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Kolumne FernsehenPerfide Scheinsolidarität

Kolumne
von David Denk

Jenny Elvers-Elbertzhagen war im Fernsehen. Betrunken. Schämen sollten sich für den Auftritt und dessen Aufarbeitung andere.

Hicks! Jenny Elvers-Elbertzhagen. Bild: dpa

D as frühere It-Girl Jenny Elvers-Elbertzhagen, heute Irgendwasmitfernsehen, sitzt im Studio des NDR-Tratschmagazins „DAS!“ und redet wirres Zeugs. Schon nüchtern wäre es schwer, die Fragen von Moderatorin Bettina Tietjen geistreich zu parieren, doch Elvers-Elbertzhagen ist offenbar angetrunken und beantwortet die Frage, warum sie ihre Naturlocken versteckt, wenig souverän mit: „Weiß ich auch nicht. Ich mag sie einfach nicht.“

Herzlich willkommen zur 14.387. Folge von „Wer sich ins Scheinwerferlicht begibt, kommt darin um“. Gespenstischerweise kündigt Elvers-Elbertzhagen auf dem roten NDR-Sofa nebulös an, bald Marlene Dietrich zu spielen: „Sei mal gespannt“, nuschelt sie Moderatorin Tietjen entgegen, die ungerührt weiterplaudert, auch als Elvers-Elbertzhagen ein Glas Wasser vom Tisch räumt.

Schockierend an dem Auftritt ist weniger der Umstand, dass ein Promi offenbar ein Suchtproblem hat, sondern dass niemand beim NDR Elvers-Elbertzhagen vor sich selbst geschützt hat. In diesem Zustand hätte man sie gleich an der Studiotür wieder nach Hause schicken müssen. Auch während der laufenden Sendung hätte es noch Exit-Optionen gegeben. Die „DAS!“-Redaktion jedoch ließ alle Möglichkeiten verstreichen und führte eine Frau vor, die offenbar nicht Herr ihrer Sinne war. Ein unwürdiges Schauspiel – für beide Seiten.

taz

David Denk ist Co-Ressortleiter von tazzwei/Medien.

„Weder die Moderatorin noch die Zuschauer konnten ahnen, dass hinter dem Lall-Auftritt offenbar eine ernsthafte Erkrankung steht“, kommentierte die Bild-Zeitung. Verblüffend: Wer bitte konnte nach diesem Anblick denken: Bei der Jenny ist doch alles in Butter? Das bisschen Prosecco! Wohl nur Bild-Redakteure, um ihr Restgewissen zu beruhigen.

Die perfide Scheinsolidarität mit Elvers-Elbertzhagen ist das Widerwärtigste an der Geschichte: Wir wollen doch nur dein Bestes, Mädchen – sind es unseren Lesern allerdings leider, leider schuldig, sie in allen Einzelheiten über den „verstörenden Auftritt“ zu informieren, den Elvers-Elbertzhagen, von Bild zur Rede gestellt, zunächst mit einer Fischvergiftung erklärt. „IST DAS WIRKLICH DIE WAHRHEIT?“ insistiert Bild, bis die Angeklagte schließlich zugibt: „Es stimmt alles.“ Bild hat mal wieder recht behalten, kann sich als überparteiliche Instanz aufplustern, die der Wahrheit mal wieder zum Recht verholfen hat.

„Wenn du stolperst, erwarte nicht, dass dir jemand beim Aufstehen hilft. Sie treten lieber auf Deine Finger“, schreibt zu allem Überfluss Bild-Kolumnistin Christiane Hoffmann in ihrem „Mami-Blog“ und tut, unter dem scheinheiligen Titel „Liebe Jenny, du musst dich nicht schämen“ nichts anderes, als nachzutreten. Mit den besten Absichten natürlich: „Lern Dich selbst wieder zu lieben – und kehr zurück. Mit Dir ist diese Show-Welt bunter.“

Bei solchen „Freundinnen“ braucht man keine Feinde mehr. Wer jetzt nur sagt, so läuft’s Business, darf seinen Zynismus gern für sich behalten. Man wird Scheiße doch wohl noch Scheiße nennen dürfen. Stimmt, Jenny muss sich wirklich nicht schämen. Da fallen mir ein paar andere ein.

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Ressortleiter tazzwei

15 Kommentare

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  • N
    Nieto

    So kennt man den NDR - 'n bisschen liquid Ecstasy oder Psychopharmaka in den Begrüßungssekt, 'n paar scheinheilige Sprüche und schon ist man medienwirksam im Gerede.

  • H
    H.Graf

    Für mich ist Jenny nicht selbst schuld, dass sie bei B. Tietjen aufgetreten ist. Ich denke, dass es zu dem Krankheitsbild gehört, dass man eine falsche Selbstwahrnehmung hat.Ich schäme mich für die Leute, die diesen Auftritt verhindert hätten können.In was für einer Welt leben wir eigentlich, dass man nicht reagiert und nicht hilft. Jenny wünsche ich alles erdenklich Gute und dass sie die Krankheit in den Griff bekommt. In der Hoffnung, dass sie irgendwann wissen wo ihre Freunde sind verbleibe ich mit meinen Gedanken an Sie Jenny!!!

  • W
    Werte-Tussi

    In dieser Gesellschaft, wo Skrupellosigkeit, Ellenbogen und Ich-Zuerst so selbstverständlich genommen werden wie das Naseboren, sollte, aber kann man wohl nichts anderes erwarten als dass diejenigen,

    die sich eines Systems bedienen auch darin umkommen.

