piwik no script img

Kiew in der Champions LeagueDas Imperium schlägt zurück

Mit gewaltigem Aufwand will Dynamo Kiew wieder in die europäische Eliteliga. In der Qualifikation gegen Mönchengladbach sieht sich der Club als Favorit.

Der frisch eingekaufte Marco Ruben (li.) lässt sich von Trainer Semin seinen Namen in kyrillischer Schrift überreichen. Bild: reuters

Mittlerweile besitzt auch Dynamo Kiew eines dieser modernen Museen, in denen in hellen Räumen die kleinen und großen Pokale ausgestellt sind, die so ein Verein in seiner langen Geschichte gewinnt.

Natürlich fehlen im altehrwürdigen Walerij-Lobanowski-Stadion, der eigentlichen Keimzelle dieses Traditionsklubs, auch nicht die Schwarz-Weiß-Bilder aus seligen Europapokalzeiten. Vor allem der ukrainische Nationaltrainer Oleg Blochin, einst weltbester Linksaußen und bei Dynamo als lebende Legende verehrt, ziert in etlichen Aufnahmen die Wände.

Dort ist er etwa zu sehen im Laufduell mit Berti Vogts, damals am 20. April 1977, als die von der verstorbenen Ikone Walerij Lobanowski trainierte Dynamo-Elf im überfüllten Düsseldorfer Rheinstadion gegen Borussia Mönchengladbach mit 0:2 verlor, nachdem Kiew zuvor das Halbfinale-Hinspiel im Europapokal der Landesmeister mit 1:0 gewonnen hatte. Die Fohlenelf kam damit weiter, unterlag dann aber im Endspiel dem FC Liverpool.

Die Reminiszenzen aus einer anderen Epoche leben vor dem Play-off-Hinspiel zur Champions League bei Borussia Mönchengladbach (Dienstag, 20.45 Uhr, ZDF) nun wieder auf. Wegen seiner Erinnerung als Aktiver zeigte sich Gladbachs Vizepräsident Rainer Bonhof nach der Auslosung gar „erschüttert“.

Das Monopol von Donezk brechen

Respekt vor Kiew scheint aber tatsächlich angebracht. Dynamo-Besitzer Igor Surkis lässt schließlich keinen Zweifel daran, worum es in dieser Saison für den zweifachen Europapokalsieger (1975 und 1986) geht. „Wir müssen direkt in die Champions League. Und wir müssen das Monopol von Schachtar Donezk brechen.“

Hinspiele CL-Quali

Spartak Moskau - Fenerb. Istanbul (Di., 18.00)

FC Basel - CFR Cluj (Di., 20.45)

Helsingborg IF - Celtic Glasgow (Di., 20.45)

Mönchengladbach - Dynamo Kiew (Di., 20.45)

FC Kopenhagen - OSC Lille (Di., 20.45)

BATE Borissow - Hapoel Schmona (Mi., 20.45)

FC Limassol - RSC Anderlecht (Mi., 20.45)

Dinamo Zagreb - NK Maribor (Mi., 20.45)

SC Braga - Udinese Calcio (Mi., 20.45)

FC Málaga - Panathinaikos Athen (Mi., 20.45)

Der 53-Jährige, jüngerer Bruder des vor der Ablösung stehenden Verbandspräsidenten Grigorij Surkis, ist es leid, im Lande die zweite Geige zu spielen. Das vondem Oligarchen Rinat Achmetov alimentierte Schachtar hatte das strukturkonservative Dynamo zuletzt in jeder Hinsicht überholt, nun schlägt das Imperium aus der Hauptstadt zurück. Mit einer aberwitzigen Transferattacke in diesem Sommer mit allein 40 Millionen Euro an Ablösesummen.

Dafür wurden der portugiesische EM-Stammspieler Miguel Veloso aus Genua und der kroatische Internationale Niko Kranjcar von Tottenham, der Argentinier Marco Ruben aus Villarreal oder der Brasilianer Raffael von Hertha BSC verpflichtet. Woher das Geld plötzlich stammt, darüber herrscht Rätselraten. Vermutet wird auch hier eine Oligarchenunterstützung, die mit politischen Ränkespielen zu tun haben könnte. Schließlich stehen im Oktober die Parlamentswahlen an, und Dynamo Kiew erfreut sich in der Bevölkerung traditionell großer Beliebtheit. Das zur EM runderneuerte Olympiastadion mit seinen 70.000 Plätzen ist nicht nur beim Rückspiel (29.8), sondern auch bei Ligaspielen oft ausverkauft.

Defensivfanatiker als Trainer

Dabei spielt das Starensemble noch keinen berauschenden Fußball. Der zu Weihnachten 2010 eingestellte Trainer Juri Semin gilt als Defensivfanatiker. Seine vorsichtige Taktik behält er trotz der prominenten Verstärkung bei, weshalb Stars wie Kranjcar oder Raffael heute nur auf der Bank Platz nehmen dürften.

Die Schlüsselpositionen in der Offensive sind an den nigerianischen Torjäger Ideye Brown und die ukrainischen Nationalspieler Oleg Gusev und Andrej Jarmolenko auf den Flügeln fest vergeben. Doch wehe, wenn nach dem Weiterkommen gegen Feyenoord Rotterdam (2:1, 1:0) in den letzten Millionenspielen gegen Mönchengladbach das Erreichen der Gruppenphase verpasst wird: Dann, so heißt es aus dem Umfeld des Klubs, ist der 65-jährige Russe seinen Trainerjob los.

Aber nicht nur wegen des Heimvorteils im Rückspiel ist Semin optimistisch, die Hürde gegen den Bundesliga-Vierten nehmen zu können. „Wir haben viel Potenzial, und das Verständnis mit den neuen Spielern wird immer besser“, beteuert der Chefcoach, der mit Sergej Rebrov einen seiner Assistenten zum Ausspähen des Gladbacher DFB-Pokalspiels in Aachen schickte.

Es soll im Dynamo-Tross aber auch den ein oder anderen gegeben haben, der sich zur Einstimmung auf die Dienstreise an den Niederrhein noch mal die 35 Jahre alten Aufnahmen angeschaut hat. Es sind ja wirklich schöne Bilder, wie sich etwa die in Ost und West stilprägenden Idole Blochin und Vogts begegneten. Auch wenn weder der eine noch der andere die aktuellen Geschicke des Vereins mitbestimmt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!