Boehringer-Streit beendet: Erkaufter Frieden

Der Streit um das Tierimpfstoffzentrum des Pharma-Riesens Boehringer in Hannover ist zur Eröffnung beigelegt - auch weil der Konzern Geld an die Gegner zahlte.

Wird am Donnerstag eröffnet: Das neue Tierimpfstoffzentrum in Hannover. Bild: dpa

Mit großer Geste und Grußworten von Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) und Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) eröffnet der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim am Donnerstag in der Landeshauptstadt sein Tierimpfstoffzentrum. Aus Sicht des Pharma-Riesens gibt es viel zu feiern: Nach jahrelangen Bürgerprotesten und diversen Prozessen herrscht zur Einweihung der 40 Millionen Euro-Investition weitgehend Frieden.

Gleich neben der Tierärztlichen Hochschule, mitten im Stadtteil Kirchrode, will Boehringer Impfstoffe gegen Krankheiten, die vornehmlich in der Massentierhaltung auftreten, erforschen. Auch an Tieren. Die Laborarbeit läuft bereits seit März. Ende 2012 starten die Tierversuche. An bis zu 350 Schweinen wird dann experimentiert.

Was der rot-grüne Stadtrat 2009 mit großer Mehrheit durchwinkte und Oberbürgermeister Weil, heute SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, als „wichtigen Baustein für die Positionierung Hannovers als Wissenschaftsstadt“ rühmte, mochte Anwohner und Tierschützer nicht recht freuen. Farbbeutel flogen an Weils Privathaus. Eine Bauplatzbesetzung endete nach sechs Wochen – 1.000 Polizisten fegten gut 30 jugendliche Besetzer weg.

Die Anwohner trieb die Sorge um, aus der Anlage gleich neben einem Krankenhaus und einem Altersheim könnten Mikroben austreten. Zwischenzeitlich ist es ruhig um die „Bürgerinitiative gegen Massentierversuche in Wohngebieten“ (BI) geworden. „Dass wir das Projekt nicht verhindern können, war uns von Anfang an klar“, sagt Sprecher Klaus Neuendahm heute.

Dabei hatte die BI beste Chancen, die Betriebsgenehmigung zu kippen. Eine Klage gegen den Bebauungsplan scheiterte zwar im Frühjahr vor dem Bundesverwaltungsgericht. Ende Mai stellte das Verwaltungsgericht Hannover jedoch etliche Formfehler bei der Genehmigung durch das Gewerbeaufsichtsamt und die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS) fest, zuständig für die Risikoeinstufung solcher Anlagen. Bei den Beratungen der zur Neutralität verpflichteten ZKBS seien Boehringer wie die Gewerbeaufsicht einbezogen worden, bemängelte das Gericht. Auch seien die Ergebnisse nicht nachvollziehbar, da Protokolle fehlten.

Der Prozess endete dennoch mit einem Vergleich: 100.000 Euro zahlt Boehringer der BI für Prozess- und Gutachterkosten. Über eine weitere Zahlung ist Stillschweigen vereinbart. Boehringer sicherte zudem zu, anders als ursprünglich genehmigt nur mit Viren zu forschen, die in Europa zirkulieren.

Auf Hannover will der Pharmakonzern, der Weltmarktführer im Bereich Tiergesundheit werden will, seine europäische Forschung konzentrieren.

Zu Transparenz hat sich Boehringer vor der Einweihung verpflichtet: Es gibt ein Bürgertelefon, Führungen, die Bürgerinitiative kam schon zur Besichtigung.

Laut Boehringer ist die 90.000 Quadratmeter-Anlage "hermetisch abgeriegelt": Die Lüftungs- und Filteranlage sei zu 99,99 Prozent sicher.

Kadaver der Versuchstiere, die allesamt getötet werden müssen, werden in Lauge zersetzt, die in Tierkörperbeseitigungsanlagen kommt - statt wie ursprünglich geplant in die Kanalisation.

In Tübingen versuchte es Boehringer vor der Ansiedlung in Hannover - und scheiterte dort am Protest von Bürgern und Stadt.

„Zufrieden“ sei er damit, sagt BI-Sprecher Neuendahm. Boehringer sei laut der Einigung den Anwohnern gegenüber „rechenschaftspflichtig“. Sollte der Konzern künftig doch mit anderen Viren forschen wollen, müsse er das erneut beantragen. Und dann sei die BI „wehrfähig“, so Neuendahm – dank der Boehringer-Finanzspritzen.

Auch der Pharmakonzern selbst äußerte sich erfreut: „Wir betrachten den Vergleich als Auftakt für eine langjährige und gute Nachbarschaft“, erklärte ein Sprecher.

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