: Im eigenen Reich
KINDERMÖBEL Das Kinderzimmer ist ein multifunktionaler Ort im ständigen Wandel: Vom Schutz- über den Spiel- zum Arbeitsraum – zur Freude der Möbelindustrie
VON DARIJANA HAHN
Ein Hochbett als Piratenschiff oder als Prinzessinnenschloss, eine weiße Wickelkommode mit passendem Babybett in klarer Formensprache oder ein riesiger Holz-Elch als Bücherregal – noch bis zum Sonntag sind bei der Messe „Kind und Jugend 2013“ in Köln die neuesten Kinderzimmertrends zu sehen.
Besonders beliebt sind einerseits „die Farbe Weiß“ und andererseits „naturbelassene Holzmöbel“, wie die Trendexpertin beim Bundesverband der Deutschen Möbelindustrie, Ursula Geismann, erklärt. Ebenso im Trend liege der Hang zu „mehr individueller Gestaltung und weg von einheitlichen Stilvorstellungen“.
Nicht umsonst werden auf der Messe auch die Unikate des italienischen Ausstellungsprojektes „Kidsroom Zoom“ präsentiert, die von internationalen Designern „kindgerecht und stylisch aus der Perspektive von Kindern entworfen“ wurden, so unter anderem jenes Holz-Elch-Regal von Matteo Bissaca oder eine ergodynamische, lindgrüne Stuhl-Tisch-Kombination von Weamo.
Die Fraktion der ungebrochenen populären Hochbetten wird unter anderem vom deutschen Marktführer im Kindermöbelsegment, dem in Franken ansässigen Paidi, vorgestellt. Mit seinen Spiel-, Hoch- und Etagenbettprogrammen betont das Unternehmen die gängige Ansicht, dass ein Kinderzimmer mehr sein soll als eine schlichte Ansammlung von Funktionsmöbeln. Indem die Betten thematisch umkleidet werden, und indem sie mit Rutsche, Schaukel und Kletterwänden ausgestattet werden können, wird unterstrichen, dass Kinder in ihrem Zimmer Spaß haben sollen, das dadurch zu ihrem ganz speziellen eigenen Reich, um nicht zu sagen zu ihrem persönlichen Spielplatz wird.
Gleichzeitig soll das Kinderzimmer aber auch Ruhe ermöglichen und vor allem bei Schulkindern das Lernen unterstützen. So wundert es nicht, dass der Anteil der bei Paidi verkauften Schreibtische dem der Hochbetten gleichkommt. Der Schreibtisch sollte dabei das vollziehen, was auch für das Kinderzimmer gilt: Beide sollten anpassungsfähig sowie verstellbar sein und mitwachsen.
Die Wohnpsychologin Antje Flade benennt vier Stadien eines Kinderzimmers: Im Kleinkindalter soll das Kinderzimmer vor allem Schutz bieten, im Vorschulalter zusätzlich zum Spielen anregen, im Schulalter wird es unter anderem auch zum Arbeitsplatz, und in der Jugend gewinnt es als autonom gestalteter, von kindlichen Accessoires befreiter Rückzugsraum für die Identitätsbildung eine immer größere Bedeutung.
Dieser Funktionswandel macht sich nicht nur in der Möblierung bemerkbar, indem aus dem Sprossenkinderbettchen ein Sofa wird, die Verkleidung des Kinderhochbettes verschwindet und das Bett aus seiner mittleren Lage entweder vertieft oder erhöht wird. Am deutlichsten ist die Veränderung wohl an den Wänden zu sehen, wo das Medizini-Tier-Poster erst durch den Bravo-Star und schließlich durch Motive, wie den romantischen Sonnenuntergang ersetzt wird.
Nicht nur diese Veränderungen sind ein Zeichen ihrer Zeit. Dass heute laut Angaben der Arbeitsgemeinschaft Baden-Württembergischer Bausparkassen 90 Prozent der Kinder über ein eigenes Kinderzimmer verfügt, ist ein Hinweis für die zentrale Stellung des Kindes innerhalb der Familie, dem man eine sprichwörtlich „gute Kinderstube“ bieten möchte. Zur Freude der Möbelindustrie, die nach Angaben ihres Bundesverbandes 2012 mit Kinder- und Jugendmöbeln einen Inlandsumsatz von drei Milliarden Euro gemacht hat.
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