Ausstellung: Die Schönheit des Scheiterns

Sechs Bremer Museen der Alltagsgeschichte erzählen von gescheiterten Visionen und Legenden – leider haben sie dafür zu wenig Raum bekommen.

Legende: Cosmas und Damian konnten, was bis heute kein Mediziner kann - ein Bein transplantieren. Bild: Dom-Museum

BREMEN taz | Im Scheitern erst gewinnt diese Ausstellung ihren besonderen Reiz. Weil: „Da staunt die Maus: Bremer Visionen und Legenden“ – so ein Titel lässt ja doch erstmal ebenso klassische wie kindgerechte Heldenprosa mit lokalpatriotischem Kolorit erwarten. Genau darauf verzichten die hier versammelten sechs „Bremer Museen für Alltagsgeschichte“ aber. Gut so. Alle beteiligten Institutionen versuchen, mit wenigen Exponaten, kleinen Schauvitrinen die Geschichten „grandioser Irrtümer“ zu erzählen, wie Achim Tischer vom Krankenhaus-Museum sie nennt.

Zum Beispiel jene von Johann Diedrich Weiland, der als Bremer „Kaiserattentäter“ in die Geschichte einging. Als nämlich Wilhelm II. im Jahre 1901 unter lautem Getöse in Bremen einfuhr, wurde des Kaisers Wange von einem Eisenteil leicht verletzt. Weiland, damals ein 20-jähriger Arbeiter, hatte es wohl geworfen – in einem epileptischen Krampfanfall, jedenfalls aber schuldunfähig, wie sich später in einem umfangreichen Gutachten herausstellen sollte. Dennoch haben sie Weiland seinerzeit bis an sein Lebensende 1939 in der Psychiatrie weggesperrt. Sein Widerstand dagegen blieb erfolglos. Schließlich starb er einsam und verzweifelt, am Ende eines „ungelebten Lebens“, wie Tischer sagt.

Ebenfalls aus der Medizin stammt die Geschichte des Dom-Museums, die nur am Rande in Bremen spielt. In ihr geht es um Cosmas und Damian, zwei Arztheiligen, deren Reliquien im Mittelalter im Bremer Dom zunächst verehrt und dann vergessen wurden – bis sie plötzlich wieder zum Vorschein kamen, als eine Wand im Ostchor zusammenbrach. Die Legende sagt den beiden Märtyrern nach, sie hätten das verfaulte Bein eines Weißen erfolgreich durch das eines jüngst verstorbenen „Mohren“ ersetzt. Die Protestanten verkauften die Reliquien übrigens später nach Bayern, wenn auch ohne die Köpfe – der dortige Kurfürst hatte schon Köpfe von Cosmas und Damian.

Auch die im Ausstellungstitel erwähnte Maus kommt übrigens aus dem Dom: Ihr kleines Relief ist dort heute ein Besuchermagnet im Ostchor, manch Stadtführer tut sie als „Scherz“ des Bildhauers ab. Was Quatsch ist: Sie war früher an der Außenseite des Doms angebracht – als Bannzeichen gegen das Böse. Die Maus war seinerzeit genau das. Und noch nicht niedlich.

Später, als man sicher war, dass derlei Symbole nicht gegen hygienische Probleme helfen würden, versuchte „Schieten-Alfes“ in Bremen aus – Pardon! – Scheiße Gold zu machen. Genauer gesagt: Düngebriketts. Zunächst war der 1907 verstorbene Unternehmer Heinrich Alfes dabei auch ganz erfolgreich: Es heißt, er hat es zum Millionär gebracht. Aber von seiner Produktionsstätte in der Neustadt ging ekelhafter Gestank aus, der viele Klagen nach sich zog, die bis hinauf zum Reichsgericht gingen. Schließlich setzte sich doch das Spülklosett durch.

Okay, die wuselige Ringgalerie der Stadtbibliothek ist für all das erstmal kein so idealer Ausstellungsort – die Exponate, all ihre Geschichten, sie hätten viel mehr Platz gebraucht und verdient. Aber natürlich wollen die beteiligten Museen, die sonst alle eher am Rande der öffentlichen Wahrnehmung stehen, mal neue BesucherInnen für sich gewinnen. Also kommen sie dahin, wo eh schon Publikum ist – das nicht extra Eintritt zahlen muss.

Viel gibt es in dieser Ausstellung zu erzählen, auch über das „Tefifon“ aus dem Rundfunkmuseum, ein Schallband, das viel Musik speichern konnte, sich aber am Ende doch nicht gegen die technisch unterlegene Konkurrenz der Schallplatte durchsetzen konnte. Oder über den Neustädter Hafen, der nicht ganz gescheitert ist, aber in den Sechzigern doch acht mal größer hätte werden sollen, als er heute ist.

Gut, dass zumindest aus dieser Vision nichts wurde.

Eröffnung: Dienstag, 1. Oktober, 17 Uhr. Die Ausstellung ist bis 7. Dezember in der Stadtbibliothek zu sehen

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.