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Internationaler Frauentag: Die UnsichtbarenJetzt ist auch mal gut

Knapp zwei Jahre hat die 26-jährige Katja Hohrath Praktika gemacht. Nun ist sie der Rolle entwachsen.

Hat lernen müssen, aus der bittenden Mäuschenstellung herauszutreten und über ihre eigenen Grenzen zu gehen: Katja Hohrath, 26 Jahre alt. Bild: Katharina Gipp

Ich bin 26, studiere Kulturwissenschaften an der Uni Lüneburg und habe in meinem Leben bereits ein Jahr und neun Monate als Praktikantin gearbeitet.

Zu Beginn meines Bachelorstudiums der Kommunikationswissenschaften und Soziologie in Münster wollte ich noch Journalistin werden, am besten Chefredakteurin von MTV. Ich habe aber gemerkt, dass ich mir zwar gerne Dinge ausdenke und Ideen entwickele, mir aber das journalistische Schreiben nicht liegt.

Mein erstes Praktikum habe ich im PR-Bereich bei der Hamburg Port Authority gemacht. Ich war noch ziemlich unerfahren, hatte vorher keinen ernsthaften Nebenjob. Von der Situation im Betrieb war ich geflasht: Die Business-Atmosphäre, die Kleidung, das pompöse Gebäude in der Speicherstadt. Zwar hatte ich schnell einen Aufgabenbereich, habe aber nicht mehr eingefordert. Ich habe mich eher in die zuhörende, bittende Mäuschenstellung begeben.

Nach meinem Bachelorstudium kam eine Phase des Ausprobierens. Mit meinen knapp 23 Jahren hatte ich das Gefühl, noch nicht so viel erlebt zu haben. So habe ich für ein Jahr Praktika gemacht – im Thalia Theater, bei der Zoom Medienfabrik in Berlin und bei dem Onlinespiele-Entwickler Innogames. Gerade der PR-Bereich ist ja sehr umkämpft, daher wollte ich sichergehen, dass es das Richtige für mich ist.

Bei meinem Praktikum in Berlin waren die Umstände ganz andere. Meine Vorgesetzte ist krank geworden und ich musste viel abfedern, war für Projekte verantwortlich. Beim Thalia Theater gab es dann wieder einen festgefügten Aufgabenbereich. Die brauchen Praktikanten, sonst bleiben bestimmte Tätigkeiten liegen. Beweisen konnte ich mich kaum.

Innogames war dann ein ganz neues Feld für mich. Ich musste mich ausgiebig einarbeiten, aber habe mich durchgebissen. Ich fühlte mich sehr ernst genommen, habe nach Ablauf meines Praktikums ein Volontariat angeboten bekommen. Ich habe lange darüber nachgedacht. Ich habe mich dann aber doch dazu entschlossen, weiter zu studieren, aber das Jahr hat mir gezeigt, in welchem Bereich ich später ankommen möchte: in der strategischen und digitalen Kommunikation.

Mittlerweile habe ich mein Masterstudium fast abgeschlossen und ein weiteres sechsmonatiges Praktikum in der Kommunikationsagentur Fischer Appelt absolviert. Ich wollte nochmal für eine richtig große Agentur arbeiten. Jetzt schreibe ich mit deren Unterstützung meine Abschlussarbeit über die strategische Konzeption.

Zu Beginn meiner Praktikantinnen-Laufbahn musste ich auch klassische Assistenzaufgaben erfüllen, bei denen ich mich gefragt habe: „Was soll das? Ich habe doch studiert!“ Das hat aber selten überhandgenommen und war meistens aus dem täglichen Stress begründet.

Mit zunehmender Praxis habe ich gelernt, meine Vorgesetzten auch mal zu hinterfragen. Und als Praktikant ist jeder dein Vorgesetzter. Ich habe ein Gespür dafür entwickelt, wie ich mich verhalte: frech ja, aber nicht unhöflich; höflich ja, aber nicht unterwürfig. Um in Erinnerung zu bleiben, braucht es eine persönliche Ebene aber auch Einsatz. Ich sehe mich als Teil des Teams. Ich stehe für ein Projekt ein, übernehme Verantwortung. Wenn das bedeutet, dass ich eine Überstunde mache, dann ist das so.

Wenn ein Projekt erfolgreich war, bekomme ich zwar intern Lob, aber der Kunde wird von meinem Anteil an der Arbeit nichts erfahren. Egal wie viele Menschen mitgearbeitet haben, steht am Ende auf der Präsentation meistens der Name des Seniors. Man kann sicherlich sagen „Ich hab das auch gemacht, nimm mich wahr!“, aber dafür trägt der Senior die alleinige Verantwortung, wenn die Präsentation mal nicht ganz so gut beim Kunden ankommt. In so einer Position sehe ich mich im Moment noch nicht. Aber man kann in alles hineinwachsen. In meinem ersten Praktikum war ich eher das Mäuschen. Ich bin immer in meiner Comfort Zone geblieben. Mit jeder Praxiserfahrung habe ich mehr über meine Grenzen erfahren und gelernt, wie weit ich darüber hinausgehen kann.

