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Die WahrheitMutti und Mensch

Schurken, die die Welt beherrschen wollen: Hannelore „Angela“ Kraft.

Der Blazer sitzt, der Helm passt – ab geht’s ins Kanzlerinnenamt. Bild: dapd

Als am Abend des 13. Mai 2012 das Wahlergebnis auf den Bildschirmen aufflammt, wackelt der Saal vor Freude. Die Menschen jubeln aus allen verfügbaren Löchern, tanzen mit den eigenen Beinen auf den Tischen, umarmen sich mit nackten Händen. Und nicht nur die Menschen laufen vor Begeisterung über, auch die Blumen scheinen hier in der Düsseldorfer Parteizentrale der SPD mit breiter Brust mitzufeiern, der proppenvolle Strauß roter Rosen, den Hannelore Kraft auf dem Podium wie eine pralle Siegesfackel in die Höhe reckt, ist der Beweis. 40 Prozent der wunderbaren Menschen in Nordrhein-Westfalen haben der Ministerpräsidentin ihre herrliche, nicht enden wollende Stimme geschenkt, und die Wahlsiegerin erklärt allen das Geheimnis ihres überwältigenden Triumphes: „Wir haben den Menschen in den Mittelpunkt unserer Politik für Menschen gestellt!“, ruft sie und führt souverän den vom Gegner geschnürten Vorwurf ad absurdum, im Mittelpunkt ihrer Politik hätten Streifenhörnchen gestanden. Oder Mehlschwalben!

Nein! „Ich möchte von den Menschen lernen“, hatte Hannelore Kraft schon anderthalb Jahre zuvor allen Menschen im Lande NRW ausgerichtet, als sie als erster weiblicher Mensch (vulgo: Frau) die Landesregierung unter ihre fünf Buchstaben nahm. Menschen und nicht Zierschwäne, wie eine gehässige Presse unterstellte! Oder gar Muschelkrebse! Deshalb hat sie sich auch im Wahlkampf gern von Kopf bis Fuß unters Volk gemischt, suchte die Nähe zu den bekleideten Menschen, und die zupften sie an den Ärmeln, umarmten sie von allen Seiten, Speisekarpfen oder Winterschwebfliegen können das nicht! Sie spielen bei Hannelore Kraft deshalb auch nur eine hintere Geige.

„Ich will als Politikerin die Nähe zu den Menschen unten nicht verlieren“, hatte sie schon 2010 fast wortwörtlich angekündigt und das Programm „TatKraft“ auf die Bühne geschoben, um einmal in jedem Monat die Lebens- und Arbeitswelten der Menschen dort zu besichtigen, wo sie einmal im Monat ist. Und um zu erfahren, was den genannten Menschen auf den Lippen brennt. Den Menschen, nicht den Teichmolchen oder Herbsttrompeten! Von wegen!

Stattdessen besucht sie Lebensmittelhersteller (denn Menschen brauchen Lebensmittel!), Müllverbrennungsanlagen (denn Menschen machen Müll!) und Sammelfriedhöfe (denn Menschen hinterlassen Leichen!). Danach werden die frisch gezapften Eindrücke mit „Gästen und Menschen aus dem Betrieb“ abdiskutiert, und immer legt Hannelore Kraft dabei für die Menschen ihre Zunge ins Feuer. Das ist sie nämlich den Menschen, die sie an der Urne gewählt haben, verdammt noch mal schuldig! Und nicht irgendwelchen Zirbelenten oder Wattwürmern! Nix da!

„Man muss die Menschen mögen“, betont sie. Im bevölkerungsreichsten Bundesland gibt es davon genug! Und wo Menschen sind, wachsen Probleme in die Höhe, das weiß Hannelore Kraft. Aber sie dreht die Augen nicht weg, sie kümmert sich, krempelt die Arme hoch bis zum Anschlag. Sorgt vor allem für die jungen Menschen, damit die endlich in die Spur finden, wie sich das gehört, und nicht dem Sozialstaat die Kohle absaugen. Wenn aber so ein Rotzlöffel oder dumme Trine nicht begeistert mitzieht, explodiert ihr schon mal der Kragen! Denn siehe, Hannelore Kraft ist Mutti und Diktator in einer wesensgleichen Person, ist der Jürgen Klopp der Landespolitik. Und kein Besenginster oder Hoppelhäschen! Nonsens!

Nein, Hannelore Kraft ist ein Mensch im besten Mannesalter und hat überall die Hosen an. Und das schon, seit sie Ministerin unter dem notorischen Wolfgang Clement und dem einschlägigen Peer Steinbrück war und sich mit Vollgas dafür einsetzte, dass Hartz IV für die arbeitslosen Menschen das A und O bleibt. Die heute mit eisernem Rückgrat darauf hinarbeitet, dass ihnen „gemeinnützige Jobs“ auf der Ein-Euro-Fahrkarte und ein demgemäß gestrickter „gemeinwohlorientierter Arbeitsmarkt“ aufgetischt werden. Freude durch Kraft, das ist die rote Linie ihrer Politik für Menschen, nicht für längst ausgestorbene Wollnashörner! Die überlässt sie nämlich ihren Kritikern!

Und ihre Linie kommt bei den Menschen an, die es gut leiden können, dass Hannelore Kraft offen wie ein Scheunentor von den Menschen redet, nicht von der Sumpfschwertlilie oder dem Dreizehenspecht. Und sie weiß, wovon sie redet, wurde sie selber doch von zwei Menschen geboren, die teilweise Straßenbahnfahrer und teilweise Verkäuferin waren. Und obwohl sie Abitur machte, Bankkauffrau und sogar Unternehmensberaterin wurde, blieb sie doch immer Mensch, keine Frühkartoffel oder Schnirkelschnecke! Stattdessen kann sie – Kanzlerin werden!

Immerhin ist sie, der die Menschen nie zu den Ohren rauskommen, bereits bei den Menschen einer der beliebtesten Menschen: Mit 95,7 Prozent der Menschen wurde sie 2005 Fraktionsvorsitzende, mit 97,2 Prozent der Menschen 2011 stellvertretende Parteivorsitzende, mit 99,3 Prozent der Menschen 2012 Spitzenkandidatin; nach Adam Riese fehlen ihr also nur 0,7 Prozent, um 2013 mit 100 Prozent der Menschen Bundeskanzlerin zu werden. Oder jedenfalls werden zu wollen.

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2 Kommentare

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  • SM
    Sven Meyer

    Vorschlag für eine Verbesserung des Titels:

    Peterchens Pippi und seine Mutti

  • FP
    Fred Pöplow

    Na, Herr Köhler, scheinbar greift die Arbeit mit Ihrem Psychiater noch nicht, denn anders ist es nicht erklören, daß Sie eine fremde Frau "Mutti" nennen.