Johlen und Beifall im Gerichtssaal

Prozess gegen den Hitlerverehrer Zündel mündet im Chaos, weil die rechtsextreme Verteidigerin das Verfahren nützt, ausgiebig die „Holocaustlüge“ anzuprangern

MANNHEIM taz ■ Das Verfahren gegen den Holocaustleugner und Hitlerverehrer Ernst Zündel (66) vor der 6. Großen Strafkammer am Landgericht in Mannheim wird zur Farce. Trotz eines Verbots der Kammer versuchte die rechtsextremistische Wahlverteidigerin Sylvia Stolz gestern am 5. Verhandlungstag immer wieder aus ihren „Schutzschriften“ zu referieren. Darin geht es um das „Dogma des Holocaust“, das dem deutschen Volk „von den Juden aufgezwungen“ worden sei.

Sie lasse sich das Wort nicht verbieten, denn sie übe aktuell das „Notwehrrecht für Zündel und das Deutsche Reich“ aus, so Stolz zum Kammervorsitzenden Ulrich Meinerzhagen. Gehört die Frau in die Psychiatrie?, fragte daraufhin einer der wenigen Prozessbeobachter ohne rechtsextremistischen Background. Die Staatsanwaltschaft wollte dem nicht direkt widersprechen.

Immer wieder wird die „mutigste Frau Deutschlands“, so ein Zwischenruf aus dem Publikum, von Meinerzhagen aufgefordert, umgehend zu schweigen. Doch immer wieder ergreift Stolz unbeeindruckt von den Anordnungen des Gerichts ganz selbstherrlich das Wort. Nur weil sie ein „Tabu der westlichen Wertegemeinschaft“ brechen und darüber reden wolle, dass der Holocaust „eine Erfindung der Juden“ sei, werde sie von der Kammer mit Redeverbot belegt und „abqualifiziert“. Der Kammervorsitzende tobt – Stolz redet weiter.

Die vielen Sympathisanten des Angeklagten und seiner Gesinnungsgenossen auf der Verteidigerbank amüsieren sich prächtig. Man schlägt sich vor Lachen über den scheinbar hilf- und glücklos agierenden Kammervorsitzenden auf die Schenkel. Alte packen wie auf brauner Kaffeefahrt fröhlich ihre Pausenbrote aus. Meinerzhagen blickt nur böse. Auf den Gängen referieren selbst ernannte „Experten“, dass das bundesrepublikanische Recht für sie ohnehin nicht gelte, sondern nur die Rechtsordnung des weiter fortbestehenden Dritten Reichs.

Die richterliche Autorität von Meinerzhagen ist so gut wie perdu. Das ist eine Katastrophe für das Verfahren, das von den rechtsextremistischen Advokaten zum letzten großen Auschwitzprozess umfunktioniert werden soll. Diesmal mit umgekehrten Vorzeichen: Endlich soll das deutsche Volk „entlastet“ werden. Mit der „Holocaustlüge“ nämlich, so Stolz, wolle „die größte Siegermacht des Zweiten Weltkriegs noch immer die rassische Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes vernichten“. Der Prozess wird heute fortgesetzt.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT