Die Armut verdünnen statt bekämpfen

Nach den Erfolgen rund um Gängeviertel und Künstlermanifest haben Hamburgs Gentrifizierungskritiker gerade ordentlich schlucken müssen. Drei Viertel der Wahlberechtigten Altonas sprachen sich jüngst für die Ansiedlung des Möbelhauses Ikea im St.-Pauli-nahen, ärmeren Teil des Bezirks aus. Statt „Kill Billy!“-Jubelgesängen ertönt dort bald ein Marsch der Art, wie ihn ein blau-gelber Neubauklotz den örtlichen Mieten nur blasen kann.

Schützenhilfe für die Gegenbewegung leisteten dagegen vorige Woche akademische und konfessionelle Kreise. Aufgerufen von Nordelbischer Kirche, Diakonischem Werk, dem Hamburger Institut für Sozialforschung und einigen Fachbereichen der Uni fanden sich zu einer „1. Konferenz zur sozialen Spaltung“ 250 Gäste ein. Im Bürgerhaus des Stadtteils Wilhelmsburg, der derzeit besonders im Fokus städtischer Aufwertungsmaßnahmen steht, stimmte man sich schon mal für eine Mobilmachung gegen Armut und ihre Klumpenbildung im städtischen Raum ein.

Ja, es gibt Segregation und sie verschärft sich, weiß die Wissenschaft. Geograf Jürgen Oßenbrügge hat sich „Segregationsindizes“ angesehen und für Migranten in Hamburg zwar fallende, steigende Kurven jedoch bei Alten, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern festgestellt. Die Entstehung neuer Problemquartiere außerhalb der hart umkämpften innerstädtischen Wohngebiete sei die Folge.

Insgesamt wollte man dem schwarz-grünen Senat und seinen Vorgängern gern zugestehen, allerlei Programme gegen die geografische Falle, die miese Viertel für Marginalisierte sein können, auf den Weg gebracht zu haben. Allein, sie liefen seit 20 Jahren regelmäßig ins Leere, wie Ingrid Breckner von der HafenCity-Universität monierte.

Wieso das so ist, darauf warfen Kommentare zu den Themen Bildung (Chancenlosigkeit von Hartz-IV-Empfängern und ihren Kindern, Zitterpartie Schulreform) oder Wohnungsbaupolitik (sozialer Wohnungsbau: in Hamburg Fehlanzeige) einige Schlaglichter. Auch wurde gewarnt, wer allein die Segregation eindämme, anstatt sie zu bekämpfen, betreibe „Armutsverdünnung“.

Der Arbeitsmarkt, so ein Ver.di-Vertreter, habe für Hartz-IV-Empfänger nichts zu bieten, lediglich 4 Prozent von ihnen, schafften den Absprung. Das Einzige, was den Armen helfe, polemisierte denn auch Wolfgang Völker von der Diakonie unter großem Applaus, sei mehr Geld.

Fast schon verzweifelt warb ein GAL-Politiker für geduldiges Warten auf die Ergebnisse des „Paradigmenwechsels“, den seine Partei dem schwarzen Koalitionspartner in Sachen soziale Stadtentwicklung abgerungen habe. Das mehrheitlich im Sozialen tätige Publikum quittierte es mit dem Geräusch scharrender Füße. CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK