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Kämpfen gegen die Ems-AusbaggerungDie schwimmende Ruine

Der Hof von Jan Hinrich Sanders bricht zusammen. Schuld seien, so der Bauer, die Ausbaggerungen der Ems für die Überführung großer Kreuzfahrtschiffe. Und doch zieht er seine Klage zurück.

Risse in den Wänden Bauer Jan Hinrich Sanders vor auf seinem absackenden Hof. Bild: Thomas Schumacher

PAPENBURG taz | Einsturzgefahr. Betreten verboten. Der Lebenstraum des Landwirts Jan Hinrich Sanders ist eine Ruine. Sein Hof in Stapelmoor zwischen Papenburg und Leer bricht zusammen. Schuld seien die ewigen Baggerungen in der Ems, die untere Sandschichten ins „Schwimmen“ bringen, glaubt er. Deswegen hat der Landwirt aus dem tiefsten Ostfriesland die Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz verklagt.

Die hat, laut Sanders, durch ihre planende Behörde, die Wasser-und Schifffahrtsdirektion Nordwest in Aurich (WSD), die Aushöhlungen im Emsbett genehmigt, um der Papenburger Meyer-Werft die Überführung großer Kreuzfahrtschiffe durch die Ems zu ermöglichen. Seit 2001 läuft Sanders’ Verfahren. Jetzt hat ihn das Verwaltungsgericht Oldenburg „überzeugt“, seine Klage zurückzuziehen.

„Das Gericht hat dem Kläger deutlich gemacht, dass es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gibt“, sagt ein Sprecher des Gerichts. „Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit“, schimpft der Bauer, „aber das wäre eine Gutachterschlacht geworden, die ich nicht bezahlen kann.“

Risse in der Idylle

Direkt an der Ems steht das etwa einen halben Hektar große Gehöft mit heute gut 25 Hektar Weidefläche umzu. Alter Baumbestand, einige Obstbäume, ein Garten, ideal für Gemüse- und Kräuteranbau. Hinter Stall und Scheune liegt ein kleiner Viehauslauf, daneben eine Remise für Geräte und Maschinen.

„Mein Bruder hat den elterlichen Hof geerbt, ich wollte mir hier eine Existenz aufbauen. Wäre das alles halbwegs in Ordnung, hätte das Anwesen locker einen Wert von 250.000 Euro“, schätzt Sanders und fügt als echter Ostfriese hinzu: „Fremde müssten natürlich mehr blechen. Aber sowas verkauft man nicht, da gründet man ein Leben drauf.“ Aus der „Lebensgründung“ wurde nichts. Erst fehlte ihm eine Milchquote, die ihm gestattet, Milchviehwirtschaft zu betreiben. Er suchte sich einen neuen Hof und vermietete das Haus in Stapelmoor.

Ab 1987 beginnt der Hof am Emsdeich langsam „wegzuschwimmen“. „Wir nennen das in Ostfriesland Loopsand. Das sind Sandflächen im Grund, die sich noch bewegen“, erklärt der Bauer. Die historische Bauweise hat das berücksichtigt. „Aber niemand dachte 1957 beim Bau des Hofes daran, dass einmal für die Papenburger Meyer-Werft die Ems umgebaut wird und alles hier ins Rutschen kommt“, sagt Sanders.

Ins Rutschen kam einiges: Der hintere Giebel des Hofes am Deich ist komplett nach innen eingestürzt. Von der Rückwand des Hauses zur Vorderkante knickt ein Gefälle von 50 Zentimetern. Der Betonboden der Scheune ist zerborsten und an manchen Stellen 30 Zentimeter unter das Fundament gesackt. Durch Risse im Haus schimmert Sonnenschein. Das Klo im Halbparterre funktioniert schon lange nicht mehr. Das Abwasser müsste bergauf in die Spülgrube fließen. Die gute Stube gleicht einer schiefen Skaterbahn. Seit über drei Jahren ist das Haus jetzt unbewohnbar. „Eigentlich müsste man die ganze Hütte abreißen“, sagt Sanders traurig.

Ein großer Gegner

Sanders kann seinem Gegner vom Deich vor seinem Haus ins Auge schauen, die Meyer-Werft liegt vis-à-vis. Seit Meyer zur Überführung seines ersten großen Kreuzfahrtschiffes, der „Oriana“, nicht durch die schmale Ems an die Nordsee schippern konnte, ist der Fluss ständig verbreitert, vertieft, begradigt und aufgestaut worden.

Allein die Kosten für die ständige Freihaltung der Wasserstraße belaufen sich für den Steuerzahler auf jährlich 20 Millionen Euro. Schon als 1984 mit den Vorarbeiten begonnen wurde, „klärte“ ein Film des Landkreises Emsland, der Stadt Papenburg und einer ganzen Phalanx von Gutachtern die Anrainer auf. O-Ton: „Eine bedarfsweise Vertiefung der Ems hat keinerlei Auswirkungen auf die Schädigung des Ökosystems, ein Stopp der Ausbaggerungen hingegen fügt dem Menschen als Teil des Systems sehr wohl Schaden zu.“

Ein Gegengutachten von Bürgerinitiativen listete schon damals katastrophale Folgen der Vertiefungen auf, die heute größtenteils von keiner Seite in Frage gestellt werden. „Die Behörden lassen Dutzende von Mitarbeitern mit meinen Steuergeldern an Gutachten und Analysen arbeiten, die gegen mich sprechen. Ich muss alles allein machen und selbst zahlen“, sagt Sanders. Einige Tausend Euro hat ihn der Gerichtsstreit gekostet.

Jetzt ist Schluss. „Mir hat ein Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes aus Emden (WSA) schon 2001 gesagt: ’Sie können uns nicht beweisen, dass ihr Haus wegen der Emsvertiefung absackt. Das können Sie gar nicht bezahlen.‘ So isses“, seufzt Sanders, der Gutachter hatte leider recht. In einem WSA-Gutachten von 2009 werden eine weitere Vertiefung der Ems und ein zusätzlicher Stau eher kritisch gesehen. Ein Gutachten der Umweltschützer kommentiert: „Wir befürchten auch weitere Schäden an den Häusern der Bürger, an Deichen und Böschungen.“

Entlang der Ems stehen mehrere betroffenen Höfe. Anwohner sprechen von Deichstraßen, die bis zu 60 Zentimetern absacken. Die Schäden bestreiten die Behörden nicht. Vor Gericht stellen sie aber fest: Nicht die Emsvertiefungen seien die Ursache, die eigentlichen Ursachen kenne man nicht. Das kann ein ostfriesischer Bauern nicht schlucken. „Die sind mich noch nicht los“, droht Sanders. „Sollten die Behörden irgendwann Deichversackungen zugeben müssen, werde ich sie alle, aber alle verklagen.“

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