WAHRE SCHREIBTISCHE. HEUTE: FRITZ ECKENGA – ODER FEINE RETTUNGSREIME MIT LEICHTER VIBRATION IM TIMBRE. LIEGT’S AM MIKRO-GALGEN?

Jeder Koch hat seine Mise en place, seine eigene Art, in der Küche den persönlichen Arbeitsplatz einzurichten mit Gewürzen und Kochgeräten und allerlei Dingen, die zum Gelingen eines Gerichts notwendig sind. Auch Autoren und Schriftsteller inszenieren ihre Schreibtische nach sehr eigenen Vorstellungen. Die Wahrheit hat sich an den Arbeitsplätzen ihrer Köche umgesehen.

Zur Stimme aus dem Radio gehört immer ein Mensch, der gemütlich im Studio sitzt – mit Dämmplatten an der Wand und Glasscheibe zur Technik. Wer das glaubt, kennt Fritz Eckenga nicht. Der Wahrheit-Dichter und Kabarettist macht es sich noch viel gemütlicher und produziert (1) seine Rundfunkbeiträge einfach daheim, im blickdichten Teil der Stadt Dortmund. Kalter alter Kaffee und Gauloises (2) – nur der übliche Treibstoff vermag die Geister zu wecken. Die Zeit vorsintflutlicher Tonbandgeräte scheint endgültig passé, hier wird das Audio-Programm geladen. Die Wellenlinie auf dem Monitor (3) – das ist Eckengas Stimme, und wer genau hinguckt, erkennt heute eine leichte Vibration im Timbre. Hängt das Mikro (4) nicht richtig am Galgen? Ist es noch nicht nah genug? Nein, es ist die gemorphte Kanzlerin (5).

Eingerahmt steht Angela Merkel auf einem Ehrenplatz, dem supermodernen „Ultra-Voice-Pro“ (6) – einem Voice-Processor, der aus dem Knödelbarden Grönemeyer einen Pavarotti machen kann und aus Eckenga einen Super-Eckenga. Gleich daneben: der superrattenscharfe „Edirol Audio-Capture UA 5“ (7). Das klingt wie ein Reinigungsmittel aus der Vorkriegszeit, ist aber ein Analog-Digital-Wandler für Leute von heute. Wie der Name schon sagt, wandelt dieses Wundergerät analoge Töne in digitale und zurück – und wird dringend benötigt, um ständige Verbindung mit dem Merkel-Lookalike über Standleitung zu halten. Am Pickbrett und daneben an der Wand hängen diverse Fotos von Eckengas beiden Lebensmusen (8) und die bei Menschen dieser Kategorie stets üblichen Backstage-Pässe.

Noch weiter rechts hängt der obligatorische, gelb-schwarze BVB-Schal (9) für die Westtribüne des Westfalenstadions. Er hat schon Champions-League-Siege gesehen, der entsprechende Pokal (10) wird gehütet wie ein Heiligtum. Daneben liegt die rote Hausbibel (11) mit F. W. Bernsteins gesammelten Gedichten. Und rein zufällig liegt dort auch Fritz Eckengas neues Gedicht-Bändchen (12). Nach dem Willen des bescheidenen Dichters soll es hier gänzlich unerwähnt bleiben, deshalb nennen wir es einfach „Jahreshauptversammlung meiner Ich-AG“. Es enthält feine, an diesem Platz entstandene Rettungsreime. Hat er dafür ein neues Gedichtverarbeitungsprogramm benutzt? DIETER GRÖNLING