Clubsterben in Prenzlauer Berg: "Diese Leute machen alles kaputt"

Pamela Schobeß und Lars Döring betrieben 15 Jahre das Icon in Prenzlauer Berg, dann mussten sie schließen. Nun feiert ihr neuer Club Gretchen in Kreuzberg seinen ersten Geburtstag.

Viel geredet wurde beim BMW Guggenheim Lab. Die Clubs sind trotzdem weg. Bild: dpa

Pamela Schobeß (38) und Lars Döring (38) betrieben seit 1997 in einer kleinen Seitenstraße in Prenzlauer Berg den Club Icon. Im Jahr 2010 bekamen die beiden erstmals Probleme mit den Behörden, die ihnen die Genehmigung für den Club entziehen wollten, weil neben dem Icon ein Neubau mit Eigentumswohnungen entstand.

So eröffneten Pamela Schobeß und Lars Döring im Oktober 2011 in Kreuzberg 61 ihren neuen Club Gretchen - und zwar in einem Gebäude, das 1854 erbaut wurde, das bereits die Stallungen des preußischen Ersten Garde-Dragoner-Regiments beherbergte, eine Autowerkstatt und einen Schwulenclub.

2011 machte das Icon dicht - weil der Mietvertrag zu spät verlängert wurde und weil sich die Nachbarn zu oft über Lärm beschwert hatten. Am Samstag feiert das Gretchen seinen ersten Geburtstag. Mit Gesaffelstein (Turbo/FR), Jan Driver (Boysnoize), The Sexinvaders (Pink-Pong), Marvin Suggs (Oye Records) u. a. Ab 23.30 Uhr, Obentrautstraße 19-21

taz: Frau Schobeß, Herr Döring, in Ihrem neuen Club Gretchen erinnert vieles ein bisschen an Ihren alten Club, das Icon.

Pamela Schobeß: Ja, darüber haben wir uns auch schon amüsiert: dass wir wieder ein schönes Gewölbe haben.

Das klingt wehmütig.

Schobeß: Das Gretchen ist ein toller Ort, er ist viel größer und man kann ganz andere Konzerte veranstalten. Der Club ist unser neues Baby. Nach einem Jahr merken wir, dass das Gretchen für uns und für unsere Gäste eine neue Heimat wird. Trotzdem: Für uns war es einfach unvorstellbar, das Icon zu schließen. Wir waren sehr jung, als wir damit angefangen haben. Wir haben alles da reingesteckt. Das Icon war unsere Familie.

Lars Döring: Ich erinnere mich zum Beispiel an die Konzerte der Youngblood Brass Band im Icon. Die standen zu zwölft auf einer Bühne, die höchstens zweimal drei Meter groß war. Das war eine tolle Atmosphäre. Die Musiker und die Leute im Publikum sind immer gleichzeitig in die Luft gesprungen. Es war beeindruckend. Sehr eng und heimelig.

In den Neunzigern wurde die Coolness eines Clubs daran gemessen, wie oft er umgezogen ist. Ist es nicht Jammern auf hohem Niveau, wenn die Clubs heute über Ortswechsel klagen?

Döring: Im Vergleich zu Städten wie New York oder London mag es Jammern auf hohem Niveau sein, ja. Aber mit Berlin in den Neunzigern kann man die Situation nicht vergleichen. Damals hatten wir ungeheuer viel Leerstand. Es war überhaupt kein Ding, umzuziehen. Heute ist es nicht mehr so einfach, eine Location zu finden und da schnell mal einen Club reinzusetzen. Das geht schon wegen der Sicherheitsrichtlinien nicht mehr. Es ist teuer geworden, umzuziehen.

Die Umzüge damals waren oft freiwillig?

Döring: Genau. Es ist eben etwas anderes, wenn man gezwungen ist, umzuziehen.

Schobeß: Wir hatten im Icon anderthalb Meter dicke Wände, der Eingang war im Hof einer Autowerkstatt, wir haben niemanden gestört. Aber dann wurde die Autowerkstatt abgerissen. Sie haben einen Neubau in unseren Hinterhof und direkt über unseren Eingang gesetzt. Wir haben noch darauf geachtet, dass sich der Schall nicht überträgt. Die Nachbarn wurden also nicht durch die Musik gestört, sondern nur durch die Leute, die vor der Tür standen. Sie konnten im Sommer nicht mit offenen Fenstern schlafen. Darum haben sie uns das Leben zur Hölle gemacht.

Döring: Es kommen immer mehr Leute in die Stadt, weil es hier so hip und so frei ist und dann, nach einem halben Jahr, fangen sie an, Stress zu machen. Das ist eine schlimme Tendenz. Die Mentalität in der Großstadt bewegt sich Richtung Dorf. Diese Leute machen alles kaputt, weil sie meinen, sie hätten alle Rechte der Welt, nur weil sie eine Wohnung gekauft haben.

Schobeß: Es gibt doch überall ruhige Ecken, sogar im Zentrum. Ich finde es dumm, in eine Straße mit Clubs oder Kneipen zu ziehen und dann jede Nacht die Bullen zu rufen, weil da überraschenderweise Leute auf der Straße sind.

Sie sind nicht mehr besonders gut zu sprechen auf Prenzlauer Berg?

Schobeß: Wir sind nicht mehr besonders gut zu sprechen auf die Stadtentwickler. Sie nehmen Berlin die Freiräume für Kultur.

Döring: Die Politik hätte die Mittel, zum Beispiel durch Bebauungspläne Freiräume zu schützen. Stattdessen hat sie die Stadt ausverkauft. Wir Kreativen haben Berlin zu dem gemacht, was es ist. Und wir haben von der Politik nie etwas zurückbekommen. Wenn sich diese Haltung nicht bald ändert, haben wir ein Problem, denn dann ist Berlin nur noch arm und nicht mehr sexy. Die Touristen kommen nur wegen der Lebendigkeit. Berlin hat sonst nichts.

Was werden Sie machen, wenn die Gema-Reformen kommen, gegen die derzeit Berlins ganze Clubszene protestiert?

Schobeß: Es wird uns treffen wie alle anderen, wir müssten 1.000 Prozent mehr zahlen. Es wäre ein Desaster. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gema das wirklich durchbekommen wird.

Warum nicht?

Schobeß: Die Gema möchte 10 Prozent der Eintrittsgelder, die man bei voller Auslastung hätte – also auch, wenn es nicht voll ist. Bei uns Clubbetreibern gehen aber oft die kompletten Türeinnahmen und mehr für die Gagen an die Künstler drauf. Die Gema betrachtet uns Clubs wie Diskotheken, und das ist nicht gerechtfertigt. Es ist hanebüchen.

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