    Vielleicht stellt es sich irgendwann als Segen heraus, was momentan noch als Fluch aussieht, weil der wahre Fall doch längst vorher stattgefunden hat, so wie es aussieht, rächt sich die menschliche Seele für ein Leben, in dem man sich für den schönen Schein verbiegen muss . Doch hier ist endlich mal was Ehrliches herausgekommen in diesem System aus Fake und verlogener Fassade. Nur mit Letzterem ist ein Medienunternehmen gewohnt, umzugehen. Kommt eine, wenn auch traurige Form von Wahrheit ans Tageslicht,

    ist man überfordert. Ich finde dennoch auch, man hätte die Frau schützen müssen vor den sensationsgierigen Gaffern. Ich habe sogar gelesen, dass es sich um eine Aufzeichnung gehandelt habe, das wäre allerdings ein Skandal, falls es so gewesen sein sollte. Dass ein Sender nicht gerüstet sein soll für solche Fälle, kann ich mir nach der langen Erfahrung schwer vorstellen. Wo ein Wille ist, ist doch sicher auch ein Weg, oder?

  • B
    Bild

    Was hat sie unterm Rock, sind die Brüste echt oder angesteckt und wurden sie vorher oder nachher gegrillt?

  • P
    Piet

    Danke Taz!

     

    Bitte noch mehr Promiquatsch! Mehr Infotainment!

  • B
    Background

    Ich bin froh endlich einen Text in dieser Richtung zu lesen. Ohne in TV-Abläufe eingebunden zu sein stellt sich auch mir die Frage, weshalb vom Pförtner über Maske und Regie und letztlich Moderation niemand den desolaten Zustand erkennen wollte. Diese Vorführung war und ist beschämend. Und unabhängig davon, ob es sich nun um A,B oder C-Promis, Kollegen, Kneipeninventar oder Obdachlose handelt, das Prinzip, sich richtend auf Kosten von - und in dieser Situation wehrlosen - Betroffenen zu erhöhen, bleibt sich gleich.

    Wer Aufklärung will und nicht Stigmatisierung, sollte sich für offenene Kommunikation auf Augenhöhe stark machen und nicht herablassene Betroffenheit inszenieren.

  • N
    neubau

    Mit Faszination erlebe ich seit Jahren, dass die Lösung, wie im Kommentar von "waltari", für viele Menschen im Um-, nicht im Abschalten besteht. Die Kiste einfach gar nicht anzumachen und sich dem Leben zuzuwenden - das wäre eine gute Lösung.

    Mir war nicht einmal bekannt, dass diese Z-Prominente überhaupt noch öffentlich lebt. Ich dachte, sie sei mit Ende der 90er-Jahre in der Bedeutungslosigkeit versunken.

  • B
    Brandeis

    Angetrunken? Die Gute war strunzenvoll...

  • R
    reblek

    "... führte eine Frau vor, die offenbar nicht Herr ihrer Sinne war..." - Alles ganz richtig, aber es wäre wahrscheinlich besser für sie gewesen, wenn sie "Frau ihrer Sinne" geblieben wäre.

  • PM
    Prinzessin Manfred

    "Schockierend an dem Auftritt ist weniger der Umstand, dass ein Promi offenbar ein Suchtproblem hat, sondern dass niemand beim NDR Elvers-Elbertzhagen vor sich selbst geschützt hat."

     

    Es ist *nicht* Aufgabe des beruflichen oder privaten Umfeldes von Alkoholiker*innen, diese vor den Konsequenzen ihres Alkoholmissbrauchs zu schützen - dadurch wirde den Alkoholkranken nämlich (leider) nicht geholfen, sondern im Gegenteil ermöglicht, mit ihrem Alkoholmissbrauch weiterzumachen.

  • BG
    Bernd G.

    Man hätte den Auftritt mit einem Hinweis auf "gesundheitliche Probleme" absagen sollen. Hätte wäre wenn, jetzt ist es wenigstens raus. Die Erkenntnis ist der erste wichtige Schritt etwas gegen diese Krankheit zu unternehmen.

  • M
    mr.spock

    leider kann ich hier keinen kommentar abgeben, der würde nämlich aus etlichen gründen - und vermutlich zu recht - hier nicht veröffentlicht werden. schade.

  • N
    Nachdenken

    Ja ! Ja ! und nochmal Ja !

  • B
    bongo

    Das triffts.

  • W
    waltari

    Man muss Frau Elvers-Elbertzhagen weder betrunken nochnüchtern ertragen, man kann auch einfach um-/ausschalten. Was für ein larmoyantes Gejammere David Denk aber mir als Leser zumutet, kann ich leider nicht ausschalten (zugegeben selber schuld, ich hätte es ja nicht lesen müssen).

    Eine D-Mimin sucht Aufmerksamkeit und will auch noch schnell was verhökern, dann labert sie betrunken Unfug.

    So what? Die Trash-Sendung des NDR ist doch keine multiperspektivische Kultursendung auf Arte, sondern bedient eine gewisse Klientel. Jetzt auch betroffen machen und die Medienmechanismen zu schelten ist doch mehr als schäbig. Offenbar hat Herr Denk auf vergessen, für welche Zeitung er schreibt. Auch die TAZ haut in jede Kerbe und tritt nach, aber dafür liebe ich sie ja auch.

    Wenn der besoffene Til Schweiger eine launige Dankesrede hält gilt er als authentisch und sympathisch, wenn Jenny Elvers torkelt dann wird plötzlich ein journalistischer Ethos konstruiert?