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Cannabis macht die Runde

Immer mehr Jugendliche kiffen: Jeder Dritte hat schon einen Joint probiert, warnt Sozialsenatorin Knake-Werner. Harte Sanktionen lehnt sie aber ab. Tabak und Alkohol bleiben wichtigste Drogen

VON RICHARD ROTHER

Kiffen wird in Berlin immer mehr zur Alltagsdroge, vor allem unter Jugendlichen. Fast jeder dritte Jugendliche hat schon einmal Cannabis geraucht. Und: Der Cannabis-Konsum sei in Berlin, wie auch in Hamburg, nahezu doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt, sagte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) gestern bei der Vorstellung des Drogenberichtes 2005. Bei Alkohol und Zigaretten sinkt das Einstiegsalter; die harte Droge Heroin dagegen ist out. Sie wird von Jugendlichen gemieden.

Ihre erste Zigarette rauchen Berliner Schüler laut dem Bericht im Durchschnitt mit 13,6 Jahren, das erste Glas Alkohol trinken sie mit 14,1 Jahren, und ihren ersten Joint rauchen sie mit 16,4 Jahren. Knake-Werner: „Es geht sehr früh los.“ Wichtig sei deshalb die Prävention. Statt Frontalunterricht gibt es nun ein buntes Heftchen mit dem Titel „Cannabis denn Sünde sein?“. Darin finden sich unter anderem ein „Kiffertest“ samt Adressen mit Beratungsstellen. Und gute Ratschläge wie: „Nimm das Kiffen nicht so wichtig! Berauschtsein ist nicht besser als Nüchternsein, nur anders!“

Solche Ratschläge scheinen die Jugendlichen immer mehr zu brauchen, schließlich ist das Kiffen für sie Alltags- und Gesellschaftsdroge geworden – und zwar quer durch alle Schultypen. „Das liegt auch daran, dass Cannabis einfach zu beschaffen und zu konsumieren ist“, so Gesundheitsstaatssekretär Hermann Schulte-Sasse. Die Entkriminalisierung von Kiffern in Berlin habe aber nicht zu einem Anstieg des Cannabis-Konsums geführt. Es mache keinen Sinn, Kiffern mit harten Sanktionen zu drohen. Schulte-Sasse warnt aber auch vor einer Legalisierung. „Das wäre das falsche Signal.“

Tatsächlich könnten sich Jugendliche dadurch in ihrem Konsum – wie etwa bei Alkohol und Zigaretten – bestätigt fühlen. Immerhin gaben bei einer einschlägigen Untersuchung jeder fünfte Berliner Junge und jedes siebte Berliner Mädchen an, innerhalb des letzten Monats gekifft zu haben. Auch in ihren Freundeskreisen spiele Kiffen eine Rolle. Dass ihre Freunde gar kein Cannabis konsumieren, sagten nur 42 Prozent der Berliner Jugendlichen. Dass dies „wenige“ oder „manche“ tun, meint jeweils ein knappes Viertel. Aber fast jeder zehnte sagt, die „meisten“ seiner Freunde griffen zum Joint.

Wichtigste Drogen für Jugendliche sind nach wie vor Zigaretten und Alkohol. So gab bei der Befragung fast jeder dritte an, innerhalb des letzten Monats Alkohol getrunken zu haben; jeder fünfte hat sich in diesem Zeitraum ein 1- bis 2-mal betrunken, jeder zehnte sogar 3-mal oder öfter. Jeder vierte Jugendliche hatte seine erste Zigarette mit 11 Jahren oder früher geraucht, und jeder dritte rauchende Jugendliche qualmt bereits täglich.

„Die Gefahr durch Tabakkonsum wird in Berlin immer noch unterschätzt“, kritisierte Johannes Spatz von der Initiative „Berlin rauchfrei“. Eine Zahl bestätigt diesen Eindruck: Jährlich sterben rund 1.700 Berliner an Lungenkrebs, aber lediglich knapp 200 an Heroin-Missbrauch.

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