Der Weg geht nach Westen: Sprungbrett Radio Bremen
Bei der kleinsten ARD-Anstalt hat Intendant Jan Metzger die Mitarbeiter trotz Sparkurs bei Laune gehalten: Jetzt bewirbt er sich um dieselbe Rolle beim WDR.
BREMEN taz | Intendant Jan Metzger will Radio Bremen verlassen. Dass „die Findungskommission des WDR-Rundfunkrates“ ihn „eingeladen“ habe, „für das Amt des WDR-Intendanten zu kandidieren“, ließ der 57-Jährige die Belegschaft Montagabend per E-Mail wissen. Und Ruth Hieronymi (CDU), Vorsitzende des WDR-Rundfunkrates, bestätigte gestern, dass auf der Dreierliste, aus der am 29. Mai in Köln der Nachfolger der abgedankten Monika Piel gewählt wird, auch der Name Jan Metzger steht – neben dem von Tagesthemen-Sprecher Tom Buhrow und Kurt Biedenkopfs (CDU) Schwiegersohn Stefan Kürten, der bei der Europäischen Rundfunkunion (EBU) Sport- und Strategie-Direktor ist.
Die absehbare Unruhe einzufangen, die seine Abwanderungspläne im Funkhaus an der Weser auslösten, ist Metzger mit der Hausmitteilung allenfalls halb gelungen: Schon für den Posten vorgeschlagen zu werden, sei „eine Auszeichnung“, schwärmt er, und „ein bisschen ja vielleicht auch für Radio Bremen“.
Er sei dort zwar total „glücklich und zufrieden“, aber es gebe „Angebote, die man nicht einfach ablehnen kann“. Wobei „man“ vielleicht doch eher das „Ich“ meinte. Thomas Kleist, Chef des Saarländischen Rundfunks, hatte ja erst am Samstag darauf verzichtet, Godfather von Köln zu werden. „Wichtige Hausaufgaben liegen noch vor uns“, begründete er seine Absage. „In einer solchen Situation darf man nicht einfach die Pferde wechseln.“ Das sieht Metzger anders.
Zwar amtiert er zwei Jahre länger als Kleist. Doch die Situation in Bremen ist nicht besser, als die in Saarbrücken. Wichtige Hausaufgaben – bei der kleinsten ARD-Anstalt türmen sie sich geradezu. Die 87 Millionen Euro Jahresetat – mit 1,38 Milliarden darf ein WDR-Intendant haushalten – reichen hinten und vorn nicht.
Gerade erst haben sowohl der Landesrechnungshof als auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) unabhängig voneinander bestätigt, dass Radio Bremen rechtswidrig unterfinanziert ist. Selbst das laufende Geschäft läuft nur dank eines Überziehungskredits in Höhe von 6,5 Millionen. Und trotz unzähliger ähnlicher dubioser Tricks prognostizieren die Haushaltsprüfer, dass der Sender „auf Basis der bestehenden Planungen im Geschäftsjahr 2014 zahlungsunfähig“ wird. Sprich: Er braucht Hilfe.
Die zu organisieren ist Chefsache. Und entsprechend lobt die Bremer Rundfunkratsvorsitzende Eva Maria Lemke-Schulte de Abwanderungswilligen als „herausragenden Intendanten“ vor allem wegen seines „Durchhaltevermögens“ und der „Art, wie er mit den anderen ARD-Anstalten verhandelt“.
Umso unpassender, dass deren Chefs nun über die Neuordnung des internen Finanzausgleichs beraten. „Problematisch“ nennt das RB-Personalratsvorsitzende Gaby Schuylenburg. „Wir befinden uns in der entscheidenden Phase für die Zukunft des Senders.“
Andere sind deutlicher: „Da ohne Führung dazustehen, das wäre Horror“, heißt es im Funkhaus. Es herrscht gut begründete Existenzangst, und einige empfinden als blanken Hohn, dass Metzger die Untergebenen in seiner E-Mail noch dazu auffordert, ihm bitte schön die Daumen zu drücken. Bei allem Verständnis für persönlichen Ehrgeiz fühlen sich viele im Funkhaus etwas missbraucht – als Sprungbrett für die Karriere des Sohns vom ehemaligen Darmstädter Oberbürgermeister Günther Metzger (SPD).
Im Programm hat er keine deutliche Spur hinterlassen: Nach der forschen Ankündigung bei Dienstantritt, „intelligente Ideen entwickeln“ zu wollen, um „der ARD zu zeigen: Wir sind wichtig für die Gemeinschaft“, wurde das Profil im Radiobereich weiter gekürzt, im TV-Segment nicht mal die Tatort-Kommissarin erneuert, und dass RB die „tagesWEBschau“ produziert, hat fast keiner bemerkt.
Am 31. Mai wird das erfolglose Format letztmals produziert. Bleibt also das nicht kleine, aber recht selbstreferentielle Kunststück, dass Metzger den Sender trotz eines binnen fünf Jahren um 30 Prozent abgeschmolzenen Etats am Leben und die Belegschaft bei Laune halten konnte.
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