Für mich war Fischer Appelt etwas unheimlich Großes. Mich dort zu bewerben, war ein Sprung über meine Grenze. Am Ende des Tages war es ein richtig gutes Unternehmen, aber auch ein Unternehmen. In einigen Bereichen kannte ich mich etwa so gut aus wie ein Kollege und konnte ihm auf Augenhöhe begegnen. Das ist der Moment, an dem man aufhören muss, Praktikant zu sein. Ich fühle mich der Rolle entwachsen. Ein Praktikant soll Einblicke erhalten, Erfahrungen sammeln. Ich habe verdammt viele Erfahrungen gesammelt. Jetzt ist auch mal gut.

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5 Kommentare

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  • P
    Peter

    Detlev: Nicht jeder Bachelor befähigt halt zu jedem Beruf, das ist ja kein Allheilmittel. Und Soziologie und Kulturwissenschaften befähigen in erster Linie zur Arbeit an den Hochschulen, nicht zur Arbeit in der freien Wirtschaft, wo ganz andere Fähigkeiten nötig sind als an der Uni als Wissenschaftlicher Mitarbeiter.

     

    Deshalb brauchen Leute mit diesen Fächern eben dann noch mal eine "Ausbildung" während sie arbeiten und die meisten Unternehmen tun sich schwer damit, sie direkt nach der Uni anzustellen, weil man sie eben für ein bis zwei Jahre nicht wirklich einsetzen kann, sondern eher noch Zeit anderer Mitarbeiter opfern muss, um sie fit zu machen.

  • D
    Detlev

    @Peter / Brennessel

    Der Bachelor soll eine abgeschlossene Berufsausbildung sein. Das habe ich nicht erfunden, erträumt oder finde das irgendwie richtig oder gut. Das war ein zentrales Element des Bologna-Prozesses. Wenn die Absolventin aber zusätzlich noch zwei Jahre Praktika machen muss, um einen unteren Einstieg in die Arbeitswelt der PR zu schaffen, dann stellt sich tatsächlich die Frage, warum man/frau studieren sollte?

     

    Oder es stellt sich die Frage, ob der Bachelor wirklich eine abgeschlossene Berufsausbildung ist oder nicht ein PR-Trick von Politikern, die einfach die Zahl der Absolventen verringern wollten, in dem Sie bis zum Diplom/Magister/Master eine Hürde einbauen wollten?

     

    Klar dürfte auch sein, dass die zwei Jahre aufs Konto der Eltern schlagen und die Absolventin sich das nur leisten kann, wenn ihre Eltern ihr dies finanzieren, also im Prinzip eine gewisse Ausbeutung durch diese Praktikumsbetriebe zulassen. OK, manchmal gibt's auch 400 EURO, aber in einer anderen Stadt für drei Monate zu leben, gibt's nicht für umsonst.

  • P
    Peter

    Naja, Detlev, ein Bachelor in Soziologie ist nicht auf Arbeitsfähigkeit ausgelegt, ebensowenig wie Kulturwissenschaften. Dass man dann ein paar Praktika braucht, um "on the job" ausgebildet zu werden überrascht nicht.

    Wäre sicher eine prima Idee, vor dem Studium mal zwei, drei Jahre zu arbeiten, damit man nicht mit einem "worauf habe ich denn heute Lust?"-Gefühl die Studienwahl angeht wenn man gerade von der Schule kommt und keine Ahnung von gar nichts hat.

  • B
    Brennessel

    Der Bachelor stellt doch ehrlich gesagt nix dar. Und die meist Anfang-Zwanzig-Jährigen Absolventen haben im Leben einfach zu wenig Erfahrungen gemacht um ernst genommen zu werden. Ist halt so und rumheulen bringt da auch nix. Wer als kompetent erscheinen will braucht etwas ganz Wichtiges: KOMPETENZ

    Am besten ne Ausbildung machen und dann ein Aufbaustudium, dann hat man zumindest Ahnung von der Berufsrealität.

  • D
    Detlev

    Wenn ich mich daran erinnere, dass ein Bachelor eine abgeschlossene Berufsausbildung darstellen soll, dass die Bachelor-Absolventen in der Lage sein sollen, eine Arbeit aufzunehmen, dann finde ich diesen Bericht ganz schön depressiv und defaitistisch. Wozu soll eine junge Frau denn studieren, wenn sie praktisch zwei Jahre durch Praktika tingeln muss, um überhaupt eine untere (Arbeits)Marktreife zu erreichen, denn das Happy-End fehlt in diesem Text ja auch - die echte Arbeitsstelle.