Kleine Vereine fürchten um ihre Existenz

STAATSKNETE Neue Förderrichtlinien für Integrationsprojekte stoßen bei Migrantenorganisationen und Piraten auf Kritik

Die von der Senatsverwaltung für Integration geplanten neuen Richtlinien für die finanzielle Förderung von Integrationsprojekten stoßen bereits vor der Bekanntgabe ihrer gültigen Endfassung auf Kritik. Sie seien geeignet, „finanz- und personalstarke Organisationen zu fördern“ und damit „die bislang bestehende Vielfalt an unterschiedlichen Trägern und Angeboten“ zu zerstören, befürchtet etwa der Migrationsrat Berlin Brandenburg, ein Dachverband aus 75 Migrantenorganisationen.

Die neuen Richtlinien sollen in diesem Jahr in Kraft treten und für Anträge auf Fördergelder aus dem Haushalt 2014/2015 gelten. Die Integrationsverwaltung hatte das bisherige Förderprogramm evaluieren lassen und in einem mehrmonatigen Dialogprozess, an dem auch Migrantenorganisationen beteiligt waren, neue Schwerpunkte erarbeitet. Die Neuausrichtung sei nötig, da „die Stellung und das Selbstverständnis von Migrantenorganisationen“ sich gewandelt hätten, so Monika Lüke, Integrationsbeauftragte des Senats. „Waren sie zur Zeit der Arbeitsmigration in den 70er und 80er Jahren vor allem Orte, wo die Community sich traf und sich in schwierigen Situationen unterstützte, so sind sie heute Partner von Verwaltung und Politik.“ Dem müssten auch die Förderkriterien Rechnung tragen.

Gefördert werden sollen künftig drei Arbeitsbereiche: „gesellschaftliche Teilhabe und Empowerment von Menschen mit Migrationshintergrund und ihren Organisationen“, „Weiterentwicklung von herkunftsübergreifenden Kooperationen“, Aufbau und Verbesserung von Netzwerken sowie der politischen Partizipation von MigrantInnen. Das geht aus einem Schreiben an bisherige Zuwendungsempfänger hervor. Bisher wurden vor allem Projekte gefördert, die auf die Verbesserung von Ausbildungschancen und die Förderung von Chancengleichheit für EinwanderInnen zielten.

Der Migrationsrat sieht vor allem beim Punkt „herkunftsübergreifende Kooperationen“ Probleme. Viele Migrantenorganisationen beklagten, dass sie bei solchen „Tandemprojekten“ oft „auf die Rolle von Lieferanten von TeilnehmerInnen reduziert“ würden, heißt es in einer Stellungnahme. Das entspreche „dem Muster kolonial-rassistischer Praktiken“. Auch aus der Opposition kommt Kritik: „Mit der Neuausrichtung des Förderprogramms wird der Konkurrenzdruck unter den Migrantenorganisationen erheblich zunehmen“, fürchtet der integrationspolitische Sprecher der Piraten, Fabio Reinhardt. Es sei „zu befürchten, dass viele der bislang geförderten, kleinen Träger dabei unterliegen werden, weil sie nicht über entsprechendes Know-how und die finanziellen und personellen Ressourcen verfügen, um den künftigen Anforderungen zu entsprechen“.

Sie könne „nachvollziehen, wenn Organisationen jetzt Existenzängste haben“, so Lüke, in deren Haus die neuen Richtlinien derzeit ausgearbeitet werden. Gerade für diejenigen, „die über lange Jahre Förderung bekommen haben“, könne die neue Situation „eine Herausforderung“ sein. Dass die neuen Förderschwerpunkte bestimmte Organisationen benachteiligen, glaubt sie aber nicht: Zum einen seien die drei Förderschwerpunkte „alternativ“, so Lüke, es müssten in Projekten also nicht alle drei Bereiche abgedeckt werden. Zum anderen solle das neue Ausschreibungsverfahren so gestaltet werden, dass es auch für kleinere und unerfahrene Organisationen „leicht zu managen“ sei. Die neuen Richtlinien sollen im Mai bekannt gegeben werden. Im Topf soll dann laut Koalitionsvertrag mindestens ebenso viel Geld wie im aktuellen Haushalt sein. Das wären etwa 800.000 Euro. ALKE WIERTH