"Bet- und Lehrhaus" auf dem Petriplatz: Zartes Pflänzchen Dialog

Auf dem ehemaligen Petriplatz in Mitte soll ein Gebäude für drei Religionen entstehen. Architektonisch überzeugt der Entwurf, inhaltlich gibt es noch viel Gesprächsbedarf.

Sandfarben und ein wenig amorph: Modell des Bet- und Lehrhauses, von der Gertraudenstraße aus gesehen. Bild: Michel Koczy

"Das spielt heute keine Rolle. Nächste Frage." Die Moderatorin, eine hagere ältere Dame im olivgrünen Cordanzug schneidet dem Gast mit dem wirren Haar unerbittlich das Wort ab. Der kommt ihr schon die ganze Zeit in die Quere mit seinen Fragen, und jetzt wollte er wissen, warum denn auf dem an die Wand geworfenen Grundriss die Schwimmhalle auf der Fischerinsel nicht zu sehen sei. Ob die abgerissen werde. Oder was.

In der Tat geht es am Dienstagabend im "Club Spittelkolonnaden" an der Leipziger Straße um etwas völlig anderes. Eingeladen zu der Informationsverantaltung sind Vertreter des interreligiösen Vereins, der ein paar Ecken weiter auf dem historischen Petriplatz ein "Bet- und Lehrhaus" für Christen, Juden und Muslime errichten will. Im Publikum, dessen Durchschnittsalter gegen 60 geht, sitzen Befürworter des Projekts - mutmaßlich Mitglieder der Gemeinde St. Petri-St. Marien - und Berufsskeptiker, die das ambitionierte Vorhaben mit kritischen Fragen bombardieren: Was ist mit den Parkplätzen? Hat die Kirche nicht schon genügend Gebäude? Wird die Leipziger Straße mit Betonpollern abgesperrt, weil das "Bethaus" auch eine Synagoge beherbergt?

Das alles können auch die Vereinsrepräsentanten und Architekt Wilfried Kühn nicht abschließend beantworten. Tatsächlich tauchte das Drei-Religionen-Haus im bisherigen Bebauungsplanverfahren gar nicht auf - auf Wunsch des Senats, wie Roland Stolte von der Kirchengemeinde gleich zu Beginn klarstellt. Die Stadtentwicklungsverwaltung habe das Verfahren wegen des benachbarten "Archäologischen Besucherzentrums" auf dem Petriplatz beschleunigen wollen und darum empfohlen, den Bebauungsplan zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufzuknüpfen. "Und wo bleibt da die Transparenz?", poltert einer aus der Anti-Fraktion im Publikum.

Transparenz ist auch nicht unbedingt ein Stichwort, das den Entwurf des Architektenbüros Kühn Malvezzi beschreibt. Auf den existierenden Grundmauern der letzten Petrikirche, deren Kriegsruine Anfang der 60er Jahre abgerissen wurde, soll ein auf den ersten Blick eher amorphes Bauwerk mit sandfarbener Ziegelfassade entstehen: ein zentraler Turm (eigentlich mehr ein Quader, der im Inneren einen Kuppelsaal birgt) und drei Anhängsel für die Räume der Religionsgemeinschaften, alle ohne Fenster im klassischen Sinne, dafür mit diversen Schlitzen und Perforationen. Auf den Entwürfen wirkt das Gebäude wie eine Mischung aus toskanischem Geschlechterturm und World Trade Center - nicht unsympathisch angesichts der barocken Rekonstruktionswut à la Stadtschloss.

Für den Fall, dass das spendenfinanzierte Gebäude tatsächlich einmal stehen sollte, bleibt die Frage nach der theologischen Stabilität des Konstrukts. Auch diesbezüglich bleiben am Dienstag die meisten Fragen offen. Zwar preist Kadir Sanci, Vertreter der muslimischen Seite im Bethaus-Verein die Vorzüge eines für alle zugänglichen Moscheeraums, in dem auf Deutsch gepredigt wird, und er beteuert, man spreche, rein theologisch, 87 Prozent der Muslime an. Damit meint er offenbar den weltweiten Anteil der Schulen des Islams, die hier gebetsmäßig irgendwie kompatibel sind. Dass die Gruppierung, die er vertritt, zur umstrittenen konservativen Gülen-Bewegung gehört, sagt er nicht. Aber Roland Stolte vergisst nicht zu erwähnen, dass Moschee- und Synagogenraum es rein baulich erlauben, geschlechtergetrennte Zeremonien abzuhalten.

Von einem "Wagnis", einem "Projekt mit offenem Ausgang", mit dem man das "zarte Pflänzchen des Dialogs" düngen wolle, spricht Stolte. Welche Vorstellung die jüdischen Vetreter im Verein vom Dialog haben, bleibt offen, denn von ihnen ist niemand erschienen - witterungsbedingt, wie heißt es.

"Und was passiert, wenn es mit dem Dialog nicht klappt?", ruft einer aus der Querulantenfraktion, "was wird dann aus dem Gebäude?" Lachen im Publikum, "Richtig!"ruft jemand. Offenbar gibt es auch bei den Anwohnern noch genügend Dialogbedarf.

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