Kommentar Niedersachsen-Derby: Fans pfeifen auf Gewalt

Hannover 96 und Eintracht Braunschweig rufen die Fans zu Fair-Play auf. Das ist lobenswert - und wirkt bemüht.

Noch ein PR-Termin, noch ein Bekenntnis, noch mehr Aufmerksamkeit. Die Hauptdarsteller des Fußballspiels zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig, zu denen auch Politik und Polizei zählen, geben sich wirklich große Mühe. Die Kampagne „Gemeinsam Fair“ verdient natürlich Applaus, weil sie daran erinnert, dass die Vorfreude auf das Niedersachsen-Derby nicht der Furcht vor Gewalt weichen darf. Aber der Versuch, mit Botschaften, offenen Briefen und Aufrufen zum Fairplay die Gemüter zu beruhigen, lässt sich auch überstrapazieren.

Da war diese symbolhafte Szene, zu der sich Boris Pistorius überreden ließ. Für ein schönes Bild, um das ein Fernsehsender bat, zog sich Niedersachsens SPD-Innenminister zwei Schweißbänder an. Links eins in den Farben von Hannover 96, rechts das Gegenstück mit Braunschweiger Logo. Wen sollen solche Bilder eigentlich überzeugen? Die normalen Zuschauer, die ohnehin hoffen, dass es ein friedlicher Fußballabend wird? Oder jene Krawallmacher, die für friedfertige Botschaften kaum zu erreichen sind?

Der öffentliche Schulterschluss zwischen zwei Vereinen, deren besondere Rivalität am zwölften Bundesliga-Spieltag gipfelt, ist und bleibt lobenswert. Aber so manche gemeinsame Aktion wirkt schlichtweg gekünstelt. Als Lars Stindl, der Kapitän von Hannover 96, am Dienstag einen offenen Brief seiner Mannschaft vorlas, in dem sich alle Spieler gegen Anfeindungen, Gewalt und Pyro-Technik aussprechen, klang er, als hätte man ihn dazu verpflichtet. Die ersten Reaktionen der Fans im Internet waren eindeutig: Vom Verein vorformuliert, zum Vorlesen hingelegt, mehr Geste als Inhalt – der gut gemeinte Brief bleibt eine mediale Inszenierung.

Über den Erfolg des Derbys wird die Mehrheit im Stadion entscheiden, die vernünftig ist – ganz alleine und frei von Handlungsanweisungen. Bei den vergangenen Heimspielen von Hannover 96 gab es, wann immer der harte Kern der Fankurve zu üblen Schmähgesängen gegen Eintracht Braunschweig ansetzte, ein Pfeifkonzert. Eine solche Form des Protestes, der nicht verordnet ist und der dem gesunden Menschenverstand gehorcht, bleibt die beste Aktion gegen Stumpfsinn und Gewalt. Zu viel Aufmerksamkeit im Vorfeld dagegen kann die Krawallmacher sogar anstacheln, das Stadion als Bühne zu missbrauchen.

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