Gegen Rauchen, für die Tabakindustrie

Heute startet die bundesweite Nichtraucheraktion „Rauchfrei 2006“ – mit angeschoben von der Bundesregierung. Die kämpft gern mal öffentlichkeitswirksam gegen Nikotinkonsum. Doch wenn die Rauchverbote der Industrie wehtun, dann kuscht sie

VON CIDGEM AKYOL

Vier Wochen Entzug für 10.000 Euro – so sollen Raucher dazu bewegt werden, ihre Sucht aufzugeben. „Rauchfrei 2006“ ist die bisher größte Kampagne für die Tabakentwöhnung, veranstaltet vom Gesundheitsministerium, dem deutschen Krebsforschungszentrum und der Weltgesundheitsorganisation. Am dazugehörigen Gewinnspiel darf daher auch nur teilnehmen, wer nikotinabhängig ist. Wer vier Wochen ohne seine geliebte Zigarette aushält, kann 10.000 Euro gewinnen. Davon kann man etwa 2.700 Zigarettenpackungen kaufen.

Es ist die zweite Anti-Raucher-Kampagne der Bundesregierung in diesem Jahr. Bereits im Februar wurde ein ähnliches Projekt vorgestellt. Bei der Fußball-WM soll der Slogan „No smoking, please“ durch Durchsagen oder Plakate verbreitet werden. Außerdem soll bei allen Spielen ein Fernsehspot gezeigt werden.

„Heuchlerisch“ findet Siggi Ermer die WM-Aktion. Der Vorstandsvorsitzende vom Verein Pro Rauchfrei aus München fordert ein Rauchverbot in den Stadien. Er wirft der Regierung vor, „von der Tabakindustrie gekauft zu sein“. „Der Spielstand lautet: 1:0 für die Tabakindustrie“, schimpte Ermer gestern.

Ganz Unrecht hat der 53-Jährige nicht. Im letzten Jahr klagte die Bundesregierung noch gegen eine Richtlinie aus Brüssel, die Tabakanzeigen in Printmedien und bei Großveranstaltungen verbieten will. Sie wollte verhindern, dass das Sponsoring grenzüberschreitender Sport- und Kulturveranstaltungen durch Tabakfirmen verboten wird. Und immerhin kassierte der Bund im letzten Jahr 14,4 Milliarden Euro Tabaksteuer. Sobald es wirtschaftliche Argumente gibt, werden Zweifel gerne mediengerecht untergraben. Denn auch bei der WM 2002 in Asien war das Rauchen in den Fußballstadien verboten, und die Zuschauer blieben deswegen nicht aus. Auch bei den Olympischen Winterspielen in Turin durfte bei öffentlichen Veranstaltungen nicht gequalmt werden. Zuschauer gab es trotzdem genügend.

Nur Deutschland tut sich mit einem Verbot schwer. Es werden teure Kampagnen gegen das Rauchen gestartet, aber EU-Richtlinien, die Ähnliches verfolgen, werden abgeschmettert.

Zwar verlangte die Bundesregierung ein völliges Rauchverbot bei der Weltmeisterschaft. Aber weil auch die Fifa und das WM-Organisationskomitee sich an der Kampagne finanziell beteiligen, habe die Bundesregierung nachgeben müssen, sagte ein Mitarbeiter der Drogenbeauftragten Sabine Bätzing, der namentlich nicht genannt werden will.

Obwohl sich die Fifa als Gegnerin des Tabakkonsums sieht, soll die Weltmeisterschaft in Deutschland zur Raucher-WM werden. Das Qualmen auf allen Sitzen wird erlaubt sein. Das gilt auch für die 2.500 Nichtraucherplätze im Familienblock des Berliner Olympiastadions, in dem insgesamt sechs WM-Spiele – darunter das Finale – stattfinden werden. Man wolle niemandem das Rauchen verbieten, erklärt das Organisationskomitee. Zudem seien die Zuschauer ja immer an der frischen Luft. Beckenbauer raucht ja auch.

Ein Argument, das auch die Europäische Konsumentenvereinigung Tabakwaren für sich beansprucht. Der Verein tritt für mehr Toleranz gegenüber Rauchern ein und wehrt sich gegen die öffentlichen Nichtraucherkampagnen der Bundesregierung. „Hier geht es um eine gezielte Denunzierung“, beklagt sich Oliver Graf von Wurmbrand-Stuppach, der Vorstandsvorsitzende der Raucher-Lobby. Er fordert mehr Akzeptanz gegenüber den Rauchern „in einer mittlerweile raucherfeindlichen Gesellschaft“. Er appelliert an den freien Willen des Einzelnen. „Jeder kann für sich entscheiden, ob er raucht oder nicht.“