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Denkmal in BremenMops mit Fragezeichen

Radio Bremen errichtet vor seinem Funkhaus ein Loriot-Denkmal – trotz Finanznot und trotz der Tatsache, dass der Loriot-Platz zwei Kilometer entfernt liegt.

Das Gipsmodell des Denkmals: Künstler Herbert Rauer bestand darauf, nicht nur das Sofa, sondern auch einen Mops zu fertigen - Loriot hätt's gefreut. Bild: Monke

Am 12. November wäre Vicco von Bülow 90 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass wird das Deutsche Rote Kreuz (DRK) drei Weine für den guten Zweck anbieten, die bisher nur in dem legendären Loriot-Sketch „Vertreterbesuch“ existieren: Klöbener Krötenpfuhl, Hupfheimer Jungferngärtchen und Oberföhringer Vogelspinne.

Gleichzeitig setzt Radio Bremen seinem einstigen Star ein Denkmal. Vor dem Haupteingang des Funkhauses, wo Loriot seine Sendungen und Sketche produzierte, wird eine Bronze-Replik des berühmten Sofas aufgestellt, auf dem von Bülow allein oder gemeinsam mit Evelyn Hamann regelmäßig die Nation zum Lachen brachte. Wenige Meter weiter, im Foyer des Senders, steht, für jedermann sichtbar, das Original-Sofa. Der erst im Juni eingeweihte Loriot-Platz liegt knapp zwei Kilometer entfernt.

Dem Osnabrücker Maler und Bildhauer Monke, der mit bürgerlichem Namen Herbert Rauer heißt, ist egal, was das alles soll mit dem Denkmal. Er freut sich über den Auftrag. Bekommen hat er ihn per Zufall. „Ich lasse meine Keramiken gern bei unterschiedlichen Anbietern brennen, um Preis- und Qualitätsvergleiche zu machen“, sagt er. Und dabei sei er vor etwa einem dreiviertel Jahr in einer Brennerei gelandet, die von den Plänen Radio Bremens wusste. Die habe ihn empfohlen, „und ein Loriot-Denkmal, das ist natürlich eine schöne Sache“, sagt Monke.

Falten modellieren

Der 47-Jährige hat zwei Monate an dem Gips-Modell für die Bronze gearbeitet: „Eigentlich sollte nur das Sofa nachgebildet werden, aber ich wollte unbedingt auch einen Mops machen.“ Das passt nicht nur zur Loriot, der einst sagte „Ein Leben ohne Möpse ist möglich, aber sinnlos“, sondern auch zu Monke. Er liebt das Modellieren von Falten, Körperlichkeit, Organischem – exemplarisch für den gelernten Steinmetz ist seine „Fette Masse“, die er der Osnabrücker Kunsthalle als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt hat. Die Installation besteht aus 14 Keramik-Reliefs, die ineinander verschlungene, adipöse und laut Künstler „degenerierte, dekadente, fette, ringende“ Menschen zeigt.

Monke ist Perfektionist, das sieht man am Stuttgarter Ceresbrunnen, den er 2009 nachgebaut hat, genauso wie an seinen kleineren Skulpturen, die für ihn erst dann fertig sind, bis auch ihr letzter Winkel poliert und geschliffen ist. Für das Loriot-Denkmal hat er sich vorgenommen, jede noch so kleine Falte des Sofas nachzubilden und jedes noch so kleine Detail des kleinen Hundes mit den großen Augen.

Kein fürstliches Honorar

Das ist ihm gelungen und das war viel Arbeit – für die der Künstler nicht gerade fürstlich entlohnt wurde. Über sein Honorar spricht Monke zwar nicht, aber man hört es heraus, wenn er sagt: „Der Spaß stand hier im Vordergrund.“ Und natürlich die Reputation, denn Monke hat vor sechs Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt, nach über 20-jähriger Festanstellung als Steinmetz.

Trotzdem: Für lau arbeitet Rauer nun auch nicht – und die Produktionskosten für die Bronze werden wohl gegen 50.000 Euro gehen. Die Auftraggeber schweigen sich indes weitestgehend aus über die anfallenden Kosten für das Loriot-Denkmal: „Irgendwo im vierstelligen Bereich, schätze ich mal“, sagt Jens Böttger von Radio Bremen – „unter 25.000 kommt man nicht hin“, sagt Rauer.

Dabei könnte sich die kleine Sendeanstalt selbst einen wesentlich kleiner dimensionierten Luxus gar nicht leisten: Bei der Auftragsvergabe für das Denkmal stand der Sender kurz vor der Pleite. Im März hatten sowohl der Landesrechnungshof als auch die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) unabhängig voneinander bestätigt, dass Radio Bremen rechtswidrig unterfinanziert ist. Selbst das laufende Geschäft lief nur dank eines Überziehungskredits in Höhe von 6,5 Millionen Euro. Die Haushaltsprüfer prognostizierten damals, dass der Sender „auf Basis der bestehenden Planungen im Geschäftsjahr 2014 zahlungsunfähig“ werde.

