Kommentar geschlossene Heime: Kontrolle mit Argusaugen

Senator bringt sich in schwierige Lage

Der geschilderte Überfall auf die junge Frau ist ein Ereignis, das nahe geht und das keiner verharmlosen sollte. Es stellt sich dennoch die Frage, welche Konsequenzen man daraus ziehen soll.

Die kriminelle Tat eines nicht mehr geschlossen untergebrachten Kindes ist der Albtraum all jener Hamburger Politiker, die sich für die Abschaffung dieser Unterbringungsform einsetzen. Der Schutz der Bevölkerung vor potenziellen Tätern ist eine wichtige Aufgabe. Doch es kann nicht die Aufgabe der Jugendhilfe sein, strafunmündige Kinder in Sicherungsverwahrung zu nehmen.

Mit der nun angekündigten Schaffung eines geschlossenen Heims hat sich der Sozialsenator eine schwierige Aufgabe gestellt. Es soll ein ganze neues Konzept sein, mit neuem Personal und am besten einem städtischen Träger. Es soll den „Geist der Jugendhilfe atmen“ und nicht den der Justiz. Es soll nicht in Hamburg liegen, sondern weiter weg. Es soll in der Verantwortung der Hamburger Politik betrieben werden, und doch in der faktischen Zuständigkeit anderer Behörden vor Ort.

Das klingt ein bisschen wie die Suche nach der Eier legenden Wollmilchsau. Wie will man zum Beispiel Kinder und Jugendliche geschlossen in einem Gebäude oder auf einem Gelände halten, ohne Zwangsmittel anzuwenden? Und wenn diese Zwangsmittel angewendet werden – etwa durch die Erlaubnis von speziell zu schulenden Grifftechniken –, stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit und die der Verhinderung des Missbrauchs.

Der Anspruch, Jugendlichen Halt geben zu wollen und sie vor dem Abrutschen zu bewahren, ist gut. Die Frage ist, wie die jungen Menschen wirklich erreicht werden können. Und wie auf diese Weise auch potenzielle Opfer geschützt werden.

Nicht wenige Experten sagen, das Wichtigste sei eine gute Bindung zu festen Bezugspersonen. Keine Erzieher, die wechselnd Schichtdienst haben, sondern Personen, die für die Heranwachsenden verlässlich da sind.

Die Frage, welche Form der Jugendhilfe Hamburg entwickelt, sollte die Politik offen in Expertenrunden klären. Das überfallartig angekündigte Heim ist machtpolitisch mit Unterstützung geneigter Springer-Medien durchsetzbar. Es ist aber nicht gesagt, dass dies die beste Lösung ist. Die Fachwelt nimmt der Sozialsenator zumindest nicht mit. Nach der Vorgeschichte, der wir derzeit beiwohnen, wird dieses Projekt mit Argusaugen beobachtet werden.  KAIJA KUTTER

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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