Das Virus im Gepäck

Ornithologen fürchten Verbreitung der Vogelgrippe durch Tier-Schmuggel. Stabstelle Umweltkriminalität: „Risiko für Täter ist gering“

von GESA SCHÖLGENS

Umweltschützer und Ornithologen sprechen die am Niederrhein rastenden Wildgänse frei. Ihrer Ansicht nach geht die größte Ansteckungsgefahr mit dem Virus H5N1 nicht von durchreisenden Wildvögeln aus, sondern von illegalem Handel und Geflügel-Schmuggel. „Das ist das größte Risiko für Vogelgrippe überhaupt. Die Zugvögel sind sekundär“, sagt Johan Mooij, Vorsitzender der „Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft“ (NWO). Mit dem Virus infizierte Tiere seien in der Regel innerhalb von 48 Stunden tot und könnten nicht mehr weit fliegen, so Mooij.

Das NRW-Umweltministerium begegnet dem Verbreitungsrisiko weiterhin mit verstärkten Einfuhrkontrollen an Flughäfen. „Wir haben auch den Busverkehr nach Osteuropa in den Blick genommen“, sagt Sprecher Markus Fliege.

Den Ornithologen ist das noch zu wenig. Geflügelfleisch aus Asien oder der Türkei werde auch auf andere Weise importiert, so NWO-Vorsitzender Mooij. „Die Chancen, am Flughafen erwischt zu werden sind größer als in Fahrzeugen oder auf Schiffen.“ Er kritisiert, dass der Staat ausgerechnet bei den Veterinärbehörden spart. Auch die Erforschung der Vogelzüge werde kaum gefördert. Dabei seien die Zugrouten vieler „Vogelgrippe-Kandidaten“, wie der Stockente, kaum bekannt.

„Die Anreize für den Schmuggel und illegalen Handel sind hoch“, sagt Jürgen Hintzmann von der Stabstelle Umweltkriminalität am NRW-Umweltministerium. Die Täter könnten bei einem geringen Risiko viel Profit machen. „Straftaten gegen das Artenschutzgesetz werden nur wenig verfolgt“, so Hintzmann. Grund sei das komplizierte Rechtsgebiet, für das es bisher nur sehr wenige Experten gebe.

Mehr als 8.000 Tier- und 40.000 Pflanzenarten werden durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt. Trotzdem wurden laut Zoll bundesweit im Jahr 2004 rund 37.000 geschützte Tiere, Pflanzen und Tierprodukte sichergestellt. Beschlagnahmt wurden die Tiere und Pflanzen zumeist am Flughafen, seltener auf Straßen oder auf dem Postweg.

Für Nordrhein-Westfalen gibt es laut Landesumweltministerium keine Zahlen. Den Zollämtern zufolge sind jedoch die Fälle von illegalen Importen an den Flughäfen rückläufig. „Durch die Medienberichte wissen die Leute weitestgehend Bescheid“, so ein Mitarbeiter des Zollamtes am Düsseldorfer Flughafen. 2004 wurden dort nur ein Kanarienvogel und 18 Tauben sichergestellt. „Vögel haben wir in den letzten zwei Jahren so gut wie keine gehabt. Zu 99 Prozent bringen die Reisenden Hunde und Katzen mit“, so der Zollbeamte. Die Tiere gingen in Quarantäne, würden untersucht, Tierprodukte sofort vernichtet. Kontrolliert werden könne aber nur stichprobenartig. In einigen Fällen wurden auch Straftaten aufgedeckt: Ende Januar durchsuchten Beamte des Landeskriminalamts NRW mehrere Tierhandlungen im Raum Heinsberg. Am Frankfurter Flughafen waren zuvor artgeschützte Schildkröten sichergestellt worden. „Eine Prüfung hat ergeben, dass es sich nicht wie auf den Papieren angegeben um Nachzüchtungen, sondern um Wildtiere handelt“, sagt Staatsanwalt Robert Deller. Zwei Beamte der Kreisverwaltung Heinsberg hätten den Händlern „objektiv falsche Urkunden“ ausgestellt. Gegen die Täter wird nun ermittelt.

Laut Naturschutzbund NRW nimmt auch die illegale Verfolgung und der Handel mit Greifvögeln seit Jahren zu. Obwohl heimische Greifvögel unter Schutz stünden, würden sie illegal geschossen, vergiftet, in Fallen gefangen oder ihre Nester würden zerstört. Allein beim Habicht wurden von 1986 bis 2003 insgesamt 176 Fälle illegaler Verfolgung festgestellt.