Koran auf Klopapier ist strafbar

Frührentner aus dem Münsterland wegen Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Gericht verhängt relativ harte Strafe nicht wegen des Karikaturenstreits, sondern wegen der Vorgeschichte des Angeklagten

AUS LÜDINGHAUSEN RALF GÖTZE

Während die weltweiten Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen anhalten, verhängte gestern ein kleines Amtsgericht im münsterländischen Lüdinghausen die erste Freiheitsstrafe wegen einer Koranschändung. Aufgrund einer erdrückenden Beweislage gestand der Angeklagte Manfred v. H. schließlich, Toilettenpapier mit dem arabischen Schriftzug „Koran, der heilige Qur'an“ bestempelt und zum Verkauf angeboten zu haben. Das Schöffengericht folgte daraufhin der Forderung der Staatsanwaltschaft und verurteilte den 61-Jährigen zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung.

In der Begründung sagte Richter Carsten Krumm, von der bei Ersttätern üblichen Geldstrafe werde nicht wegen des aktuellen Weltgeschehens abgewichen, sondern wegen der persönlichen Vorgeschichte des Angeklagten. Der Kaufmann aus Senden ist bereits mehrmals vorbestraft – unter anderem wegen Brandstiftung und Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz.

Zu Prozessbeginn hatte v. H. noch zu taktieren versucht. Er habe lediglich für einen „wandernden Stammtisch“ einer Studentengruppe seine Mailadresse und Faxnummer zur Verfügung gestellt. Weder die Herstellung der bestempelten Toilettenrollen noch der Versand an Medien und islamische Verbände seien sein Werk. Einen der stichhaltigsten Beweise für seine Urheberschaft hatte er allerdings selbst mitgebracht. Kaum hatte der 61-Jährige eine aus seiner Sicht hetzerische Sure zu Ende zitiert, forderte Krumm ihn auf: „Geben Sie mir doch mal bitte Ihren Koran.“ Der junge Richter hielt den beschlagnahmten Stempel an den Schriftzug auf dem Buchdeckel. „Der passt haargenau.“

Daraufhin platzte dem Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer der Kragen. „Bei der Version, die Sie hier auftischen, sträuben sich meine wenigen Haare“, griff er den Angeklagten an. Der überraschende Donner zeigte Wirkung. Pflichtverteidiger, Oberstaatsanwalt und Richter zogen sich zur Beratung zurück.

Obwohl v. H. mit seiner Koran-Provokation bewusst die Öffentlichkeit gesucht hatte, flüchtete er gestern geradezu vor den 30 angereisten Medienvertretern. Bildaufnahmen waren auch am Rand der Sitzung verboten, bei der Anklageverlesung wurde die Adresse ausgelassen – das Lüdinghausener Amtsgericht traf Sicherheitsvorkehrungen wie lange nicht mehr. Der Angeklagte fürchtet um sein Leben.

Gestern fürchtete er allerdings auch eine erneute Inhaftierung. Nach der Beratungspause zeigte er sich plötzlich geständig. Sein Pflichtverteidiger verlas die Aussage. 15 Jahre Aufenthalt im Nahen Osten und eine entfernte Verwandtschaft zum ermordeten holländischen Regisseur Theo van Gogh hätten ihn zu dieser Provokation motiviert.

Der Kaufmann hing zu diesem Zeitpunkt nur noch in seinem Stuhl. „Ja, das stimmt so“, kommentierte er die Ausführungen seines Verteidigers. Am heutigen Freitag wäre seine bisherige Bewährungsfrist ausgelaufen – nun steht er fünf Jahre länger unter Beobachtung.