Der Sound aus Bamako

AFROPOP Vom Hissen der Trikolore – ein musikalischer Familienbetrieb aus Mali: Bassekou Kouyate & Ngoni Ba und ihr neues, raues Album „Jama ko“

Als Bassekou Kouyate im März des vergangenen Jahres mit seiner Band in Malis Hauptstadt Bamako ins Studio ging, um das Album einzuspielen, putschte gerade das Militär gegen die Regierung

VON THOMAS MAUCH

Ja, auch der Krieg. Zu dem jedoch später. Und zum Blues. Um aber einmal von hinten anzufangen, soll gleich zum letzten Lied des neuen Albums von Bassekou Kouyate, dem Musiker aus Mali, geskippt werden. Eine gesungene Danksagung an Papa und Mama von Kouyates Sohn Moustafa ist da zu hören. Family values. Was nun ansonsten nicht gerade die vordringlichste Aufgabe ist im Pop. Nicht im Westen, wo man zwar schon auch so Familienbanden kennt mit Brüdern, Cousins und weiteren Anverwandten wie einst bei Jackson Five oder den Beach Boys – und wo man mit so einer Mehrgenerationen-Band wie hier aber doch eher fremdelt im Pop, wenn man nicht gleich an die Kelly Family denken will.

Ngoni Ba heißt die Gruppe von Bassekou Kouyate, die auch gleichzeitig eine Art Ausbildungsbetrieb ist, in dem seine Söhne von ihm die Musik und das Showgeschäft lernen, so wie der Vater selbst die Musik bereits von seinem Vater gelernt hat.

Tradition und Verstärker

Es geht also um traditionelle Musik. Traditionelle Musik mit der Ngoni, die Bassekou Kouyate und seine Söhne spielen, eine afrikanische Laute, die man im perlenden Klang vielleicht mit der portugiesischen Gitarre – dem Leitinstrument des Fado – vergleichen kann. Weil Kouyate sein Instrument aber dazu an den Verstärker anstöpselt und dessen Klang mit Effektgeräten weiter ausreizt, hat ihm das erst mal den Ruf eines Erneuerers der traditionellen Griot-Musik eingetragen – der Musik der Sänger und Geschichtenerzähler Westafrikas. Und dass das wiederum durchaus auch den Indierocker interessieren sollte, zeigt schon der Umstand, dass seine Musik für den US-Markt beim Sub-Pop-Label erschienen ist, das immerhin mal die erste Heimat von Nirvana und Soundgarden war.

Jedenfalls finden Fans von einem gediegenen psychedelischen Rock mit dem Drang zur Trance und Ekstase genügend Anknüpfungspunkte auf diesem Album, und wer auch nur nebenbei etwas übrig hat für kubanische Musik (in Mali populär seit den sechziger Jahren), für arabische Einflüsse, für Afropop und für einen Blues in afrikanischer Lesart, kommt bei „Jama ko“ bestimmt auf seine Kosten. Liebhaber wissen bereits, dass Bassekou Kouyate, Jahrgang 1966, musikalisch näher bei Ali Farka Touré steht als etwa bei Amadou & Mariam.

Als Bassekou Kouyate im März des vergangenen Jahres mit seiner Band in Malis Hauptstadt Bamako ins Studio ging, um das Album einzuspielen, putschte gerade das Militär gegen die Regierung. Und dann kamen die Islamisten und der Krieg. Die jetzige Intervention der Franzosen begrüßte Kouyate mit einem expliziten Dank an Frankreichs Präsidenten François Hollande und dem Hissen der Trikolore an seinem Haus.

Im Vergleich zu dem 2008 mit dem BBC World Music Award ausgezeichneten Debütalbum „Segu Blue“ klingt die Musik auf „Jama ko“ rauer, weniger geglättet. Das mag der jetzigen Krisenzeit geschuldet sein. Vielleicht aber auch dem rocküblichen Ambiente des Sounds – Schlagzeug, Gitarren und etwas Orgel – die allerdings erst im kanadischen Montreal unter Aufsicht von Produzent Howard Bilerman hinzukamen.

Dass der Mann sonst mehr mit Arcade Fire und den Postrockern Godspeed You! Black Emperor zu schaffen hat, ist bei „Jama ko“ zu hören. Gut für ein Rock-affineres Publikum.

Allein ein Stück auf „Jama ko“, was sich mit „Zusammenkunft“ übersetzen lässt, fällt einigermaßen aus dem Rahmen: das mit dem Promibonus, dem Duett Kouyates mit Taj Mahal, der US-amerikanischen Blueslegende. Der Jam der beiden klingt dann doch sehr US-amerikanisch. Ein eher dröger Blues. Es ist der vorletzte Titel des Albums. Und danach eben der liebevolle Dank des Sohnes an seine Eltern.

Bassekou Kouyate & Ngoni Ba: „Jama ko“ (Outhere Records)