piwik no script img

Wohnbaubilanz des SenatsGenehmigt, nicht gebaut

Während der Senat das eigene Wohnungsprogramm lobt, kritisieren Mieterverbände und die Linksfraktion Zahlenspiele und Sozialwohnungs-Schwund

Trotz Bauboom verschwinden immer mehr günstige Wohnungen vom Markt. Bild: dpa

HAMBURG taz |Es ist das Lieblingsthema von Bürgermeister Olaf Scholz. Zwei Monate vor der Bürgerschaftswahl klopft sich der Senat einmal mehr auf die Schulter – beim Wohnungsbau. Dass die Landesregierung eines ihrer selbst gesteckten Ziele erreicht hat, steht jetzt, fünf Tage vor dem Jahreswechsel, fest: Auch 2014 ist in Hamburg der Bau von über 10.000 Wohneinheiten genehmigt worden.

Bereits Ende November wurde die Zielmarke mit 10.047 Wohneinheiten überschritten. Damit liegt die Genehmigungsrate noch einmal um 3,2 Prozent höher als 2013: Damals waren bis Ende November Baugenehmigungen für 9.740 Wohnungen erteilt worden. Ende vergangenen Jahres schaffte man mit 10.328 Einheiten knapp die Zielmarke.

„Dass wieder mehr als 10.000 Wohnungen genehmigt wurden zeigt, dass der Wohnungsneubau in Hamburg auf hohem Niveau anhält“, sagt Magnus-Sebastian Kutz, Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde. Zwischen 2002 und 2010, unter CDU-Regentschaft, wurden nur rund 4.000 Wohnungsneubauten jährlich genehmigt. Nun aber, so Kutz, werde „der Wohnungsmarkt Schritt für Schritt entlastet“.

Daran zweifeln indes die Mieterverbände. So fordert der Mieterverein zu Hamburg seit Jahren den Neubau von 8.000 Wohnungen pro Jahr, um mit der demografischen Entwicklung Schritt zu halten. Und diese Ziel wird dieses Jahr verfehlt – wieder mal. Denn nicht jede Genehmigung hat zur Folge, dass die Wohnung auch tatsächlich entsteht.

Stempel und Kelle

Im Jahr 1999 wurden in Hamburg 5.000 Wohnungen genehmigt und sogar 6.208 fertiggestellt. In den Jahren danach verhielt es sich wie folgt:

Jahr genehmigt fertiggestellt

2000 4.632 6.502

2001 3.869 5.054

2002 4.006 3.711

2003 3.801 3.862

2004 4.194 3.893

2005 3.596 3.251

2006 3.832 4.278

2007 4.575 3.173

2008 3.765 3.758

2009 4.186 3.587

2010 4.129 3.520

2011 6.811 3.729

2012 8.731 3.793

2013 10.328 6.407

2014>10.047 ca. 6.000

2013 erreichte der Senat erstmals sein selbst gestecktes Ziel, die Fertigstellung von mehr als 6.000 Wohnungen: 6.407 waren es am Jahresende. Diese Marke könnte nach Schätzungen der Behörde auch in diesem Jahr erreicht werden. Doch die Statistik weist nicht aus, wie viele Alt-Wohnungen im Gegenzug abgerissen und vernichtet wurden, um Platz für die Neubauten zu schaffen. So habe es – trotz des Baus von mehr als 10.200 Wohnungen – „Ende 2013 nur genau 9.237 Wohnungen mehr als Ende 2011“ gegeben, sagt die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Sudmann: „Gleichzeitig hatte Hamburg ein Plus von 28.155 EinwohnerInnen.“

Unklar ist auch, wie viele geförderte, also mietpreisbegrenzte Wohnungen entstehen: Nachdem die Bewilligung drei Jahre lang bei je knapp über 2.000 lag, hofft der Senat diese Marke für 2014 zu überspringen – auch, weil die städtische Wohnungsgesellschaft Saga/GWG erstmals seit Langem mit nennenswerten Neubauzahlen aufwarten kann. 2013 wurden laut Stadtentwicklungsbehörde lediglich 1.330 geförderte Wohnungen fertig, laut der Linksfraktion sogar nur 654.

