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ARCHITEKTURDie Häuser der Zukunft

Experimente für das neue Berlin: Die Bauverwaltung will innovative Wohngebäude errichten, wie Resultate eines Architektenwettbewerbs zeigen.

Bau auf! Über Berlin drehen sich wieder alle Kräne. Bild: dpa

Wie neue Wohngebäude heute geplant werden und wie viel sie kosten, bestimmen in Berlin seit rund 20 Jahren private Investoren. Dass sich erschreckend wenige überzeugende Architekturen darunter befinden, liegt besonders daran, dass die Projektentwickler aufs Geld und nicht auf die Qualität schauen. Wohnungsbau an der Spree ist – vom Preis und ein paar Ausnahmen abgesehen – von minderer Güte.

Die Berliner Bauverwaltung und die acht landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften wollen dies nun ändern. „Die Stadt braucht in den kommenden Jahren nicht nur 30.000 neue Wohnungen“, wie Senatsbaudirektorin Regula Lüscher am Montag sagte. Das Comeback des Landes im Bereich des öffentlichen und sozialen Wohnungsbaus müsse besonders von der Frage begleitet werden, wie „innovative und zugleich bezahlbare Wohnformen zukünftig aussehen“ und an welchen Standorten sie entwickelt werden könnten.

Erste Ergebnisse hatte die Senatsbaudirektorin am Montag bereits zu bieten – kein Wunder, hatte sie doch das Thema in der 2013 gekippten „IBA 2020“ schon angestoßen: Nach einem Architektenwettbewerb wurden nun die Resultate der „Ideenkonkurrenz Urban Living“ für neue Formen des Wohnens präsentiert. Insgesamt 31 Entwürfe nationaler und internationaler Architekturbüros liegen nun als mögliche „Prototypen“ und zur Inspiration für den zukünftigen Wohnungsbau in Berlin vor, wie Ephraim Gothe, Staatssekretär in der Bauverwaltung, anmerkte.

Urban Living

"Urban Living" klingt nach Schöner-Wohnen-Hochglanz, war aber eine neue Art von Architektenwettbewerbsverfahren: 200 Büros waren von der Bauverwaltung eingeladen, innovative Formen der Nachverdichtung und des Wohnens zu entwerfen. 31 deutsche und internationale Büros wurden ausgewählt.

Für 8 festgelegte Grundstücke von Berliner Wohnungsbaugesellschaften - darunter an der Karl-Marx-Allee (Mitte), in der Meraner Straße (Schöneberg), Elsastraße (Lichtenberg) oder Langhansstraße (Pankow) - sollten die Bauexperimente entworfen werden.

Ausstellung 6. bis 26. März 2014 im "HO", Holzmarktstraße 66.

Info: www.urbanliving.berlin.de

In der Tat sind unter den 31 Entwürfen einige, die wirklich Neues bei der Nachverdichtung innerstädtischer Baulücken und zwischen den Plattenbauten im Osten zu bieten haben. Wohnhäuser beinhalten nicht nur eine Ansammlung isolierter Wohnräume, sondern sind komplexe Bauten, „welche die Hausgemeinschaft“ stärken durch Gemeinschaftsräume, Treffpunkte, Sportflächen, Gärten und Arbeitsbereiche wie in den „Wohnbügeln“ von Urban Catalyst und Häusern mit fliegenden Gärten von BAR-Architekten. Die IBA 1984 lässt grüßen.

Der typische Berliner Wohnblock mit seinen vielen Höfen einerseits und das Hochhaus als Wohnform andererseits scheinen in Berlin ebenfalls eine Renaissance zu erleben. Während sich der Block auflöst in offene, ja lichte Bestandteile (Büro Bruno-Fioretti-Marquez), lassen die Büros Jan Wiese beziehungsweise Barkow/Leibinger im Treptower Plattenquartier sowie an der Karl-Marx-Allee zur Nachverdichtung der dortigen Kästen spektakuläre Glastower in den Himmel wachsen, der kein „Arbeiterschließfach“ ist.