Hilfe kam erst vor wenigen Tagen, durch eine Einigung der ARD, den Finanzausgleich des Senderverbundes neu zu ordnen. Die bislang bis Ende 2014 befristeten Kooperationsleistungen an die kleinen Sender Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk sollen dauerhaft in barer Münze von den anderen Anstalten gewährt werden. Das heißt: Wo die Sendeanstalten derzeit zum Beispiel für Tatort-Produktion zusammenarbeiten, soll künftig Geld statt Sachleistungen fließen – insgesamt sind das jährlich 16,4 Millionen Euro. Außerdem bekommen Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk zusätzliche freiwillige Finanzausgleichsleistungen von je fünf Millionen Euro jährlich für die nächsten beiden Jahre.

Und dann der Standort des Denkmals: Bereits die Suche nach einem geeigneten Ort für den Loriot-Platz mündete in einer Posse, die bundesweit für Kopfschütteln sorgte. Die Beiräte der Bremer Stadtteile Huchting und Osterholz wollten Plätze zu Ehren von Bülows, der Vorsitzende der Bremer Grünen, Hermann Kuhn, schlug die Umbenennung der Bürgermeister-Smidt-Brücke vor, der Beirat Bremen-Mitte wollte einen Parkplatz direkt vorm Funkhaus Radio Bremen umbenennen.

Parkplatz? Geht gar nicht!

Daraufhin schaltete sich Oliver Schmidt vom Bistro Grasshoff ein, in dem Loriot während seiner Bremer Aufenthalte oft Gast war: Ein Parkplatz, das ginge ja wohl gar nicht. Und das sahen auch Loriots Töchter so. Sie sprachen sich für die freie Fläche neben dem Stammlokal ihres Vaters aus, idyllisch an den grünen Wallanlagen gelegen, nicht weit entfernt von Bahnhof, Rathaus und Stadtmusikanten – und dort wurde dann auch endlich im vergangenen Juni der Loriot-Platz eingeweiht.

Es mutet fast schon wie Trotz an, dass Radio Bremen, das natürlich gern direkt vor seiner Türe einen Loriot-Platz gehabt hätte, nun wenigstens ein Denkmal errichtet. „Das hat gar nichts damit zu tun“, widerspricht Jens Böttger, „aber wir wollten dem großen Meister unsere Ehre erweisen, und da Besucher das echte Sofa zwar sehen, aber sich nicht draufsetzen dürfen, dachten wir, dass es doch toll wäre, das Sofa nachzubauen – darauf kann man sich dann gemeinsam mit dem Mops fotografieren lassen.“

Außerdem habe Radio Bremen nach dem Tode von Bülows Mehreinnahmen erzielt, da der Verkauf von Loriot-DVDs deutlich angezogen habe. „Wir geben ja auch sonst Geld für Marketing aus“, sagt Böttger. „Und das ist doch wirklich eine schöne Form von Marketing, oder?“ Der Loriot-Platz an den Wallanlagen sei als Standort für ein Denkmal nicht in Frage gekommen: „Wenn, dann wollen wir das Denkmal natürlich auch vor dem Sender haben.“

Aber: Auch der Platz an den Wallanlagen soll ein Denkmal bekommen – eines Tages. „Es gibt da“, sagt dazu Heiner Stahn, Sprecher der Bremer Kulturbehörde, „eine private Initiative, die Sponsorengelder sammelt.“ Es sei doch schön, sagt er, wenn Bremen irgendwann an zwei unterschiedlichen Plätzen Loriot gedenke.

Monke hat ganz andere Sorgen: Sein Modell ist gerade zum Gießen und Brennen abgeholt worden. „Ich hab’ denen extra noch gesagt, sie sollen mit einem Pritschenwagen kommen – statt dessen rollten die mit einem Sprinter an, wo das Modell kaum reingepasst hat.“ Jetzt hat er Sorge, dass es kaputtgehen könnte, „und ich hoffe, dass das auch so ordentlich gegossen wird, dass man es hinterher noch wiedererkennen kann.“

Eine berechtigte Sorge, denn es wäre schade um die Falten und Runzeln und die winzigen Details, die die Handschrift des Künstlers verraten: „In die Augen des Mopses habe ich als Lichtreflexe jeweils ein Fragezeichen modelliert – es soll ja nicht nur eine Replik sein, sondern auch ein Monke.“

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1 Kommentar

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  • S
    Solez

    Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden, somit ist auch das humoristische Schaffen von Vicco von Bülow, unterschiedlich zu bewerten. Es hat jedoch einen bitteren Beigeschmack, dass in Zeiten "angeblicher Haushaltsnotlage" eine bildungsbürgerliches Spassidol über alles nachvollziehbare Maß nach seinem Tode finanziell bedacht wird.