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Die WahrheitIn der Paybackhölle

Kolumne
von Susanne Fischer

„Haben Sie eine Kundenkarte?“ Ich hasse diese Frage. Warum ich einfach mal so an der Kasse blechen und nicht länger an kapitalistischen Auswüchsen leiden will.

W er, wie ich, strikt und unbelehrbar ungläubig ist, ist offenbar verdammt dazu, die Hölle schon auf Erden zu erleben. Der Kapitalismus soll ja angeblich der Himmel sein, aber nee, warten Sie mal, in den Himmel kommen Sie erst mit der 1.500-Punkte-Option und 375 Euro Zuzahlung.

Egal wo und wie ich irgendwas einkaufe, immer will man mir eine Kundenkarte aufschwatzen, Superpunkte, Creditpoints oder Gute-Laune-Dots berechnen, und „Sammeln Sie Tierbilder?“ ist noch eine der harmloseren Fragen an der Kasse. Als meine Stammapotheke den Besitzer wechselte, wurde mir ein kompliziertes Formular vorgelegt, das mich künftig zu drei Prozent Rabattgewinn auf alle Nicht-Medikamente berechtigte. Die Payback-Abteilung meines Hirns errechnete, dass sich meine Ausgaben für Zahnseide im Monat um sensationelle neun Cent verringern würden.

„Und nicht nur das!“, prahlte die Apothekerin, während sie mir vor lauter Paybackbegeisterung ein falsches Medikament in die Tüte packte, „denselben Betrag spenden wir für notleidende Kinder!“ Da muss man natürlich schon ein menschliches Monster sein, um dieses Angebot auszuschlagen.

Meine geniale Verweigerungsstrategie geht leider auch nicht mehr auf. Sie bestand darin, statt eines Säckchens voller Plastikausweise stets einen mürrischen Gesichtsausdruck mit mir zu führen, auf dem in Kassiererinnendeutsch zu lesen steht: „Fragen Sie mich bloß nicht!“

Seitdem werden mir einfach Gutscheine in die Hand gedrückt. An der Tankstelle gibt es Rabatt auf Elektrogeräte, nein, ich will nicht wissen, warum. Im Supermarkt ist neuerdings schon der Kassenzettel ein Rabattgutschein für mal dieses, mal jenes Produkt. Wenn es etwas ist, was sogar ich kaufen würde, gibt es Rabatt erst ab zwei Packungen, und falls ich doch einmal zwei in meinen Einkaufswagen lade, dann gilt der Rabatt eben erst ab drei.

Die Bahn schickt mir Fahrkartengutscheine, die aber nur für Mitfahrer, nicht freitags, nur für Hinfahrten, nach Voranmeldung, nur innerhalb der nächsten zwei Wochen, bei Sonnenschein und falls die große Koalition was wird, gelten. Wissen diese Leute nicht, was sie anrichten? Wie ich mich immer gräme, wenn ich wieder so ein Ding wegwerfen muss, weil niemand umsonst mitfahren will zur Konferenz „Hermeneutik für Anfänger“ in Klein-Oesingen …

Mein einziges noch aktiv genutztes Payback-Programm war bis vor kurzem das des örtlichen Bahnhofskiosks. Dort gibt es für jeden Kaffee einen Stempel auf ein hübsch altmodisches Papptäfelchen. Allerdings fahre ich nicht immer vom selben Bahnhof aus in die Welt, und so kam es, dass, als ich stolz mein volles Kärtchen vorlegte, um den lang ersehnten Umsonst-Kaffee zu genießen – also ganz die treue Traumkundin jedes Händlers –, der freundliche Mann noch breiter grinste als ich: „Die Karte ist gestern abgelaufen.“ Er drückte keines seiner beiden Augen im feisten Kioskbesitzergesicht zu. Seitdem reise ich mit einer Thermoskanne. Sie tropft, aber ich habe sie für nur 500 Rabattmarken bekommen.

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4 Kommentare

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  • In der Tat gehen mir diese allgegenwärtigen Sammelkarten auf den Keks. Und zwar, weil sie das Bezahlen erheblich verzögern. Es wird gefragt, die Karte hervorgekramt, irgendwas gebucht usw., das kann sich bei 5-6 Leuten in der Schlage schon summieren.

     

    Lohnen tun sich diese Karten so gut wie nie. Die angebotenen Produkte sind oft Ramsch, und wenn nicht, muss man zuzahlen, einen Betrag, der den direkten Internetpreis oft übersteigt.

  • S
    Schreibär

    Mein Standard-Spruch auf die Frage:"Haben Sie eine Kundenkarte?" ist:"Nein Madame, immer nur die Arschkarte."

  • Ich bedaure die Kassenkräfte, die das tausende mal täglich fragen müssen.

  • Gebe der Schreiberin völlig recht. Aber Schuld an den Rabatten sind zwei Dinge: das Marketing und die Kunden. Jedes Unternehmen will, dass Kunden wiederkommen und lockt daher mit Vergünstigungen in Form von Rabattheftchen, Sammelkarten, Klebealben usw. Und die Kunden machen mit, weil es etwas umsonst gibt. Glauben Sie. Natürlich gibt es nichts für umsonst, weil sie 1. für jeden Nachlass bereits im Voraus gezahlt haben, sonst hätte die Firma kein Geld, das es den Kunden gutschreiben könnte, und 2. kauft man eben umso mehr und häufiger in dem Geschäft, wenn man mit Nachlass rechnet.

    Daher ist die beste Strategie, auf Sammelrabatte komplett zu verzichten. Sobald man anfängt zu sammeln, hat man schon verloren. Man gibt viel mehr aus als was man durch die Vergünstigungen einspart.

    Dem Marketing und der Werbung auszuweichen ist nicht ganz einfach, kann man aber lernen und trainieren. Der beste Spruch, um sich gegen Konsumterror zu wehren ist sich zu sagen:

    DAS BRAUCH ICH WIRKLICH NICHT!