piwik no script img

Große Bilder, kleine Bilder

KUNST Die Deutsche Bank Kunsthalle zeigte unter dem Titel „Macht Kunst“ 24 Stunden lang 344 der 2.000 Bilder, die dort letzte Woche von Amateuren abgegeben wurden. Selbst um zwei Uhr früh waren noch viele Besucher da

Viele Bilder sind gut. Amateurkunst ist fast immer angenehmer als Profikunst

VON DETLEF KUHLBRODT

Die Deutsche Bank hatte die Bürger und Bürgerinnen eingeladen, ihre „Meisterwerke“ mitzubringen, um sie unter dem Titel „Macht Kunst“ in ihrer neuen KunstHalle für aktuelle Gegenwartskunst in der Straße Unter den Linden für einen Tag auszustellen. Der Andrang war gewaltig; 700 Meter lang war die Schlange am Abgabetag; 2.000 selbst gemachte Werke wurden abgegeben. Auch die 24-Stunden-Ausstellung, die am Montag um zwölf Uhr öffnete, um am Dienstag zur gleichen Zeit wieder zu schließen, war sehr gut besucht und musste wegen des großen Andrangs immer wieder geschlossen werden. Die Berliner und Berlinerinnen wollen ihre Sachen zeigen. Radio, Fernsehen und Printmedien berichteten.

Wer zuerst kam, wurde ausgestellt. Leider war nur Platz für 344 Werke. Eine weitere Ausstellung wird folgen. Und weil es tagsüber so voll war, gehe ich erst nachts hin. Eigentlich wäre ich lieber gefahren, doch mein Fahrrad ist leider kaputt. „Fahrrad kaputt, Fahrrad kaputt, macht ja nichts, macht ja nichts!“, wie Helge Schneider, der zurzeit in Berlin gastiert, sagen würde.

So gehe ich dann eben zu Fuß. Auf dem Weg begegnen mir insgesamt 4 Menschen. Zwei davon sind Polizisten, die interessiert auf ein Gebäude in der Friedrichstraße gucken.

Um ein Uhr nachts ist noch „high life“ in der KunstHalle. Vorm Gebäude stehen zwei nette Bettler. Am Eingang bekommt man einen Stimmzettel, um das Bild zu wählen, das einem am besten gefällt. Der Gewinner wird einen schönen Preis bekommen. Man kann sich auch Operngläser ausleihen, um die teils sehr weit oben an den etwa zehn Meter hohen Wänden gehängten Bilder besser anzugucken. Die meisten Bilder sind gut. Amateurkunst ist ja fast immer angenehmer als „Profikunst“. Bei genauerem Hinsehen scheint es aber, dass viele der Künstler doch vom Fach kommen; also etwa KunststudentInnen sind.

Wie auch immer: manche der Bilder sind sehr groß, andere winzig klein, manche bunt, andere weniger. Da und dort Porträts, nackte Frauen, manche Werke setzen sich auch kritisch mit der Gegenwart auseinander. Auf Bild 160 ist eine Frau nur mit Toastbroten bekleidet; ein Vogel sitzt auf ihrem Arm. Unterschiedliche Stile kommen zum Einsatz und man hört flotte Musik aus einem Lautsprecher. Die meisten Besucher sind zwischen 20 und 60, die jüngeren überwiegen.

Auf einem gekonnt aus Gemüse- und Obstkartons gestalteten Kunstwerk (Nr. 15) lese ich erst „Fickenpack“ und bin ganz begeistert über das neue Wort. In echt steht da aber nur „Pickenpack“. Während ich noch darüber nachdenke, ob ich dem einfachen Frauengesicht – Nr. 273 – später meine Stimme schenken soll, singen die Beatles „All My Loving“ in einer Live-Version. Ein tolles Lied! Die kreischenden Teens sind aber, glaube ich, nachträglich ins Lied getan worden. Interessant ist auch ein liniertes, fast zerknülltes Blatt mit zwei grauen Gaffertape-Resten, auf dem steht: „The lack of curators creates monsters“. Tatsächlich wurde die Ausstellung nicht kuratiert.

Nr. 67 ist dann ein alter Bekannter: Carlo Graf Strachwitz, der Bruder womöglich von Hubertus Graf Strachwitz, der bekanntlich den „Technoschuppen“ Golden Gate macht. Auf seinem Bild sieht man einen Fußballanhänger, dessen linke Körperhälfte anders angezogen ist als die rechte. Der eine Turnschuh hat zum Beispiel eine andere Farbe als der andere. Im Gesicht sieht er genauso aus wie Hubertus.

Ute Essigs Bild (Nr. 158) ist auch sehr schön, besteht aus Fäden und erinnert mich zumindest an die kleinen Tierchen, die Sandra Groß aus Fäden zu gestalten pflegt. Ein anderes Bild ist so klein, dass man es kaum sehen kann.

Ich geh erst mal raus, um mich mit Nikotin zu vergiften. Die zwei Bettler erzählen, sie bräuchten noch fünf Euro, um später in dem Haus des Strassenfegers zu übernachten. Kaum jemand gibt ihnen was; vielleicht sitzen sie auch falsch.

Drinnen gibt es Brezeln umsonst. Die Aufseher sind nett. Der Alkohol ist leider schon alle. Irgendwo gibt es zwar auch einen „Kaiser’s“, doch das ist nur ein Bild, wenngleich sehr stimmungsvoll gemalt. Das Bild Nummer 217 zeigt viel herbstliches Orange, obgleich der Frühling ja noch gar nicht ganz da ist. Nr. 90 kommt erst mit einer Chrome-Depth-3-D-Brille richtig zur Geltung. Lustig, dass viele andere Bilder auch plötzlich dreidimensional wirken, wenn man sie durch diese Brille anschaut. Eigentlich gefällt mir Nr. 231, eine Art Höhlenzeichnung, am besten.

Nun ist es schon zwei. 39 Leute befinden sich noch in der schönen Ausstellung. Drei junge Leute unterhalten sich über ihre schicken Fotoapparate. Auf dem Laptop der DJane steht: „Danke für die Subkultur“. Kurz spielt sie „Heroes“ an, wechselt dann aber zu Edith Piaf, weil sie das Lied wohl doch eher doof findet. Lustig, dass David Bowie die gleichen Initialen hat wie Deutsche Bank.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen