag. Unreflektierte Handlungen und irrationale Gefühlsregungen sind nicht verboten.

    Sollte man für Deutschland sein? Ganz klar nein. Ich halte es da mit Schopenhauer ergänzt um Volker Pispers.

     

    "Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er Stolz seyn könnte,

    ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu seyn: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Thorheiten, die ihr eigen sind, (...) zu vertheidigen."

    Schopenhauer

     

    "Der Patriot ist die geniale Mischung aus Patria und Idiot." Pispers

  • TK
    Tadeusz Kantor

    ich habe nichts gegen Fahnen, ich habe was gegen Nationalismus.

    Im Viertelfinale habe ich für Griechenland gejubelt, mein Nebenmann gab mir zu verstehen, ich solle doch bitte die Kneipe wechseln, oder mich ruhig verhalten.

    Geht's noch?!

    2006 war Party angesagt, 2012 hatte teilweise doch ziemliche Ähnlichkeit mit 1936.

  • PP
    Paolo Pinkel

    a propos: Wer war das hier mit der eingeworfenen Scheibe Anfang 1999?

     

    http://goo.gl/maps/2NsR

     

    Wo die genDARMerei/POlizei die Anzeigeerstatterein - deren Aussage zufolge - ausgelacht hat ...

  • T
    Thomas

    Bei mir geht's auch multikulturell zu, neben der obligatorischen Deutschland Fahne hängt draußen auch noch eine aus Russland, Weißrussland und Israel :)

  • M
    MeinName

    Hannelore Süß' Reaktion: „Den in der Mitte müsste man in der Pfeife rauchen! Der ist doch kein richtiger Deutscher!“

     

    Ja, genau. Denn wer nicht für die deutschen Fußballer Fähnchen schwenken mag oder sich gar offen gegen deren Sieg ausspricht, der wird ganz schnell verbal aus der neuen & total unverkrampften (Partyiotrismus-) Volksgemeinschaft ausgebürgert. Aber das ist natürlich alles völlig normal und wer das kritisiert, der schwingt doch bloß die "Nazikeule" und gönnt den selbsternannten "echten Deutschen" ihren Spaß nicht.

  • LM
    Ûlli Müller

    Patriotismus löst bei mir nur Mitleid mit dem Menschen aus.

    So lange es Patriotismus (und unterschiedliche Religionen) gibt, genau so lang wir es Kriege geben.

  • TU
    The User

    „Haben Sie keinen Nationalstolz?“

     

    Das ist wohl etwas, was man auch nicht haben sollte. Die Staaten sind historisch gewachsene Konstrukte, es besteht kein Grund für eine persönliche emotionale Bindung an eine sogenannte Nation. Dem wird Wert beigemessen, das keinen Wert hat. Die Trennung der Menschen nach Nationen wird persönlich befürwortet, die „eigene“ überhöht. Und dann wundert man sich, wie mit Asylanten, Asylbewerbern, Eingereisten, die versuchen Asyl zu beantragen, und Menschen, die einzureisen versuchen, umgegangen wird?

  • D
    Dirk

    Wir werden ohne unser Zutun in ein Land hineingeboren. Wenn wir Glück haben, ist es Deutschland, dann erwartet uns ein gutes Leben. Haben wir Pech, ist es Afghanistan und wir lernen Krieg als Alltag kennen. Das ist nicht fair. Was es auch nicht ist: ein Grund zum Stolz.

     

    Und was ist schon ein "echter Deutscher"? Bin ich das, dessen Ururgrosseltern aus Litauen eingewandert sind? Ist das mein Schulfreund Piotr, dessen Urgrosseltern aus Polen kamen. Aber Ömer ist es sicher nicht, dessen Grosseltern kamen aus der Türkei. Und ausserdem zu spät.

     

    Deutscher Nationalismus ist verbrannt wie ein geouteter Spion, und das finde ich eine bessere Hinterlassenschaft der Nazis, als es die Autobahnen je sein könnten. Nicht mehr zu gebrauchen.

     

    Bleibt noch der Patriotismus, der zum Nationalismus führen kann wie das Schnäpschen zum Alkoholismus. Braucht das irgendeiner? Ernsthaft? Wozu? Um sich anderen überlegen zu fühlen? Da fällt euch kein besserer Grund ein als ein zufälliger? Dann fehlt mir nur noch eine glaubhafte Erklärung, was denn so toll daran ist, sich anderen überlegen zu fühlen. Um freundliche Auskunft wird gebeten.

  • L
    Leila

    Warm sollen wir niht stolz auf unser Land sein?

     

    Wir zahlen Menschen, die hier nie etwas geleistet haben. Die Arbeitslosenquote bei Türken ist riesengroß! Trotzdem halten wir den Mund und zahlen.

     

    Wir zahlen auch halb Europa, lassen uns dabei verhöhnen und zahlen dennoch.

     

    Warum sollen wir nicht stolz auf ein Land sein, dass viel leistet und dennoch nichts dafür bekommt? Unser Geld, das andere finanziert, nicht uns selbst bereichert.

     

    Ist das denn keinen stolz wert?

  • D
    Debatte

    Die große Patriotismusdebatte? Wo? Bei den Altlinken? Ach so. Das sind dann wohl wieder (gefühlte) 99%. Der kleine Rest von 1% der Deutschen hat da keine Probleme. Also einiges mehr als 80 000 000 Deutsche. Die nutzen Fußball um wenigstens da ihren Patriotismus zu zeigen, den ihnen die Altlinken sonst verbieten wollen. Die "Debatte" besteht darin, daß Letztere es nicht können. Sonst wäre es verboten. An Schulen mit 68er Leitung wird es gerne verboten.

     

    Auch sonst wenn es möglich ist. Führt also eure "Debatte", sie wird nichts nutzen. So wie die Altnazis die Jugendbewegung der 60/70er nicht stoppen konnten, so können ihre Nachfolger immer weniger ihre Dogmen durchsetzen. Bei der ersten Gelegenheit wird das Volk diese Dogmen, auch "politische Korrektheit" genannt, abschütteln. Ernst nehmen sie höchsten Junggrüne. Also für euch 99%. 99% kommt einem ziemlich bekannt vor wenn man die jüngste deutsche Geschichte kennt. 1989 blieb von den 99% nicht viel übrig. Diesmal bleibt noch weniger übrig, denn es wartet keine 5te Kolonne in den neuen Medien und nur die zählen bald.

  • D
    Daniel

    Das ist einfach nicht der Punkt!

  • V
    vic

    Darf man das?

    Klar darf man das. Wer`s braucht...