Fußball-Bundesliga: Wolfsburg fehlt noch was
Auch nach dem 2:2 gegen Freiburg hat der VfL eine Chance, die Champions League zu erreichen. Das Team hat sich in der Rückrunde verbessert.
WOLFSBURG taz | In manchen Situationen muss man das Tempo aus dem Spiel nehmen und das kann der Wolfsburger Sportdirektor Klaus Allofs meisterlich. Als nach dem 2:2 gegen den SC Freiburg die Champions League-Fragen auf ihn zugeschleudert werden, fängt er erst mal an, mit dem ganzen Schulterbereich zu zucken. Zuck. Zuck. Und nochmal zuck. Das Gesicht arbeitet auch mit. Frei übersetzt dürfte das heißen: Was soll ich da jetzt sagen? „Wir sind weiterhin in einer Situation, in der wir die Chance haben, Vierter zu werden“, formelt er irgendwann. „Wir können“, zuck, „wir dürfen nicht unzufrieden sein.“
Faktisch richtig: Zwei Spieltage vor Saisonende ist man Fünfter, einen Punkt und sechs Tore hinter Bayer Leverkusen und jenem vierten Rang, der zur Champions League-Qualifikation berechtigt. Offensivspieler Ivan Perisic hatte den VfL zweimal in Führung gebracht (3., 70.). Freiburgs Torgarant Mehmedi (61.) und der eingewechselte Terrazzino (83.) glichen zweimal aus für den gut organisierten und geschickt agierenden SC.
Nach einer Saison im Halbschatten hatte größeren Teilen Fußball-Deutschlands beim DFB-Pokalhalbfinale erstmals geschwant, dass die Investitionen des VfL-Besitzers Volkswagen diesmal sportlich-kulturelle Rendite bringen könnten. Wolfsburg habe zwar in Dortmund verloren, aber Wolfsburg könne ja Fußball spielen, war der erstaunte Tenor.
Auch gegen Freiburg ließ der VfL in einem sehr unterhaltsamen Bundesligaspiel phasenweise erkennen, dass das Team in der Rückrunde einen weiteren Entwicklungsschritt gemacht hat. Und zwar im Bereich Tempokombinationsfußball, also einem Fortgeschrittenenkurs des modernen Spitzenfußballs. Zu sehen war das bei Perisic‘ 2:1, das Vieirinha und Träsch über rechts vorbereiteten. Andererseits bemängelten sowohl Trainer Dieter Hecking als auch Sportdirektor Allofs, wie das Team eine 2:1-Führung noch weggab. „Wenn Sie fragen, was noch fehlt, fallen mir einige Dinge ein“, sagte Allofs in der Mixed Zone.
Das fängt an beim Torwartfehler von Benaglios Stellvertreter Max Grün, der zum 1:1 führte. Es geht weiter mit mangelnder Rückwärtsbewegung bei beiden Toren, weshalb Rechtsverteidiger Christian Träsch, der ansonsten gut spielte, auch seiner eigenen Ansicht nach „ein bisschen blöd“ aussah. Und es gipfelt darin, dass der VfL in der ersten Hälfte seine Chancen nicht verwertete. Namentlich Ivica Olic hätte das Spiel entscheiden können. Also: Das Team hat Konturen, der Stil bekommt Konturen und wird langsam auch variabler, aber überall fehlt eben auch noch etwas.
Sowohl Allofs als auch Hecking arbeiten kommunikationsstrategisch daran, den bereits sicheren Platz in der Europa League nicht wie eine Enttäuschung aussehen zu lassen. Es ist ja auch ein klarer Fortschritt nach den Rängen elf, acht und 15 der letzten drei Jahre. Das ändert aber nichts daran, dass Europas zweite Klasse für Spieler, Verantwortliche und Zuschauer kein Ersatz für die Champions League ist.
Wobei sich abzeichnet, dass der VfL-Kader auch qualitativ die Substanz entwickelt, die man für die zusätzlichen Spiele braucht. Die Bank ist inzwischen gut besetzt, Olic hat gerade erst seinen Vertrag verlängert, ein hochklassiger Stoßstürmer soll noch kommen und Ivan Perisic ist nach 16 Monaten endlich angekommen“, wie Trainer Hecking sagt. Das ist die offizielle Sprachregelung.
Zuletzt verglich ihn der Trainer gar mit Kevin Keegan, der einst beim HSV nach schwieriger Eingewöhnung gar ein Weltstar geworden sei. Ein Weltstar ist Perisic gewiss nicht, aber mit nun neun Saisontoren und fünf Zuspielen liefert er Ergebnisse, wenn auch sein Gesamtspiel weiterhin fehlerlastig ist. „Er hat den Instinkt vor dem Tor gefunden, ist konzentrierter in seinen Abhandlungen“, sagt Hecking.
Stimmt: Manchmal ist er grandios. Aber kurz darauf steht er wieder neben dem Spiel, die Hände an den Hüften, und man denkt: Was macht er denn?
Und so ähnlich ist es auch mit dem VfL Wolfsburg.
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