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Singspiel in OttensenIm Bann des Bösen

Das Stück „Honka – Frauenmörder von Altona“ am Lichthof-Theater bastelt aus allerlei haltlosen Informationen über Fritz Honka eine mordlüsterne Heimatoperette.

Immer im Abseits der Aufmerksamkeit: Honkas Opfer. Bild: Marcus Renner

Ans Tageslicht kamen seine Verbrechen nur, weil Fritz Honka ein Lichtlein brennen ließ. Aber die Kerze kippte um und am 17. Juli 1975 ging die Wohnung des Nachtwächters in der Zeißstraße 74 in Hamburg-Ottensen in Flammen auf. Bestialisch stank es in der Dachgeschosswohnung, als sich die Feuerwehr auf die Suche nach Brandnestern machte: In vier prall gefüllten blauen Müllsäcken fand die Polizei schließlich Arme und Beine – die Überreste von vier Frauen, die der durch Unfälle entstellte schmächtige Mann mit der Hornbrille zwischen Dezember 1970 und Januar 1975 brutal ermordet hatte.

Zum Opfer gefallen waren sie dem exzessiven Trinker, weil sie sich ihm verweigerten oder ihn bestahlen: Die 42-jährige Friseurin und Gelegenheitsprostituierte Gertrud Bräuer und die 52-jährige Prostituierte Ruth Schult wurden von Honka erdrosselt, weil sie keinen Beischlaf mit ihm wollten. Die 54-jährige Prostituierte Anna Beuschel erwürgte er, weil sie, so Honka im Verhör, beim Sex nur „wie ein Brett“ dagelegen habe. Die 57-jährige Frieda Roblick wiederum habe ihn bestohlen und ihm erzählt, sie habe Syphilis.

„Mich haben vor allem die Liebesgeschichten interessiert, die in diesem Fall mal ans Licht kommen, weil sie tödlich endeten“, sagt Marcel Weinand. Der Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner hat gemeinsam mit der Theaterkomponistin Eva Engelbach aus der Geschichte um den „Blaubart von Altona“ und seine vier Opfer ein „Mordsspektakel mit Musik“ gebastelt, das nun am Ottensener Lichthof-Theater aufgeführt wird.

Honka zersägte seine Opfer in seiner Wohnung mit Hilfe einer Fuchsschwanzsäge. Nach seinem ersten Mord versteckte er die Leichenteile noch an verschiedenen Orten in Altona. Die Polizei fand die Überreste der Toten und identifizierte sie – ohne jedoch einen Hinweis auf den Mörder zu finden.

Später behielt Honka die Leichenteile in seiner Wohnung. Er wusste, dass niemand die verschwundenen Frauen vermissen würde. Denn alle vier entstammten dem Trinkermilieu rund um die Reeperbahn, waren fortgeschrittenen Alters und galten als „Stadtstreicherinnen“, die sich für Unterkunft, Alkohol und kleine Geldbeträge prostituierten.

In Kneipen wie „Zum Goldenen Handschuh“, dem „Hong-Kong“ oder dem später als „Honka-Stube“ bekannten „Elbschlosskeller“ suchte der Mörder seine Opfer – die stadtbekannten Treffpunkte für gebrochene Existenzen.

„Mich hat dieses Milieu – St. Pauli, Strich, Kaschemmen – immer sehr fasziniert“, sagt Weinand, der seit 20 Jahren auf St. Pauli lebt. Das Stück nennt der Regisseur eine „romantische Draufschau“ auf das St. Pauli der 70er. Und so kommt die Geschichte um den Serienmörder, seine Opfer, eine sensationslüsterne Presse und den Staranwalt Rolf Bossi, der Honka damals verteidigte, als bunte Nummernrevue mit Klaviermusik und Zaubernummern daher – Frauen auf der Bühne zersägen hat schließlich eine lange Tradition.

„Heimatoperette“ nennt es Weinand. „Man muss aufpassen, dass man keinen Schlagermove daraus macht. Aber ich glaube, das haben wir hingekriegt.“

Natürlich spielte auch die Faszination des Schrecklichen eine Rolle – nach „Mord im Spielplan“ ist „Honka – Frauenmörder von Altona“ bereits Weinands zweites Weihnachtsstück, das sich um Serienmörder dreht. „Was mich antreibt, ist die Banalität des Bösen an sich“, sagt er. Mord auf ein Unterhaltungsformat herunterzubrechen, sei eine interessante Aufgabe.

Manche schreckt das Böse allerdings eher ab. So gab es diesmal Besetzungsprobleme: Vor allem Frauen hätten schnell abgelehnt, weil ihnen das Thema zu gruselig gewesen sei, sagt Weinand. Dabei war der Plan ausdrücklich, nicht den Täter, sondern seine Opfer in den Mittelpunkt zu stellen.

„Es ist immer wieder eine Gratwanderung“, sagt Komponistin Engelbach: „Wie kriegst du die Frauen in den Fokus und den Täter heraus?“ Das Böse zieht eben immer wieder die ganze Aufmerksamkeit auf sich.

■ Sa, 13. 12., 20 Uhr, Lichthof-Theater. Weitere Aufführungen: 18. 12., 19. 12., 20. 12., 26. 12. und 27. 12.

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