„Der WASG-Vorstand hat getrickst“

Die eigenständig antretende WASG habe keine Chance, die Fünfprozenthürde zu knacken, so Forsa-Chef Güllner.Er sagt ihr nach der Wahl ein baldiges Ende voraus. Und beklagt sich über falsche Deutungen einer Forsa-Prognose

taz: Herr Güllner, laut dem WASG-Vorstand hat Ihr Institut dem Landesverband ein Wählerpotenzial von 12 Prozent bescheinigt. Haben Sie sich da nicht etwas verrechnet?

Manfred Güllner: Die WASG-Behauptung ist Unsinn. Der Vorstand vermittelt mit seiner Auslegung ein völlig falsches Bild. So wie es aussieht, hat die WASG keine Chance, an der Fünfprozenthürde auch nur zu kratzen. Wir sehen sie im Moment bei 2 Prozent – und das ist großzügig gerechnet.

Ach. Dann zitiert der Vorstand Ihre Analyse falsch?

Ja, er hat zumindest getrickst. Die Frage lautete: Könnten Sie sich vielleicht irgendwann mal vorstellen, WASG zu wählen – sie war also sehr weich formuliert. Das Ergebnis von 10 Prozent ist ein äußerst vages Indiz. Es lässt sich überhaupt nicht auf die Abgeordnetenhauswahlen im September beziehen. Dies hat der Vorstand durch seine Fehlinterpretation getan. Ein solches Vorgehen halte ich für nicht vertretbar, es spiegelt reines Wunschdenken.

Selbst wenn sie nur wenige Stimmen bekommt – ist eine eigenständig antretende WASG eine Gefahr für Rot-Rot?

Bei knappen Ergebnissen kann auch eine klitzekleine Splitterpartei entscheiden. Denken Sie an die Bundestagswahl 2002: Eine bundesweit angetretene WASG mit 2 Prozent hätte die Regierungsfähigkeit von Rot-Grün in Frage gestellt. Allerdings ist es viel zu früh, darüber jetzt eine Vorhersage zu machen. Die Abgeordnetenhauswahl interessiert die meisten Menschen erst, wenn der Termin näherrückt. Die Meinungsbildungsprozesse haben noch nicht eingesetzt.

Damit erledigt sich die Frage, ob durch den WASG-Alleingang eine rot-rot-grüne Regierung wahrscheinlicher wird.

Ja. Wir messen jetzt aktuelle Stimmungen, die mit den Wahlabsichten nichts zu tun haben. Da kann noch viel passieren. Entscheidend wird sein, welche Partei ihr Anhängerpotenzial am besten mobilisieren kann.

Wer wird die WASG wählen?

Das ist schwer feststellbar, weil die Zahl der WählerInnen so gering ist – sie liegen unter unserer Wahrnehmungsschwelle. Potenzielle WASG-Stimmen kommen aber vermutlich eher aus dem Nichtwählerspektrum. Trotzkisten, die bisher nie gewählt haben, machen jetzt eben ihr Kreuzchen bei der WASG.

Die anderen drei linken Parteien brauchen keine Angst vor Abwanderung haben?

Nein. Am ehesten ist die SPD gefährdet. Dort sind ein paar in der klassischen Gewerkschaftsbewegung unzufrieden, die werden vielleicht wechseln. Die Grünen bilden eine ganz andere, fest gefügte Wertegemeinschaft, da wird niemand für eine WASG abspringen. Und die PDS mobilisiert ihre Truppen nach wie vor in einer ganz bestimmten Klientel. Der WASG-Alleinantritt wird also keine größeren Effekte haben.

Was passiert mit der WASG nach der Wahl?

Sie wird in Vergessenheit geraten, das zeigt die Erfahrung. Ob es nun die Stadtpartei in Hamburg war oder die Schill-Partei – solche Gruppierungen sind Eintagsfliegen.

Droht Rot-Rot Gefahr von der CDU? Sie versucht, in der Integrationsdebatte zu punkten.

Die CDU leidet nach wie vor an dem Berlinmalus. Nach dem Abgang des Duos Diepgen/Landowsky ist das Vertrauen zur Union zusammengebrochen, davon hat sie sich bis heute nicht erholt. Zudem macht die CDU einen Fehler, wenn sie nur auf die Integrationsdebatte setzt. Die Berliner nennen uns über zwanzig Bereiche, wenn man sie fragt, was sie für wichtig in der Stadt halten.

Weil die Berlinwahl einen starken lokalen Bezug hat?

Richtig. In Berlin zählt Kommunalpolitik, das haben übrigens alle Parteien noch nicht begriffen. INTERVIEW: ULRICH SCHULTE