Spreeufer: Der Speicher soll gefüllt werden
Für den Kreuzberger Viktoriaspeicher gibt es viele Interessenten: Die einen wollen dort Kaffee rösten, die anderen Luxuswohnungen bauen.
Wohnungen mit Wasserblick oder lokales Kleingewerbe – die Zukunft des Viktoriaspeichers am Kreuzberger Spreeufer ist wieder offen. Die Verhandlungen der landeseigenen Eigentümerin Behala mit einem Privatinvestor stocken. Derweil werden im Bezirk schon Alternativplanungen für die Köpenicker Straße 21 diskutiert.
Eine davon kommt von den Betreibern der Markthalle Neun in der nahen Eisenbahnstraße. Sie wollen aus dem ehemaligen Getreidespeicher ein Haus für neue Lebensmittelkultur machen. Ginge es nach Markthallen-Mitbetreiber Nikolaus Driessen, sollen im Viktoriaspeicher wieder Getreidesäcke lagern. Fast wie zu der Zeit, als das markante Gebäude am südlichen Spreeufer noch Lagerhalle der Berliner Hafen- und Lagergesellschaft (Behala) war.
„Viele kleine Essen-Start-Ups, die Wurst oder Käse machen, Brot backen oder Kaffee rösten“, beschreibt Driessen seine Vision vom „Werkhof Neun“. Die Kleinbetriebe im Speicher sollen die Markthalle Neun mit frischer, regionaler Ware beliefern. Aber nicht nur das: „Ich stelle mir einen innerstädtischen Ort für zeitgemäße Nahrungsmittelproduktion vor: eine Wiederbelebung fast ausgestorbener Handwerkstraditionen, mitten in Kreuzberg.“
Auch der Bezirk ist Feuer und Flamme für den „Werkhof Neun“: Bei einer BVV-Sitzung am 28. Mai wurde das Konzept einstimmig begrüßt. Gleichzeitig lehnten die Bezirkspolitiker die Pläne des Stuttgarter Investors Hans-Georg Schimmang ab, der an der Spree ein gehobenes Wohnquartier errichten will. „Untragbar“ sei, was dieser vorhabe, heißt es im Beschlusspapier des Bezirks.
Schimmang hatte 2011 den Speicher und das umliegende Grundstück von der Behala gekauft. Auf den vier Hektar in bester Wasserlage will er nun eine Anlage namens „SpreePark“ errichten: Knapp 600 Wohnungen am Wasser mit exklusivem Uferzugang, dazu ein Hotel oder Ärztehaus, Läden und Büros. Den benachbarten Viktoriaspeicher will er zur Markthalle umbauen. Darüber ärgern sich allerdings nicht nur die Betreiber der nahe gelegenen Markthalle. Auch die Mitglieder des Planungsausschusses, vor dem Schimmang im Januar seine Pläne präsentierte, zeigten sich entsetzt.
„Schimmangs Konzept ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Antje Kapek, stadtpolitische Sprecherin der Grünen. „Wir brauchen an diesem Ort sozialverträgliche Wohnungen und einen freien Zugang zum Spreeufer.“ Noch sei es aber nicht zu spät, der Senat könne noch eingreifen: „Die Behala steht noch als Eigentümerin im Grundbuch. Das bedeutet, dass der Kaufvertrag noch nicht erfüllt ist.“
Schimmang scheint also noch nicht bezahlt zu haben. Erst kürzlich hatten Gerüchte die Runde gemacht, dass die Behala eine am 10. Juni auslaufende Kaufoption für das Grundstück um drei Monate verlängert hat. Das gäbe den Vertragsparteien noch einmal drei Monate Zeit, sich über eine Bebauung oder auch eine Zahlung einig zu werden. Oder den Vertrag aufzulösen.
Es wäre nicht das erste Mal, dass die Behala einen Deal für das Grundstück Köpenicker Straße absagt. Auch ein von der irischen Unternehmensgruppe Ballymore geplantes Hochhaus wurde nie realisiert.
Die Kreuzberger Bezirksverordneten fordern die Behala jetzt dazu auf, von einem etwaigen Rückkaufsrecht Gebrauch zu machen. Dass es dieses überhaupt gibt, mag offiziell zwar niemand bestätigen. „Kein Kommentar zu laufenden Vertragsverhandlungen“, heißt es bei der Behala. Auch der Senat antwortete auf eine schriftliche Anfrage von Katrin Schmidberger und Antje Kapek (Grüne), dass man einer Verschwiegenheitsverpflichtung unterliege.
Doch was passiert, wenn die Behala, in deren Aufsichtrat der Wirtschaftssenat entscheidenden Einfluss hat, an Investor Schimmang festhält – während der Bezirk ihn lieber loswerden möchte? Wer will, kann in der Antwort der Wirtschaftsverwaltung eine Absage an eine neue Liegenschaftspolitik lesen. Auf die Frage, ob der Senat Maßnahmen ergreifen werde, um das Grundstück in Landesbesitz zu halten, heißt es: „Der Vertragsabschluss (…) erfolgte 2011. Zu diesem Zeitpunkt lagen weder ein abgestimmtes Konzept noch konkrete Ansatzpunkte für die Umsetzung der neuen Liegenschaftspolitik vor.“
Galvanisierungsbetrieb
Wer auch immer an der Spree bauen darf, hat noch ganz andere Widerstände zu überwinden als Bezirksausschüsse und Senatsverwaltungen: Direkt neben dem noch unbebauten Grundstück steht ein Galvanisierungsbetrieb. Nach einer europäischen Richtlinie dürfen in dessen Umkreis keine neuen Wohnungen gebaut werden. Für Gewerbe und Gastronomie gelten die Sicherheitsbestimmungen allerdings nicht.
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