Tatortpremiere in Dortmund: Westtribüne feiert neues Team
Im Westfalenstadion sind die Dortmunder das Jubeln gewöhnt. Am Freitag feierten sie dort die Premiere des neuen „Tatorts“ aus dem Pott. Der ist authentischer als befürchtet.
DORTMUND taz | Aylin Tezel steht immer noch auf der Bühne vor der großen Kinoleinwand im Stadion des Deutschen Fußballmeisters und beantwortet Fragen. Der erste Fall in Dortmund des neuen „Tatort“-Teams ist längst gelöst, die Sitzreihen auf der Haupttribüne haben sich geleert, Tezel ist die Letzte, die noch arbeitet.
Und die vielleicht überraschendste Besetzung im ohnehin verhältnismäßig unbekannten Ermittlerteam des Dortmunder „Tatort“: 29 Jahre alt, bekannt aus der Kinokomödie „Almanya – Willkommen in Deutschland“. Wie sie hat ihre Figur Nora Dalay türkische Wurzeln. Muttersprache: deutsch.
Während Jörg Hartmann (Hauptkommissar Faber) von weiblichen Fans seines Alters umschwärmt wird, muss Tezel zum gefühlt zehnten Mal Stellung beziehen zur Anfangsszene des Films. „Alter Ego“ beginnt mit einem Mord, ein junger Mann wird erstochen. Er taumelt und fällt und schreit und keucht, gegengeschnitten: ein Pärchen beim Sex, das taumelt und fällt und schreit und keucht; als der Mann sein Leben aushaucht, kommt die Frau zum Orgasmus.
Es ist die von Tezel gespielte Kommissarin Dalay, mit ihr im Bett der Kollege Daniel Kossik (Stefan Konarske). Und jetzt will man wissen, wie es die Schauspielerin im echten Leben hält mit der Trennung von Beruf und Privatem. „Wenn man sich verliebt, verliebt man sich eben“, sagt Tezel. Und seufzt – kaum hörbar, aber müde.
Dass das Interesse an ihr und der „Welturaufführung“ dieses neuen „Tatorts“ aus Dortmund groß sein würde, war im Vorfeld klar. Die Wucht allerdings war überraschend: Ausverkauftes Haus bedeutet bei der Veranstaltungsreihe „Kino im Stadion“ zwar nicht 80.720 Zuschauer, doch die frei verkäuflichen Tickets für die 1.200 Plätze waren in Rekordtempo ausgebucht.
Euphorie statt realistischer Zurückhaltung
Vor die Tore des Stadions sind am Freitagabend trotzdem eine Menge Menschen ohne Tickets gekommen – sie wollten irgendwie versuchen reinzukommen und blieben dann noch ein wenig draußen stehen, um etwas vom Sound mitzubekommen. Im Stadion brandet erstmals Applaus auf, als die Sonne endlich untergegangen ist und – der „Tatort“-Vorspann ertönt.
Obwohl der Ruhrgebietler ja eher zur realistischen Zurückhaltung neigen soll, herrscht hier Euphorie. Man hatte in der letzten Zeit zwar so seine Zweifel gehabt am Gelingen dieses neuen „Tatorts“. Etwa, als bekannt wurde, dass für „Alter Ego“ viel in Köln gedreht wurde. Würde Dortmund als Stadt überhaupt ordentlich zu sehen sein? Und würden es die Karnevalsnasen vom WDR aus Köln überhaupt hinkriegen, nicht nur auf den alten Pottklischees herumzureiten?
Spätestens als Kommissar Kossik am Morgen nach der Anfangsszene von einem Borussia-Dortmund-Klingelton auf seinem Handy geweckt wird, ist im Publikum jedes Misstrauen gegen den WDR gewichen. Die Dortmunder lieben ihre Stadt, und auch ihr neues Ermittlerteam haben sie ins Herz geschlossen.
Am 23. September wird „Alter Ego“ auf dem traditionellen „Tatort“-Sendeplatz der ARD ausgestrahlt – und damit der Film für den Leser auch so spannend bleibt, wie er ist, hier nur eine grobe Handlungsskizze: Der Ermordete ist Student und schwul, es scheint sich um ein Eifersuchtsdrama zu drehen. Die Ermittlungen führen in die High-Tech-Branche (Strukturwandel) und ins Dortmunder U (Wahrzeichen der Stadt!), Hauptkommissar Faber sagt „Hömma“ (Ruhrpottdialekt!), und am Schluss explodiert es.
Die Reaktion bei der Premiere: Riesenapplaus auf der Westtribüne. Die Dortmunder sind schwer stolz auf ihren „Tatort“. Später sagt Aylin Tezel: „Ich find’s total geil, dass das hier im BVB-Stadion war. Das Publikum ist ja voll mitgegangen! Fantastisch.“ Dann hat auch sie Feierabend.
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