: Spielregeln für die Bildlektüre
ESSAYFILM Das Oldenburger Edith-Russ-Haus für Medienkunst zeigt die erste umfassende Einzelausstellung des Autors, Theoretikers und Essayfilmers Harun Farocki in Norddeutschland
Mit insgesamt acht großen audiovisuellen Installationen und wichtigen Filmen aus den letzten zwölf Jahren widmet das Oldenburger Edith-Russ-Haus für Medienkunst dem Autor, Theoretiker, Essay- und Experimentalfilmer Harun Farocki ab Freitag unter dem Titel „Spiel und Spielregeln“ die erste umfassende Einzelausstellung in Norddeutschland.
In über 100 Produktionen für Film und Fernsehen und seit Mitte der 90er zunehmend in Installationen in Galerien und Museen, in theoretischen Essays und als Dozent in Hochschulseminaren setzt sich der international zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen Essayfilms zählende Farocki seit über 45 Jahren vor allem mit einem Fragenkomplex auseinander: Was ist ein Bild? Wie können wir Bilder wieder lesen lernen?
Eine zentrale Rolle spielen dabei seit langem die Möglichkeiten der Bildverknüpfung. Hier schließt Farocki nicht zuletzt an die Versuche Sergej Eisensteins und anderer früher Filmemacher und -theoretiker an, das Kino mithilfe der Montage zum Medium intellektueller Auseinandersetzungen zu machen. Farockis Frage nach dem Bild beschränkt sich indes nicht auf das Kino, sondern setzt sich mit dem ganzen Universum alltäglicher Bilder und Medien auseinander: Fernsehbilder, gewebte Bilder, Luftaufnahmen aus Auschwitz ebenso wie Bilder aus Überwachungskameras und Fernlenkwaffen. Seit den 90ern widmet sich Farocki verstärkt solchen Bildern als Bestandteil technischer Operationen, macht etwa Bilder sichtbar – und damit zum Gegenstand von Kritik –, die überwachen und kontrollieren, selbst aber unsichtbar bleiben.
Zu sehen sind in Oldenburg unter anderem die filmanalytische Sechskanalinstallation „Fressen oder Fliegen“, eine Hommage an den Filmschauspieler und zugleich eine Dekonstruktion des tragischen Helden im Kino, und Farockis Arbeit „Parallele“ aus dem letzten Jahr, die Entwicklung und Möglichkeiten des digitalen bewegten Bildes seit den Anfängen in den 80ern nachzeichnet und fragt, ob sich das digitale Bild gegenüber dem Filmbild zur dominanten Bildkategorie entwickelt. MATT
■ Oldenburg: Fr, 12. 4. bis So, 9. 6., Edith-Russ-Haus für Medienkunst, Katharinenstraße 23, Di – Fr 14 – 18 Uhr, Sa / So 11 – 18 Uhr; Künstlerführung und Vortrag mit Harun Farocki: Fr, 12. 4., 17.30 / 19 Uhr
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