Alle dürfen persiflieren

Nicht gegendarstellungsfähig: Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Kirche versus Staat

Die großen christlichen Kirchen genießen vorkonstitutionelle Sonderrechte („Körperschaften des öffentlichen Rechts“). Sie dürfen die Jugend im Religionsunterricht indoktrinieren. Sie dürfen ihre Mitgliedsbeiträge durch den Staat als „Steuern“ erheben lassen. Sie sitzen in machtvollen staatlichen und halbstaatlichen Gremien (Rundfunkräten), ja – sie machen sich anheischig zu bestimmen, wer Mitglied der EU werden darf. Mit diesen Privilegien gleichziehen wollen nun Islamistenvereine, Zeugen Jehovas. Die Argumente dagegen sind fadenscheinig.

Jüngere Äußerungen aus dem Milieu der christlichen Kirchen begründen vielmehr, dass die Zeit reif ist, diese Privilegien zu entziehen: Überragend wichtige Grundrechte des Deutschen Grundgesetzes sind die Meinungsäußerungs- und die negative Bekenntnisfreiheit. Es ist eines Jeden gutes, von der Verfassung veränderungsfest garantiertes Recht, religiösen Mummenschanz zu verachten und kritisch zu persiflieren. Das taten die dänischen Mohammed-Karikaturisten, das tut der satirische Comic „Popetown“, der dieser Tage deutsche „Christen“ erregt, die schon den Islamisten in treuer Solidarität beistanden bei deren Kampagnen gegen die dänischen Karikaturen.

Der Generalsekretär einer christlichen Partei aus Bayern fordert für Blasphemiker härtere Straftatbestände. „Wir brauchen mehr Sensibilität im Umgang mit religiösen Gefühlen – auch mit unseren eigenen“, wird der Mann zitiert. „Wir brauchen ein klares Blasphemie-Verbot im Strafrecht.“ Dieser nackten Aufforderung zum legislativen Verfassungsbruch sekundieren zahlreiche Funktionäre des organisierten Christentums. Die Satire verstoße gegen das im Grundgesetz wurzelnde Gebot, die Würde des Menschen zu achten, außerdem gegen Artikel 2 GG. Dieser Artikel garantiere das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und schränke es lediglich durch die Achtung der Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz ein. Auch wenn „Popetown“ als satirische Unterhaltung angesehen werden könnte, verstoße die Ausstrahlung gegen das Toleranzgebot und die zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung und des Sittengesetzes erlassenen Gesetze.

Man muss angesichts dieser Auftritte auch zahlreicher hoher Funktionäre der christlicher Kirchen daran erinnern, dass ein wehrhafter Staat Körperschaften öffentliches Rechts, die nicht auf dem Boden der Verfassung stehen, den privilegierenden Status aberkennen muss. Der organisierte Aufruf zum Verfassungsbruch aus der Mitte der christlichen „Mehrheits“-Kirchen gibt Anlass, sofort darüber nachzudenken. Damit würde man zugleich die Spielräume gegenüber den fundamentalistischen Aspiranten auf einen vergleichbaren Status erweitern.

Jony Eisenberg ist Anwalt in Berlin.