Denksport: Spiel der unendlichen Möglichkeiten

In Kreuzberg werden am Wochenende die Werner-Ott-Open im Schach ausgetragen. Zwei Großmeister nehmen genauso am Turnier teil wie normalsterbliche Spieler.

Symbolbild : DPA

In einem großen, hellen Raum stehen dunkle Holztische, zehn Schachbretter sind nebst Schachuhren akkurat darauf aufgebaut. Pokale glänzen in Gold und Silber, in einem Regal wird gerade eine Clubbibliothek eingerichtet. Brigitte Große-Honebrink zeigt auf die Bücherreihen. „Etwa die Hälfte der Bücher beschäftigt sich allein mit der Eröffnung der Partie“, sagt sie sichtlich fasziniert.

Mit der Eröffnung steht und fällt schließlich alles bei einer Schachpartie. „Die geistige Herausforderung reizt mich an diesem Sport“, sagt Große-Honebrink: „Man muss immer wieder aufs Neue kreative Lösungen finden.“

Bei den Werner-Ott-Open, die vom heutigen Samstag an beim Schachclub (SC) Kreuzberg im Haus des Sports nahe dem Kottbusser Tor stattfinden, wollen insgesamt 105 Teilnehmer aus Berlin und Umgebung kreative Lösungen finden. Mit Robert Rabiega (SK König Tegel) und dem für den SC Kreuzberg spielenden Sergey Kalinitschew sind zwei absolute Cracks – die man beim Schach Großmeister nennt – dabei. Die Kriterien, die erfüllt sein müssen, um als internationaler Spitzenspieler den Titel „Großmeister“ zu erwerben, sind in etwa so komplex wie das Schachspiel selbst. Es nehmen aber auch normalsterbliche Schachbegeisterte am Turnier teil.

„Werner Ott war die gute Seele unseres Schachvereins“, erklärt Große-Honebrink, die Vorsitzende des Veranstalters SC Kreuzberg ist, den Turniernamen. Nach dem Tod Otts vor zwei Jahren habe man das jährliche Sommerturnier nach dem ehemaligen Mitspieler und Vorsitzenden des Clubs benannt.

Den SC Kreuzberg gibt es seit mittlerweile 64 Jahren – „eine besondere Zahl“, wie Große-Honebrink sagt, weil so viele Felder auch das Schachbrett hat. Seit Anfang 2012 residiert der Verein in neuen Räumen im Haus des Sports und ist mit seinen 173 Mitgliedern der größte Schachverein Berlins und einer der größten in Deutschland.

Dabei bleibt Schach dennoch der ein wenig vergessene und randständige Sport, obwohl er eine große Community von etwa 100.000 aktiven Spielern in Deutschland hat und die Verbindung von Strategie und Vorstellungsvermögen attraktiv erscheint. „Es kommt schon noch vor, dass man im Sportverband schräg angeguckt wird, wenn man vom Schachverband kommt“, sagt Carsten Schmidt, Präsident des Berliner Schachverbands. „Aber in Berlin haben wir dank guten Netzwerkens nicht so eine Randstellung im Landessportbund, wie es vielleicht auf nationaler Ebene der Fall ist.“

Auch Große-Honebrink sagt, sie könne die Frage, ob Schach überhaupt Sport seit, „einfach abschmettern“. „Wir haben Wettkämpfe, wir haben Training, wir haben Weltmeisterschaften, bei uns werden bereits Kinder trainiert.“ Sie findet es wichtig und richtig, dass Schach als Sportart gilt und entsprechend auch mit Fördergeldern – etwa zur Nachwuchsarbeit – bedacht wird.

Denn es sei wichtig, dass man auch Kindern die Gelegenheit gibt, Schach zu entdecken: „Es gibt mittlerweile Grundschulen, die Mathe zeitweise durch Schach ersetzen.“ An der Käthe-Kollwitz-Oberschule in Prenzlauer Berg sei Schach gar zum regulären Fach geworden. Jüngst haben die 16- und 17-jährigen Schüler von dort bei den Deutschen Schulschach-Meisterschaften den Titel geholt. Unterrichtet werden sie von jenem Großmeister Rabiega, der auch am Turnier teilnimmt.

Schach sei aber mitnichten nur die konzentrierte und abgeklärte Angelegenheit, erklärt Große-Honebrink: „Gerade an den Wochenenden ist das bei uns ein munteres Treiben. Manchmal grölen die Leute auch rum, wenn sie gewonnen haben.“

Die 55-jährige Kreuzbergerin kam selbst Anfang der 80er Jahre über ihren Freund zum Schach, ist seit 30 Jahren Mitglied im SC Kreuzberg und war zweimal Berliner Meisterin. Für sie hat der Sport fast Suchtpotenzial: „Die Versenkung in das Spiel ist unvergleichlich“, erklärt sie. „Eine Partie dauert in der Regel etwa fünf Stunden, und man vergisst völlig das Drumherum.“

Und dann interessiere sie natürlich auch das „geistige Kräftemessen“, wie sie es nennt, und der Variantenreichtum, den ein Schachspiel in all seinen Phasen – Eröffnung, Mittelspiel, Endspiel – bieten kann. Eine 47-stellige Ziffer nennt die Zahl der möglichen Stellungen. Schach ist das Spiel der unendlichen Möglichkeiten.

Die Werner-Ott-Open finden vom 6. bis 14. Juli im Haus des Sports, Böcklerstr. 1 in Kreuzberg statt. Zuschauer sind willkommen.

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