Aus der Vogelperspektive: Der Schönwetterblick
Nach „Die Nordsee von oben“ kommt mit „Die Ostsee von oben“ ein weiterer Film in die Kinos, der nur aus Luftaufnahmen besteht.
Mit Filmen, die ausschließlich aus Luftaufnahmen bestehen, ist in Deutschland gerade die Wiedergeburt eines Subgenres des Dokumentarfilms zu beobachten. Das ist erstaunlich, weil die Filmtechnik, um die es dabei geht, in den Zeiten von Google Earth eher anachronistisch wirkt. Heute sind Luftaufnahmen von jedem Flecken der Erde allgegenwärtig.
Überraschend ist der Erfolg der „Von-Oben“-Filme auch, weil sie keine exklusiv gedrehten Bilder verwenden. Silke Schranz und Christian Wüstenberg sind nicht im ursprünglichen Sinne des Wortes die Regisseure ihrer Filme. Außer einigen am Computer animierten Landkarten, die die jeweilige Reiseroute anzeigen, stammen die Bilder von „Die Nordsee von oben“ und ihrer Fortsetzung aus dem Fundus von Luftaufnahmen, die die Firma Vidicom meist im Rahmen von Auftragsarbeiten von Fernsehsendern gemacht hat.
Die Kameramänner Peter Bardehle und Klaus Stuhl arbeiteten dabei mit einer speziell entwickelten Kamera, mit der aus großen Entfernungen erstaunlich gute Aufnahmen möglich sind. Christian Wüstenberg sagt dazu: „Die Technik haben wir dem amerikanischen Geheimdienst CIA zu verdanken. Die wollten aus großer Höhe Bilder von bösen Buben machen und dabei noch die Augenfarbe erkennen und das Nummernschild entziffern.“ Da die Kamera kreiselgelagert unter dem Hubschrauber montiert ist, kann sie jede Ruck- und Schüttelbewegung ausgleichen. So wirken ihre Bilder, als seien sie aus einer scheinbar ruhenden Perspektive oder mit sanft fließenden Schwenks und Zooms aufgenommen.
Vor zwei Jahren hatte „Die Nordsee von oben“ einen erstaunlichen Erfolg in den eher kleinen Kinos Norddeutschlands. Im Bremer Cinema etwa lief der Film monatelang in Sonderaufführungen. Insgesamt sahen ihn 214.000 Zuschauer. Zudem dürfte die DVD sich in den Touristenorten sehr gut verkaufen – sowohl bei den Einheimischen wie bei den Gästen.
Inzwischen gibt es schon zwei Filme, die nach dem gleichen Rezept produziert wurden: „Deutschland von oben“, den Petra Höfer und Freddie Röckenhaus aus den Aufnahmen des Kameramanns Peter Thompson für die Fernsehserie Terra X montierten und „Die Elbe von oben“, bei dem Marcus Fischötter ebenfalls mit der Firma Vidicom und dem Kameramann Klaus Stuhl zusammenarbeitete. Hier wurde die Methode etwas modifiziert, denn es gab mit Michael Dreyer auch einen Kameramann auf der Erde, dessen Bilder mit Zooms aus der Luft kombiniert wurden.
All diesen Filmen ist der Schönwetterblick auf das Land gemein, und ihr Erfolg zeugt davon, wie groß das Bedürfnis nach Bildern aus einer Perspektive ist, von der Reinhard Mey einst sang, sie ließe alle Ängste und Sorgen nichtig und klein erscheinen.
Außerdem sehen die Menschen immer gerne das, was sie kennen, aus einem neuen Blickwinkel. In „Die Ostsee von oben“ wird dieser Reiz sogar einmal direkt im Kommentar angesprochen: Als die Kamera direkt über die kleinste Stadt Deutschlands, das holsteinische Arnis fliegt, sagt der Sprecher: „Und jeder Arniser kann jetzt sein Haus von oben sehen!“
Wie im ersten Film erzählt wieder Christian Wüstenberg mit einem sympathischen norddeutschen Plauderton im Stil eines Reiseleiters von Meer, Land und Leuten und kaschiert so die Tatsache, dass solch ein ständiger Blick von oben bei aller Schönheit auf die Dauer auch ein wenig monoton wirken kann. Da verzeiht man dann auch einige merkwürdige Sätze wie „Die Natur kann sich mit den allerbesten Designern messen.“ Und man verzeiht die banale Musikuntermalung, die eher zu Fahrstuhlfahrten passen würde.
Geschickter ist dagegen das Sounddesign mit seinen dezent untermischten Natur-, Wasser- und Stadtgeräuschen angelegt. Unbewusst bekommt der Zuschauer dadurch ein Gefühl für die Räume, vor allem aber ein wenig Bodenhaftung.
Die Reise geht von Flensburg nach Usedom und natürlich fehlt dabei keine der bekannten Postkartenansichten. Oft und gerne wird die norddeutsche Backsteingotik gefeiert und das Land ist bevölkert von Touristen, Segelfliegern und Windsurfern. Aber aus der Luft kann man auch sehen, dass die Walfischinsel und der Kieler Ort nach ihrem Umriss benannt wurden und es gibt ein paar Aufnahmen, die wie impressionistische Gemälde aus Wasser, Sand und Licht wirken.
Kinostart: 23. Mai Vorpremieren mit Silke Schranz und Christian Wüstenberg: 21. 5, 20 Uhr, Schwerin, Capitol; 22. 5., 16 und 19 Uhr, Harsefeld, Kino-Hotel Meyer; 23. 5., 19.30 Uhr, Cuxhaven, Bali-Kino; 24. 5., 17 und 19 Uhr, Bremen, Cinema; 25. 5., 15 und 20 Uhr, Oldenburg, Casablanca
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