Das wäre zu wenig, um den rapiden Schwund an Sozialwohnungen auszugleichen, die alljährlich aus der Belegungs- und Mietpreisbindung laufen. Nach Angaben des Mietervereins sank die Zahl solcher Wohnungen allein seit 2013 von 97.500 auf 86.600. „Dieser Bestand schmilzt wie Schnee in der Frühlingssonne“, sagt Sudmann: „Und die SPD ignoriert dabei weiterhin, dass jeder zweite Haushalt Anspruch auf eine geförderte Wohnung hat.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • Das ist ja schon eine Sensationsnachricht. Anfang 2011 Regierungswechsel, wenige Monate später steht das Bündnis für das Wohnen und irgendwer denkt, dass Ende 2011 dann plötzlich zigtausende Wohnungen fertig gebaut sind? Sind wir schon so weit, dass man sich nicht ausmalen kann, dass von Standortsuche über Planung, Genehmigung, Bau und Schlüsselübergabe auch mal zwei, drei Jahre vergehen können? Ach, Hamburg ...

  • Um günstigen Wohnraum schert sich diese HaHa-Regierung nen Dreck! Allein in HaHa-Mitte entstehen von 253 Wohnungen nur 29 öffentlich geförderte! Und das ist in anderen Stadtteilen dasselbe - wie z.B. Altona, wo in der Großen Bergstraße/Bergspitze die Sozialwohnungen einfach "vergessen" wurden!

     

    http://mobil.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article135772096/Bezirk-Hamburg-Mitte-plant-1500-neue-Wohnungen.html

     

    Aber Luxus-Wohnungen, wie das neue Quartier Boa Vista - ja, das brauchen wir! Briefmarken sind out - jetzt werden Wohnungen gesammelt! Aber nicht um darin zu wohnen - höchstens noch um sie an gut zahlende Touristen zu vermieten.

    Stimmt nicht? Doch, das stimmt!

    • @Rossignol:

      Schade, mal wieder etwas tazich eindimensional argumentiert: bei denFertigstellungen mit ihrem Planungsbüro-/Bauvorlauf von mind. 4 Jahren handelt es sich überwiegend um Vorhaben aus der schwarz/Grünen Periode, in der auch die Grünen so gar nicht geglänzt, dies aber heute so gar nicht mehr wahr haben wollen! Die Relation von gefördert/ freifinanziert sieht seit Anlaufen der WoBauinitiative der SPD immer besser aus und das Drittel wird erreicht.

      An das "Vergessen" an der Bergspitze ist sowohl öffentlich als auch aus der Verwaltung vor den entspr. Verträgen mehrfach erinnert worden. Dort muss man dann aber doch von vorsätzlicher Vergesslichkeit ausgehen!

      Was allerdings die Vermietung an Touris angeht, so schau doch mal auf Air bnb u ähnlich. Portalen, es sieht nicht so aus, dass die vielen Wohnungen/Zimmer in Ottensen, der Schanze u Eimsbüttel nur von Gentrifizierern eingestellt werden. Es sei denn, du zählst all diejenigen zu Gentris, die all die türkischen MitbürgerInnen samt Läden etc. vertrieben haben.

      • @Nikolausi:

        Ich kann allein von meinem Wohngebiet sagen - ich hab das nachgeprüft - dass in mindestens vier Häusern mit neuen, teuren Eigentumswohnungen, etliche Wohnungen nur für kurze Zeit vermietet werden (tageweise!).

        Die sind nicht mehr so dumm und machen das über airbnb - da gibt es andere Möglichkeiten!

        airbnb ist seit der Kampagne etwas vorsichtiger geworden.