Herault-Arnod schließlich hat einen ganz neuen Typus von Wohnhaus entworfen, wo in einem Gebäuderiegel voller offener Treppen die Straße und das Dach, Wohnräume und Erschließungsräume, innen und außen, oben und unten durcheinandergehen. Es ist ein Prototyp für einen Bewohner in einem Haus der Überraschungen.

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7 Kommentare

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  • L
    LDeV

    Diskutieren Sie mit auf der Beteiligungsplattform der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt unter https://urbanliving.berlin.de

    Dort können Sie sich auch alle Entwürfe der Architekturbüros anschauen und kommentieren.

  • "Plattenbauten im Osten" werden aus westlicher Sicht stets abwertend, diskriminierend und verächtlich beschrieben. Dabei gibt es Plattenbauten im Westen bzw. diese schnelle Bauweise und Baustruktur ebenso lange wie im Osten. Siehe Siemens-Wohnsiedlung in Berlin-Haselhorst, Märkisches Viertel, Gropiussstadt etc.

  • "„welche die Hausgemeinschaft“ stärken durch Gemeinschaftsräume, Treffpunkte, Sportflächen, Gärten und Arbeitsbereiche" Klingt nach sozialistischer Hausgemeinschaft aus der "DDR". Am Sonnabend werden beim Subotnik die Sportflächen und Gärten gepflegt und das Hausgemeinschaftskollektiv lässt den Tag im Kulturraum ausklingen.

     

    Mal ehrlich, als gelernter DDR-Bürger sind diese "Visionen" dieser Architekten teilweise aus der sozialistischen Mottenkiste und auch teilweise aus der Ideensammlung des Bauhauses. Die haben zum "urban gardening" das entsprechende Trockenklo entwickelt, welches aus den menschlichen Hinterlassenschaften Kompostdünger fabrizieren sollte.

    Es klingt aber auch nach dem Kollektivplan von 1945-1950.

    Nichts Neues von diesen Architekten also.

  • WO
    which ovalH

    Ich hoffe, dass die Architekten die zu dieser "Ideenkonkurrenz Urban Living" eingeladen wurden, sich an den sozialen Realitäten in dieser Stadt orientieren - und nicht am technisch Machbaren. Ich wünsche mir kraftvolle Ideen zum Thema "Wohnen für Alle" und "Sozial verträgliche Stadt". Ich wünsche mir mehr Teilnehmer wie die Franzosen Lacaton & Vassal, für die eine soziale Idee im Vordergrund steht. Angesichts der dramatischen Verhältnisse in Berlin, der täglichen Angst vor der Kündigung, Vertreibung, Verdrängung wünsche ich mir nicht mehr und nicht weniger als eine Revolution. Es geht nach meiner Ansicht nicht um "spannende" Raumkonzepte, es geht um das Statement sich für sozial Schwache einsetzen zu wollen. Warum nicht mal der Ansatz, den sozialen Wohnungsbau zu reanimieren und sich nicht mehr zum Handlanger der Investoren zu machen?

    • L
      LDeV
      @which ovalH:

      Es wäre sehr schön, wenn Sie Ihre Ideen auch direkt auf der Plattform der Senatsverwaltung einbringen würden. Die Ergebnisse der Onlinebeteiligung werden den beteiligten Wohnungsbaugesellschaften übergeben.

  • G
    Gast

    Es hat lange gedauert, aber inzwischen kann man sagen, dass Frau Lüscher eine wirklich gute Arbeit macht. Kontinuierlich wird alles auf Relevanz umgebaut.

  • AU
    Andreas Urstadt

    wie sie s auch anstellen, bei den Berlinern ist die Normativitaet viel zu hoch, viel zu direktiv - ob das ehemalige "new" urban housing, Vorstadt in der Stadtmitte nahe Mohrenstrasse ist oder etc - fuer die Armen die Richtung zu Gemeinschaftsraeumen usw, fuer die Buergerlichen die "Entfaltung" mehr "individuell" - es tut sich in Berlin nichts, die Leute wollen ihre Ruhe haben, wenn man sie fragt - von den Berlinern selbst kommt kein anderer Wunsch - die wollen sich in den Fragen nicht profilieren

     

    diejenigen, die die schoenen Programme machen, reden nicht mit den Leuten - die Berliner wollen die Utopie der Ruhe, wenn man sie fragt